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Schaltfehler im Kopf

Das neue Stadthallen-Programm sieht einen Kabarettabend mit Siggi Zimmerschied vor. Er ist kein Unbekannter mehr - er tritt bereits zum 8. Mal in der Stadthalle Gersthofen auf. Höchste Zeit also, den wortgewaltigen Satiriker und Kabarettisten für den „gersthofer“ unter die Lupe zunehmen. Der telefonischen Anfrage stimmt er persönlich zu – er arbeitet ohne Agentur. Dann ist es soweit. Der Pressemann wird von einer freundlichen Dame des Kulturamtes an Zimmerschied übergeben und es kann mit der ersten Frage losgehen: Zimmerschied hat seit ca. 35 Jahren Bühnenerfahrung. Was muss ein Kabarettist mitbringen, um so lange im „Geschäft“ zu bleiben? „Er muss einen Schaltfehler im Kopf haben“ lautet die verblüffende Antwort. Der Pressemann fragt vorsichtshalber nach. „Ja, Schaltfehler.“ Das ist erklärungsbedürftig. Gemeint ist: Er muss eine besondere Gabe haben die Welt anders wahrzunehmen als die normalen Zeitgenossen. Die gewonnenen Eindrücke muss er mitteilen. Er beobachtet ständig und hält auf der Bühne seinen Zuhörern einen Spiegel vor. Der so „Gespiegelte“ kann sich selbst erkennen, bei genügend Phantasie. Zimmerschied schließt sich da nicht aus, denn „Ich habe einen Hang zur Selbstironie.“ Der Mann mit dem Schaltfehler hat mehrere Plattformen, um sich dem Publikum mitzuteilen. Kabarettist auf der Bühne, Schauspieler vor der Kamera, Sprecher in Hörspielen und Buchautor – was fordert ihn am meisten? „Als Kabarettist kann ich mich total ausleben und versuche immer wieder meine Anliegen in neuer Form zu verpacken.“ Als Bühnenprotagonist schätzt er den Dialog mit dem Publikum, der ihn beflügelt aber auch irritiert, wenn die erhoffte Wirkung ausbleibt. Er sorgt nicht für große „Lacher“, seine Stärke ist vielmehr das zur Schaustellen von Hintergründigem und Verborgenem das er erbarmungslos analysiert und wortgewaltig, mit ätzender Mimik und Parodie dem Publikum vorstellt. Oft mit sparsamen Mitteln; im ersten Teil seines diesjährigen Programmes kommt er mit einer Stablampe aus, die er als dramaturgisches Mittel ansieht und nicht wie der Pressemann vermutete, um dem Publikum heimzuleuchten...

Und noch ein Bekenntnis: Er hat ein grundsätzliches Problem mit der Prägung, die ihm durch sein erstes, bewusst wahrgenommenes Umfeld, widerfahren ist. „Ich habe Ausbruchsversuche unternommen, um diese Prägung abzulegen.“ Prägung, Ausbruchsversuche? Gemeint ist u. a. sein zwiespältiges Verhältnis zur Kirche. Aufgewachsen im konservativ/katholischen Passau versucht er sich von dem unfreiwillig aufgenommen Gedankengut öffentlich „freizuschwimmen“. Was ihm auch schon viel Ärger eingebracht hat. Er lässt sich trotzdem hin und wieder in der Kirche sehen – zuweilen steigen schöne Kindheitserinnerungen auf. Mit der Amtskirche hat er nichts am Hut.
Will Zimmerschied eine Botschaft an den „kleinen Mann“ oder „kleine Frau“ vermitteln? „In jedem von uns schlummern dunkle Seiten, die bei passender Gelegenheit hochkommen. Ich bin aber kein Moralist.“ Angesichts des Verhaltens von „großen“ Vorbildern in Politik und Gesellschaft hat er Verständnis, wenn die „Kleinen“ auch mal über die Stränge schlagen.

Zum Abschluss zitiert Zimmerschied den großen Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch, der zum Urgestein des Kabarett-Genres gehört: „ Kabarett ist die Kunst, das Gehör zu schulen für falsche Töne.“ Danach entlässt er den Pressemann – er muss für sein Einmann-Programm „Reisswolf“ fit sein. „Falsche Töne - da hat das Kabarett derzeit Hochsaison“, denkt sich der myheimat-Mann beim Verabschieden...

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