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"Pfiat di" oder von der Zumutung des Abschieds

Jeder Morgen auf dem Weg mutet mir dieselbe Übung zu. Keine sportliche Trainingseinheit. Bewegung habe ich tagsüber genug. Vielmehr ist es die Übung des Abschieds.
Zwar kommt man auch täglich irgendwo an, was mitunter ganz spannend sein kann. Aber Ankommen ist leicht, weil es einen in jeder Hinsicht er-leichtert: Man freut sich, weil man die Etappe geschafft hat, kann dankbar sein, weil alles gut gegangen ist und nicht zuletzt legt man ja auch noch den Rucksack ab.
Und doch weiß man bei der Ankunft, dass man nach nicht einmal 24 Stunden wieder Abschied nehmen muss. Dann heißt es erneut Alles hinter sich zu lassen, nach vorne zu sehen und zu gehen. Zwar stellt sich auch hierbei mit der Zeit eine gewisse Routine ein, jedoch ist auch auf dem Chemin nicht jeder Abschied gleich. Manchmal geht man, ohne sich nochmal umzusehen. Etwa, wenn man in der Unterkunft spürte, dass sie nur als Geschäftsmodell betrieben wird und Pilger zwar notwendig aber irgendwie lästig sind. Ein anderes Mal wäre man am liebsten noch einen Tag geblieben. So wie heute. Letzte Nacht kam ich bei einer älteren Bäuerin unter, einer ganz einfachen Frau, fast schon verschüchtert. Bei der Ankunft roch es bereits nach dem Abendessen. Den ganzen Nachmittag hatte sie für die drei Pilger gekocht, die sie erwartete. Schon beim ersten Schritt in ihr Haus bot sie Wasser und Sirup an. Nichts erfrischt besser nach einer langen Wanderung. Großzügig verwöhnte sie uns mit selbstgemachten Köstlichkeiten. Und auch die Unterkunft war geräumig und sauber. Ein Ort, der zum Verweilen einlädt, weil man sich sofort willkommen fühlt.
Trotzdem kam heute unerbittlich der Abschied. Weiter, immer weiter. Wie es in Frankreich üblich ist, sagt dann jeder "Au revoir", also "Auf Wiedersehen", obwohl man weiß, dass man wohl im weiteren Verlauf seines Lebens keinem davon jemals wieder begegnen wird. "Adieu" wäre vermutlich passender: "(Hin)zu Gott", oder, wie man früher sagte: "Gott befohlen". Unsere Wege trennen sich, aber meinem Gott vertraue ich dich an. In Bayern ist das einfacher, denn da segnet man mit einem "Pfiat di Gott", was nichts anderes heißt als: "Gott behüte dich."
In diesem Jahr, in dem ich selbst einen großen Abschied gewagt habe und an einem neuen Ort angekommen bin, hat diese morgendliche Übung noch einmal eine besondere Bedeutung für mich. Sie erinnert mich daran, dass es auch im Leben kein dauerhaftes Verbleiben gibt. Irgendwann geht es an einen anderen Ort, einen Stellenwechsel, in eine andere Lebensphase, eine Trennung und einen Neubeginn. Zuletzt ruft der Tod zum Aufbruch und Abschied und verheißt doch ein Ankommen beim Herrn. Gar nicht so selten gibt es in den Lebensaufbrüchen und -abbrüchen kein Wiedersehen. Nur ein Adieu. Geh deinen Weg mit Gott und hin zu ihm

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2 Kommentare

Danke, sehr gut geschildert die verschiedenen Arten des Abschiednehmens.

Früher war es normal, bei jeder Verabschiedung, also auch zu Schulkollegen/innen oder Freunden/innen, Eltern "Pfiad di" oder "Pfiad di God" zu sagen.

VG Erika

Vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Manchmal verabschieden wir uns heute wohl häufig zu oberflächlich...
VlG

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