Blumen am Wegesrand
Herr, wie zahlreich sind deine Werke! Mit Weisheit hast du sie alle gemacht, die Erde ist voll von deinen Geschöpfen. (Ps 104,24)
"Mit Weisheit hast du sie alle gemacht", das läßt theoretisch zweierlei Auslegungen zu: Gott nutzte seine Weisheit, um die Werke zu schaffen und / oder er stattete seine Werke mit Weisheit aus.
Wenn wir das letztere akzeptieren, dann müßten wir in ausnahmslos jedem Geschöpf zumindest ein kleines Körnchen der göttlichen Weisheit erkennen können. Doch welche Weisheit könnte uns ein lebloser Stein am Wegesrand lehren? Er liegt nur geduldig da und erträgt klaglos die Sonnenhitze - ganz so wie Jesus in der Hitze des Passahfests klaglos sein Kreuz getragen und ertragen hat. Ein Grashalm, der sich im Wind neigt, könnte uns lehren, daß auch wir uns hin und wieder wörtlich oder im übertragenen Sinn vor unserem Schöpfer demütig verneigen könnten. Die tirilierende Lerche am Himmel könnte uns dazu animieren, ganz spontan unseren Schöpfer mit einem Loblied zu lobpreisen. Und die Blumen am Wegesrand könnten uns durch ihre schlichte Schönheit von der großen Liebe erzählen, mit der sie erschaffen wurden: Lernt von den Lilien, die auf dem Feld wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Doch ich sage euch: Selbst Salomo in all seiner Pracht war nicht gekleidet wie eine von ihnen. (Mt 6,28)
Wenn wir versuchen, in jedem Geschöpf Gottes Weisheit zu erkennen, dann lernen wir in jedem Geschöpf den Schöpfer zu erkennen und die ganze Welt wird für uns zu einem geöffneten Gebetbuch.
Und wäre eine solche Erkenntnis nicht vielleicht auch ein Zeichen dafür, daß auch in uns selbst ein Körnchen der göttlichen Weisheit schlummert?