2010 im Rückblick: Interview mit der Gersthofer Stadtverwaltung
mh-bayern-Team: Die Nachwehen der Wirtschaftskrise machen sich insbesondere bei den gesunkenen Gewerbesteuereinnahmen bemerkbar. An welchen Stellen muss nächstes Jahr gespart werden?
Thomas Helmschrott und Manfred Eding Vor dem Hintergrund der Finanzkrise haben Politik und Verwaltung gemeinsam nach Möglichkeiten zur Konsolidierung des Haushaltes gesucht. Bei den offenen und konstruktiven Gesprächen gab es keine Tabus. Eine offene Aufgabenkritik war Grundlage für die folgenden Entscheidungen. Die Kommune wird in der Zukunft wieder mehr darauf achten, sich auf ihr Kerngeschäft zu besinnen und freiwillige Aufgaben kritisch, insbesondere im Hinblick auf mögliche Folgekosten, zu betrachten.
Wir haben für das Jahr 2011 in allen Fachbereichen der Stadtverwaltung Einsparungen erzielen können, wobei auf ein ausgewogenes Maß geachtet wurde, damit kein Bereich über Gebühr belastet wird. Der Verzicht auf die Eislauffläche auf dem Rathausplatz ab dem Winter 2011/12 trägt zum Beispiel zu den Einsparungen bei. Aber auch der Stadtrat hat über eine Änderung der Sitzungsgeldregelung einen Beitrag geleistet. Insgesamt kommt auch über Einsparungen bei vielen kleinen Positionen zum Schluss ein gutes Sparergebnis zusammen.
Bei den Personalkosten wurden im Rahmen eines Organisationsgutachtens die Optimierungspotentiale ermittelt und werden jetzt ausgeschöpft, ohne dass der Bürgerservice leidet. Besonders positiv ist, dass auch die Beschäftigten der Stadtverwaltung und der Stadtwerke diese Maßnahmen aktiv mitgestalten und mittragen.
Ohne Zweifel hat uns unser guter Branchenmix im Gewerbebereich und die anspringende Konjunktur vor der Notwendigkeit wirklich harter und deutlich spürbarer Einschnitte bewahrt.
Sicherlich sind Sie erleichtert, dass der Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen nicht so drastisch war, wie noch zu Beginn des Jahres erwartet. Befürchten Sie, dass auch die nächsten Jahre mit diesen Schwankungen rechnen müssen und wie gehen Sie hinsichtlich Ihrer Planungen damit um?
Manfred Eding: Die Gewerbesteuer hängt direkt an der konjunkturellen Entwicklung und war somit schon immer Schwankungen unterworfen. Die extremen Unterschiede innerhalb einzelner Quartale sind allerdings eine neue Erfahrung für uns. Ich fürchte, dies wird auf absehbare Zeit auch so bleiben. Die Politik und die Verwaltung werden in Zukunft noch flexibler auf die veränderten Rahmenbedingungen reagieren müssen ohne die langfristigen Pläne aus den Augen zu verlieren.
Investitionen einerseits, um die heimische Wirtschaft anzukurbeln, stehen der notwendigen Entschuldung andererseits gegenüber. Wie werden Sie sich im nächsten Jahr in diesem Spannungsfeld bewegen?
Thomas Helmschrott: Die Stadt Gersthofen und die Stadtwerke Gersthofen sind schuldenfrei. Im investiven Bereich wird das Hauptaugenmerk auf die Folgekosten gelegt. So werden eine Reihe von Baumaßnahmen in Angriff genommen, die sich in der Zukunft positiv auf die Unterhaltskosten auswirken.
Ich darf in diesem Zusammenhang aber auch darauf hinweisen, dass Gersthofen eine der wenigen Kommunen ist, die in der Vergangenheit in guten Zeiten Rücklagen angelegt haben, so unter anderem auch für den Unterhalt der städtischen Gebäude. Auch aus dieser Rücklage werden wir in den folgenden Jahren die erforderlichen Instandhaltungsinvestitionen auch dann leisten können, wenn das Steueraufkommen nicht unseren ohnehin vorsichtigen Schätzungen entsprechen sollte.
Was lange währt, wird endlich gut - Zahlreiche Probleme gab es vor dem Spatenstich zur neuen Ortsumfahrung Hirblingen. Trifft der Spruch auch auf die Ortsumfahrung Hirblingen zu oder fürchten Sie, dass während des Baus weitere Probleme auftauchen werden?
Thomas Berger: Nachdem mittlerweile der Grunderwerb für die Ortsumfahrung Hirblingen vollzogen ist und der Spatenstich erfolgte, gehen wir von einer problemlosen Umsetzung dieses Projektes aus und hoffen auf eine Fertigstellung bis Ende 2011. Es ist positiv, dass diese Umfahrung von der überwiegenden Mehrheit der Hirblinger unterstützt wird. Hirblingen wird von diese Umfahrung ganz erheblich profitieren und an Lebensqualität gewinnen.
Das Einkaufszentrum „Forum“ kommt. Das ist aber auch die einzige gesicherte Tatsache. Unsicherheiten gibt es in vielen Punkten, z.B. Verkehrschaos insbesondere in der Bahnhof- und Bauernstraße, Baustil und Auswahl der Geschäfte. Gibt es inzwischen zum Thema „Forum“ Neues zu vermelden und was ist für 2011 geplant?
Thomas Berger: Derzeit erfolgt die Prüfung der verschiedenen Aspekte in städtebaulicher Hinsicht zum Thema FORUM Gersthofen. Geprüft werden hierbei die Verkehrsentwicklung sowie der Lärmschutz. Die Sachverhalte werden im Lenkungsbeirat der Stadt Gersthofen vorgestellt und besprochen, öffentliche Planungsschritte im Sinne der Bauleitplanung erfolgen im Jahr 2011.
Wir hoffen, dass auch der Abschluss der Ausbauarbeiten der A 8 zu einer Reduzierung der Verkehrsdichte auf der Bahnhof- und der Bauernstraße führen wird. Wir streben daher auch eine Änderung der Umleitungsstrecke der A 8, die derzeit noch direkt durch Gersthofen führt, an.
Bei der ersten Versammlung der Zukunftswerkstatt vor rund einem Jahr wurde eine Stärken- und Schwächenanalyse der Stadt aufgestellt. Als Schwachpunkte wurden u.a. Verkehr und Infrastruktur genannt. Was konnten Sie diesbezüglich 2010 bereits verbessern?
Thomas Berger: Derzeit wird eine Bestandsanalyse zum Zwecke eines Verkehrsentwicklungsplanes erstellt. Im 1. Quartal 2011 werden die Ergebnisse und Fragestellungen der Leitziele Verkehrsentwicklung mit dem Stadtrat besprochen und konkrete Handlungsfelder herauskristallisieren.
Die Gersthofer Sortimentsliste stellt die Vorarbeit dar für die zukünftigen Bebauungspläne der Stadt. Um einem weiteren Ausbluten der Innenstadt zuvorzukommen, sollen die dort ansässigen Händler geschützt werden. Somit gibt es nun Vorgaben, welche Betriebe sich in bestimmten Teilen der Stadt ansiedeln dürfen. Können Sie uns kurz die wichtigsten Ergebnisse schildern? Wie reagierten die Händler und Bürger?
Thomas Berger: Die Gersthofer Sortimentsliste wurde in der Zusammenarbeit mit der CIMA aus dem Einzelhandelsgutachten, in Zusammenarbeit mit der Politik, in Workshops herausgearbeitet. Sie regelt die Verteilung der Sortimente im Stadtgebiet mit der Zielsetzung, das innenstadtrelevante Sortimente nicht in der Peripherie der Stadt angesiedelt werden, sondern dem zentralen Versorgungsbereich, der Stadtmitte, vorbehalten bleiben. Die Händler waren in diesem Beratungsprozess eingebunden und haben konstruktiv daran mitgewirkt. Es geht dabei weniger um den Schutz der ansässigen Händler, sondern darum, in der Innenstadt ein attraktives Angebot und eine gute Versorgung der Gersthoferinnen und Gersthofer zu gewährleisten.
Dass Gersthofen auch an morgen denkt, zeigt sich auch an der Neuanschaffung verschiedener Erdgasbusse. Welchen Stellenwert haben umweltpolitische Themen in Gersthofen sowohl auf der Seite der Stadt als auch bei den Bürgern?
Thomas Helmschrott: Der Stellenwert bei umweltpolitischen Themen ist innerhalb der Verwaltung von großer Bedeutung. So wurde z.B. im Bereich der Bauverwaltung ein Klimaschutzkonzept für die Umsetzung umweltpolitischer Ziele, im Bereich der Bestandsimmobilien, erarbeitet, das die Politik in den folgenden Jahren als umsetzungswert erachtet hat. Rathaus und Stadthalle etwa werden durch ein Blockheizkraftwerk versorgt, das die Emissionen deutlich reduziert.
In diesem Jahr wurde die Kindertagesstätte St. Elisabeth energetisch saniert, der Neubau der Mittelschule soll im Passivhausstandard realisiert werden. Die Gersthofer Verkehrsgesellschaft GmbH beschafft für ihre Busflotte drei Erdgasbusse. Darüber hinaus wird auch der Fuhrpark der Stadtverwaltung Gersthofen auf umweltfreundliche Erdgasfahrzeuge umgestellt. Hierfür werden drei Erdgas-Pkw beschafft.
Durch ein gutes Radwegenetz in der Stadt Gersthofen bestehen gute Voraussetzungen für die Nutzung des Fahrrads in der Stadt, was Geld spart und die Ressourcen schont. Die Stadt Gersthofen wendet jährlich erhebliche Mittel auf, um den innerstädtischen öffentlichen Nahverkehr über das Angebot des AVV hinaus zu verbessern.
Aktuell haben wir die komplette Straßenbeleuchtung auf energiesparende Leuchtmittel umgerüstet.
Darüber hinaus hat der Stadtrat auch beschlossen, dass künftig auf landwirtschaftlichen Grundstücken im städtischen Eigentum der Anbau gentechnisch veränderten Pflanzen unzulässig ist. Hierbei sind wir auf große Unterstützung der örtlichen Landwirte gestoßen. In den städtischen Kindergärten und Schulen werden keine gentechnisch veränderten Produkte verwendet. Die umweltpolitischen Maßnahmen der Stadt setzen sich aus vielen kleinen Mosaiksteinen zusammen, die insgesamt ihre Wirkung entfalten.
Die Gersthoferinnen und Gersthofer setzen Energieeinsparungen jeweils in ihrem Umfeld um. Sie können dies beispielhaft an den energetischen Sanierungen von Gebäuden in der Stadt und der Anzahl der Photovoltaikanlagen auf den Dächern erkennen.
Die Stadtverwaltung hat zwar erkannt, dass dringend Handlungsbedarf beim maroden Bahnhof besteht, doch alle Bestrebungen, das Bahnhofsgrundstück der Deutschen Bahn abzukaufen, verliefen erfolglos. Können Sie schon absehen, wie es 2011 diesbezüglich weitergehen wird und welche Pläne haben Sie nach einem erfolgreichen Kauf?
Jürgen Schantin: Die Verhandlungen über den Kauf der Bahnhofsgrundstücke durch die Stadt Gersthofen werden hoffentlich in absehbarer Zeit abgeschlossen sein. Die Vorplanungen für diesen Bereich sowie den Bereich westlich der Bahnlinie des Bahnhofes laufen und sollen 2011 konkretisiert werden. Klar ist, dass Park&Ride-Parkflächen am Bahnhof ausgewiesen werden, die das Pendeln mit der Bahn attraktiver machen. Was mit dem Bahnhofsgebäude passiert, ist derzeit noch völlig offen. Ich persönlich werde mich für einen eventuellen Erhalt des Gebäudes nur dann einsetzen, wenn ein realistisches betriebswirtschaftliches und nachhaltiges Konzept auf den Weg gebracht werden kann.
Ab 2011 soll der neu gegründete Verein „Lebendige Innenstadt Gersthofen“ das traditionelle Gersthofer Bürgerfest ausrichten. Die Erwartungen der Stadt und auch des Vereins selbst sind hoch. Was ist Ihnen persönlich bei der Neugestaltung des Bürgerfestes wichtig?
Helmut Gieber: Zunächst möchte ich mich an dieser Stelle für das langjährige Engagement des Gewerbeverbandes Gersthofen, vertreten durch den Vorsitzenden Albert Heckl, um das Gersthofer Bürgerfest bedanken. Ich freue mich aber auch sehr, dass auf Initiative von Stadtrat und Marktreferent Max Poppe der Verein „Lebendige Innenstadt Gersthofen“ gegründet wurde, der sich mit großem Ehrgeiz die Neuausrichtung des Bürgerfestes zum Ziel gesetzt hat, aber auch weitere Impulse für eine zusätzliche Belebung der Innenstadt setzen will. Wichtig ist mir persönlich, dass ein schlüssiges Konzept für ein attraktives Bürgerfest mit vielen neuen Ideen und unter Beteiligung von zahlreichen Gersthofer Vereinen, Organisationen und Institutionen vorgelegt wird. Die Stadt Gersthofen wird auch beim neuen Bürgerfest wie bisher nicht als Veranstalter auftreten, jedoch die Entwicklung des Konzeptes begleiten. Bei Vorlage eines überzeugenden Konzeptes hat die Stadt zusätzlich zu den bereits bisher übernommenen Kosten eine Anschubfinanzierung in Höhe von rund 15.000,- Euro in Aussicht gestellt.
Vielen Dank!