Heute keine „Alibifrau“ mehr
JUBILÄUM / 70 Jahre CSU Gersthofen: Lange herrschte bei den Christ-Sozialen eine reine Männerherrschaft. Erst mit der Gründung der Frauen-Union ging es bei den Frauenmandaten spürbar bergauf.
Gersthofen. Der CSU-Ortsverband Gersthofen feiert sein 70-jähriges Jubiläum am Mittwoch, 6. Januar. Beginn ist um 18 Uhr im Sitzungssaal des Rathauses. Die Festansprache hält der bayerische Staatsminister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, Markus Söder. Anschließend gibt es einen Dialog zwischen Eduard Oswald, Karl-Heinz Wagner und Stefan Buck zum Thema „70 Jahre CSU und der Ortsverband Gersthofen“. Die musikalische Umrahmung erfolgt durch ein Bläser-Ensemble der „Schwäbischen Musikanten“.
Eduard Oswald ist über mehrere Jahrzehnte als ehemaliger Landtags- und Bundestagsabgeordneter und auch später in seinen Ämtern als Bundesbauminister und Bundestagsvizepräsident der Gersthofer CSU besonders verbunden. Karl-Heinz Wagner gehört seit 1965 der Ortsvorstandschaft ununterbrochen in vielen Ämtern an. Seit 1972 ist er Mitglied des Stadtrats. Er kennt die Geschichte der örtlichen CSU von Kindheit an. Sein Vater war 1945/1946 Mitbegründer der Gersthofer CSU. Stefan Buck ist aktueller CSU-Vorsitzender und zweiter Bürgermeister.
Keine Frauen „der ersten Stunde“
Karl-Heinz Wagner ist es auch, der die Rolle der Frauen im CSU-Ortsverband untersuchte. Hier sein Bericht: Als die CSU Gersthofen vor 70 Jahren gegründet wurde, war dies eine reine Männersache. Namen über „Frauen der ersten Stunde“ lassen sich in den ersten Aufbaujahre nicht finden. Erst im Jahr 1955 taucht der Name Anna Scheidler als zweite Schriftführerin in einem Protokoll auf.
Auch bei den ersten Gemeinderatswahlen in den Jahren 1946 und 1948 fehlten noch CSU-Kandidatinnen auf den Stimmzetteln. Erst im Jahr 1952 schaffte es die Ärztin Dr. Therese Liebl für eine Amtsperiode in den Marktgemeinderat. Vier Jahre später kandidierte Therese Doerfler, allerdings ohne Erfolg. Gar keine Rolle spielten bei der CSU die Frauen bei der Kommunalwahl 1960. So ist auch der damalige Plakatslogan „Männer des Fortschritts in dieses Rathaus“ zutreffend erklärbar.
Im Juli 1967 war dann allerdings die reine Männerherrschaft im Marktgemeinderat endgültig beendet. Ortrud von Willert rückte für den neu zum Bürgermeister gewählten Karl J. Weiß ins Gremium nach.
Ortrud von Willert setzte alle Hebel in Bewegung, um nicht auf Dauer als weibliche Einzelkämpferin unter den vielen Männern im Rathaus auf sich allein gestellt zu sein. Erster Schritt dazu war im Jahr November 1973 die Gründung der Frauen-Union. Schon bei den Stadtratswahlen 1978 zahlte sich der Einsatz aus. Von den vier CSU-Kandidatinnen schaffte neben Ortrud von Willert auch Brigitte Hahnel aus dem Stadtteil Hirblingen den Einzug in den Stadtrat.
„Alibifrau“ ist passé
Spätestens ab dieser Zeit gilt in der CSU Gersthofen der Begriff von der „Alibifrau“ in der Politik nicht mehr. Bei der Wahl 1984 folgte auf Ortrud von Willert dann Rosi Lemberger als neue Kollegin von Brigitte Hahnel. Aus sechs Kandidatinnen steigerten Rosi Lemberger, Sylvia Fiedler (neu) und Brigitte Hahnel im Jahr 1990 den Anteil der CSU-Stadträtinnen auf die Zahl drei. 1996 zogen mit Sylvia Fiedler, Sonja Geistbeck (neu), Rosi Lemberger und Rosa Mayer (neu) gleich vier Kandidatinnen ins Gremium. Als Nachrückerin für Ludwig Meitinger kam in der Wahlperiode 1996 bis 2002 noch Ingrid Paul dazu.
In den beiden Wahlen in den Jahren 2002 und 2008 sicherten sich ohne Quotenregelung die CSU-Frauen jeweils fünf Stadtratsmandate. Ab 2002 waren dies Rosa Mayer, Sylvia Heckl-Fiedler, Julia Romankiewicz (neu), Ingrid Grägel (neu) und Ingrid Paul. In 2008 wurden Rosa Mayer, Ingrid Grägel, Johanna Aman (neu), Sandra Meitinger (neu) und Julia Romankiewicz-Döll gewählt. Seit der letzten Wahl im Jahr 2014 gehören Ingrid Grägel, Johanna Oehler (früher Aman) und Sandra Meitinger der CSU-Fraktion an.
Erfolgreich auch auf Kreisebene
Im Kreistag des Landkreises Augsburg waren bislang die Gersthofer CSU-Frauen Marianne Honikel von 1984 bis 1996 und Sonja Geistbeck von 1990 bis 2002 als Kreisrätinnen vertreten. Von 1996 bis 2002 amtierte Sonja Geistbeck als stellvertretende Landrätin.
Auf Kreisebene bekleideten Marianne Honikel und Sonja Geistbeck als stellvertretende CSU-Kreisvorsitzende wichtige Ämter. Ergänzend dazu standen Marianne Honikel, Sonja Geistbeck und Elke Polster an der Spitze der Frauen-Union im Landkreis. Auch Claudia Stöhr übernahm als Gersthoferin mehrere Jahre lang die Leitung der Landkreis-Arbeitnehmer Union (CSA).
Für künftige Wahlentscheidungen sei beim weiblichen Anteil der CSU noch Luft nach oben, blickt CSU-Ortsvorsitzender Stefan Buck bereits voraus.
Von Karl-Heinz Wagner