Was einem auf die Beine hilft...
Jubiläen mit Gästen wie Barbara Rütting sollten öfters gefeiert werden – bisher waren die dazugehörigen Veranstaltungen der Stadtbibliothek richtig gute „Schmankerl“. Wobei wir schon mitten im Thema sind. „Schmankerl“, oft bestehend aus Fleisch oder Wurst, gehören laut Gesundheitsberaterin Rütting nicht auf den Teller. In der Lesung zu ihrem Buch „Was mir immer wieder auf die Beine hilft“ und ihrem Vortrag über gesunde Ernährungsweise wirbt die überzeugte Veganerin für eine Ernährung ohne Fleisch, Wurst, Eier und Milchprodukten. Und dass man damit gut leben kann, beweist ihr Auftreten vor dem gut gefüllten Veranstaltungsraum des Ballonmuseums. Eine vitale, sportlich und gesund aussehende Frau bringt mit viel Humor und Kompetenz ihre Erfahrungen und Wissen über gesunde Lebensführung unter die Leute. Dabei wollte die 84-Jährige gar nicht so alt werden. „Ich hatte vor der brutalen Welt viel Ängste und war oft verzweifelt, dass ich nur 20 Jahre alt werden wollte“, erklärt sie freimütig. Ein Glück, dass sie es sich anders überlegte. Sonst hätte sie nicht als Film- und Theaterschauspielerin und Autorin so viele Menschen in ihren Bann ziehen können. Und sie weiß, von was sie spricht. Ihre Lebensstationen führten sie zu Höhepunkten aber auch Niederlagen. Sie schämt sich nicht ihrer Tränen, angesichts von Massentierhaltung, Vernichtung der Regenwälder und Umweltverschmutzung. Rütting sieht ihre 6-jährige Tätigkeit als Grünen-Abgeordnete im Bayerischen Landtag als frustrierend und desillusionierend an. Ihre Vorstellungen wurden nicht geteilt; man nahm die „alte Schachtel“ (ihre eigenen Worte) nicht für voll. Gesundheitlicher Absturz und Gewissenskonflikte machten den Abschied von der Politik leicht.
Zugegeben: was die Vortragende erzählt ist nicht alles neu. Lebensweisheiten wie „Loslassen“, „Hier und jetzt leben“ oder „Sich selbst akzeptieren“ hat man schon hundert mal gehört. Aber sie bringt es gut und verständlich „verpackt“ unter die Leute. Und sie ist ehrlich und gibt zu, dass auch bei ihr etliches nicht nach Plan verlaufen ist. So die Äußerung: „Hätte ich in meinem Leben den Traummann getroffen, dann säße ich nicht hier“. Sie weist öfters darauf hin, dass sie lediglich Empfehlungen und Hinweise für ein gesundes Leben geben kann, keine Therapie vorschlagen darf. Das kann nur der Arzt. Sie propagiert die homöopathische Heilkunst – schränkt aber auch ein, dass es zuweilen ohne Antibiotika nicht geht. So hatte sie just vor Vortragsbeginn Bekanntschaft mit einer Zecke gemacht. Nach deren Entfernung empfahl ihr der Arzt Antibiotika zu nehmen, was sie nur widerwillig tun wird. Zu ihren Lebenserfahrungen gehört u. a. die Erkenntnis, dass vieles um uns passiert, wofür wir keine Erklärung haben. Als Beispiel, wieder locker rüber gebracht: „Die Hummel dürfte eigentlich nicht fliegen können, weil sie zu schwer ist. Aber sie weiß das nicht....“
Die engagierte Lebenskünstlerin ist immer noch streitbar. Sie kämpft für Mensch, Tier und Umwelt. Massentierhaltung, auch unter biologischem „Mäntelchen“ lehnt die Veganerin vehement ab. Sie sieht sich zwar als Einzelkämpferin, hofft aber immer noch, dass sie Menschen durch ihre Bücher und Vorträge zum Nachdenken anregt. Aber: Wenn man sich zu einem Ernährungswechsel entschließt, dann bitte nicht von heute auf morgen; eine Bitte an Ehefrauen, um den Partner nicht zu erschrecken... Unter den Besuchern weilte übrigens ein besonderer Überraschungsgast: Anna Lang aus Augsburg war mit 102 Jahren wohl die älteste Anhängerin von vegetarischer Kost.
Der myheimat-Mann hatte zu fortgeschrittener Stunde noch Gelegenheit Rütting zu sprechen. Gibt es noch eine Barbara Rütting, die wir nicht kennen? Sie lacht herzlich: Wohl kaum – ich habe mich immer geoutet. Ich bin transparent und gebe alles preis.“ Sie werde deshalb auch geliebt von vielen Menschen. Vielleicht auch deshalb, weil sie ihre Lebens-Anschauung sichtbar „lebt“ und das anscheinend mit Erfolg. Dazu gehört auch viel Optimismus wie z. B. mit 82 Jahren noch ein Haus im Spessart zu kaufen. Hier hält sie es mit Martin Luther: „Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Findet sie in der Politik noch eine Partei, die ihre Ansichten auch nur annähernd vertreten? Nein, sie ist enttäuscht – auch von den „Grünen“ die im Bayerischen Landtag ihre politische Heimat waren. Lediglich eine kleine Splitterpartei, die sich dem Menschen- und Tierschutz verschrieben hat, findet ihre Unterstützung. „Leider schaffen sie aber nicht die 5-Prozent-Hürde“ bedauert sie.
Die 5-Prozent-Hürde hat sie auf jeden Fall bei ihren Zuhörern geschafft. Lang anhaltender Beifall, viele interessierende Fragen aus dem Publikum und ihre Bücher, die „weg gingen wie die warmen Semmeln“ (darf die ein Veganer essen...?) bildeten den passenden Abschluss eines interessanten Vortragsabends, der viele Anregungen aus dem Mund einer erfahrenen Praktikerin für gesunde Lebensführung enthielt.
Diese Lebensweise gefällt mir.
Ganz ohne Fleisch und Käse geht es bei mir zwar nicht,
doch mit weniger ist auch schon etwas erreicht.
Die praktizierte Tierhaltung ist eine Schande und die
die bei den billigen Tierproduktpreisen kräftig
mithalten, sehen entsprechend aus.