Am Ziel: Ankunft in Lourdes
Am Ende konnte ich es kaum erwarten. Nahezu den ganzen Tag ging es bergauf, mal steiler, mal flacher. Und je näher ich den Pyrenäen kam, um so mehr hoffte ich, bald auf Lourdes herabsehen zu können. Doch wenn man von Bartrès her auf Lourdes zu läuft, steht man plötzlich vor dem Ortsschild, ohne bis dahin auch nur ein Haus gesehen hat. Das Sanctuaire, das Heiligtum rund um die Grotte, aber bleibt beinahe so lange verborgen, bis man fast unmittelbar davor steht.
Bisher kam ich immer mit dem Bus oder mit dem Zug in Lourdes an. Das ist einfach etwas anderes! Da landet man quasi als "Wallfahrtskonsument" mitten im Geschehen und kann ganz im dortigen Betrieb aufgehen. Je nach Bedarf zieht es einen dann an die Grotte, in die Beichtkapelle oder zu den Prozessionen. Zu Fuß folgt man schon 4km vor dem Ort den Spuren der Hl. Bernadette, die kurze Zeit in Bartrès gelebt hat, geht mit ihr nach Hause nach Lourdes und landet am Gave, wo ihr in der Grotte von Massabielle Maria erschienen sein soll.
Aber nicht nur das. Es liegen ja mindestens 170km hinter mir. Als ich am Endes meines Weges den Hl. Bezirk betrete, ist alles wie immer und zutiefst vertraut. Und trotzdem ist es, als wäre ich zum ersten Mal hier. Jeder Schritt hat mich auf diesen Ort zu geführt. Mit dem Rucksack habe ich nicht nur mein Zeug getragen, sondern zugleich mit denen mitfühlen dürfen, die ihre Last zu tragen haben. Mich selbst habe ich ertragen, mehr als sonst. Die Anliegen, in denen Menschen um das Gebet oder um eine Kerze gebeten haben, lasse ich in der ehemaligen Abfallgrotte, über der sich heute die großen Kirchen erheben. Ich empfand es immer schon als passend, dass der Himmel die Erde nicht dort berührt hat, wo es sauber, geordnet und schön ist, sondern dort, wo sich der Dreck von Lourdes gesammelt hat und es vermutlich erbärmlich gestunken hat. Nichts anderes machen die Menschen dort bis heute: Sie bringen ihren Müll zur Grotte, ihre Sorgen, ihre Schuld, ihr Versagen, ihre Leiden..
Am Ende eines Pilgerweges brauche ich unbedingt ein solches Ziel, damit all das, was sich unterwegs ereignet hat, was ich erfahren habe und was ich geschenkt bekam, einen Ort findet, an dem es gut aufgehoben ist. Und umgekehrt brauche ich den Weg zuvor, um dankbar für das erreichte Ziel zu sein.