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Pilgern mit Edna

  • Sogar der Eingang zu Ednas Pilgerunterkunft erinnert an einen Pub
  • hochgeladen von Markus Dörre

Unterwegs sind für mich die vielfältigen Begegnungen, ein echtes Geschenk. Besonders bereichernd sind aber nicht zwingend die Begegnungen mit anderen Pilgern. Da wundere ich mich sogar manchmal sehr. Zum Beispiel, wenn sie sich abends beim Essen die zurückgelegten Kilometer wie Trümpfe um die Ohren hauen, stets darum bemüht, den anderen zu übertreffen. Ich habe schon Pilger kennengelernt, die an einem Tag mit 30-35 geschafften Kilometern geprahlt haben, um am folgenden Abend aufgeben zu müssen, weil die Füße streiken. Oder ich wundere mich über Pilger unter Zeitdruck. Laut Plan müssen sie an einem ganz bestimmten Termin am Ziel sein. Nur bleibt, bei aller Vorbereitung, ein Rest an Ungewissheit, die man nicht planen kann: die eigene Konstitution, die Unwägbarkeiten des Weges oder das Wetter.
Spannender ist für mich oft, die Geschichten derer zu hören, die eine Unterkunft betreiben. So wie Edna.
Die Nacht von Freitag auf Samstag habe ich in Isle-de-Noë verbracht. Ich fand Aufnahme bei Edna. Sie ist Engländerin und war lange Zeit Eigentümerin und Wirtin eines Pubs bei Manchester. Eines Tages beschloss sie, ihre Kneipe zu verkaufen. Am nächsten Tag las sie eine Annonce für ein Haus in Frankreich und kaufte es ganz spontan, ohne recht zu wissen warum. Ohne auch nur ein Wort Französisch zu sprechen, brach sie alle  ihre Zelte ab und zog nach Isle-de-Noë, irgendwo im abgelegenen Hinterland der Gascogne. Wie es der Zufall wollte, machte ihr ein Mann den Vorschlag, sie könnte doch aus dem Haus eine Pilgerunterkunft machen. Und seitdem beherbergt sie Pilger auf der ViaTolosana.
Mich hat Ednas Geschichte beschäftigt. Ich frage mich, ob sie so etwas wie einen "Lebens-Pilgerweg" geht. Sie hat ihre Kneipe sicher nicht aus religiösen Gründen verkauft. Den Chemin de Saint Jacques kannte sie gar nicht. Und sie war auch nie in Santiago. Landläufig würde man sie schlicht als Aussteigerin bezeichnen. Und doch liegen die Parallelen zum Pilgern auf der Hand. Am Anfang war eine unerklärliche Sehnsucht, dem Leben eine andere Wendung zu geben. Sie begibt sich dafür in die Ungewissheit, einfach darauf vertrauend, dass sich alles fügen wird. Alles, was sie bisher getragen hat, lässt sie hinter sich.
Ich sehe in ihr eine Suchende, eine Pilgerin des Lebens, auch wenn sie nie einen Rucksack anziehen und laufen wird. Aber sie hat ein Ziel erreicht, das sie glücklich macht: Heute sagt sie, die Pilger, die bei ihr ein- und ausgehen, sind wie eine Familie für sie. Ja, Gott geht einen individuellen Weg mit jedem von uns, auch wenn er gar nicht direkt in Erscheinung tritt.
Für mich hatte diese Begegnung einen witzigen Nebeneffekt: So kam ich in Südfrankreich zu einem englischen Frühstück.

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