Geht nicht, gibt’s nicht
Dieser Spruch, gerne als Werbeslogan verwendet, ist mit Vorsicht zu genießen. Er soll auf eine Leistungserbringung, auch in schier unmöglichen Fällen, hinweisen. Oft nur „heiße Luft“. Wir wollen heute einen Mann vorstellen, dessen Lebensmaxime auf „Geht nicht, gibt’s nicht“ ausgerichtet ist. Bislang mit Erfolg.
Karl Stöber wohnt seit 2000 mit seiner Frau Giesela in Gersthofen in der Bürgermeister-Langhans-Straße. Er ist Vater von zwei Töchtern und einem Sohn. Mit 70 Jahren ist er in einem Alter, wo die Lebensplanung nicht mehr allzu hoch gesteckt ist. Fragen nach seinem Rentnerdasein, werden mit einem Kopfschütteln beantwortet. „Ich stecke noch mitten in der Arbeit und hoffe, dass das möglichst lange so bleibt“, lacht er. Wobei seine Arbeit zumeist „über den Wolken“ stattfindet. Dort ist die Freiheit zwar nicht grenzenlos, aber Stöber kann seiner Leidenschaft nachgehen: Fliegen, für ihn eine Art Lebenselexier, das ihm bisher ca. 25.000 Flugstunden beschert hat. Wenn kein Rentner, was dann? Man kann wählen zwischen Flugbetriebsleiter, Verkehrsflugzeugführer auf Reiseflugzeugen (Turboprop und Jet) und Fluglehrer bei einer bekannten Flugschule am Flugplatz Mühlhausen.
Stöber wuchs in einfachen Verhältnissen in der Rhön auf. Er und seine drei Geschwister wurden von der Mutter groß gezogen, nachdem der Vater im Krieg gefallen war. Nach der Volksschule wurde eine Lehre zum Werkzeugmacher angetreten mit anschließender 1-jähriger Berufsausübung. 1958 rief die Bundeswehr. Er beschloss als Zeitsoldat bei der Luftwaffe einzutreten. Von ungewöhnlichem Ehrgeiz getrieben, setzte sich Zeitsoldat Stöber über alle Erschwernisse und Unebenheiten in der damals noch jungen Bundeswehr hinweg und formte zielstrebig seine Karriere zum Piloten eines Düsenflugzeuges. Über den 2. Bildungsweg bei der Bundeswehr schaffte er die laufbahntechnischen Voraussetzungen. „Im Februar 1959 saß ich bereits am Steuerknüppel einer einmotorigen Piper L18“, erzählt Stöber stolz. „Ein unvergesslicher Augenblick.“ Vom bisherigen Standort Landsberg ging es 1960 zur Jetausbildung in die USA. Nach verschiedenen Ausbildungsgängen durfte er sich ab 1961 „Jetpilot auf Kampfflugzeugen“ nennen. „Es war eine interessante Zeit“, erinnert er sich, „wir flogen 1961 während des Mauerbaues Patrouille an der innerdeutschen Grenze.“ Den 8. Mai 1963 hat der Pilot in besonderer Erinnerung: „Während eines Übungsfluges musste ich infolge eines Turbinendefektes aus meiner F84-Maschine in 500 Meter Höhe mit dem Schleudersitz aussteigen“, erzählt Stöber. Das war ziemlich knapp und er landete nicht unweit von Buchloe in einem Wald. Die Maschine bohrte sich in einen Acker – der zufällig anwesende Bauer ging hinter seinem Traktor in Deckung... Der Bauer blieb unversehrt. Nicht der Pilot. Stöber trug Hautabschürfungen und Stauchungen im Wirbelsäulenbereich davon – er ist seit dem dramatischen Unfall zwei cm kleiner. Er ließ sich nach dem Absturz nicht unterkriegen – geht nicht, gibt’s nicht. 1964 wurde Stöber in den USA zum Starfighterpiloten ausgebildet. 1968 absolvierte Stöber die Ausbildung zum Waffenlehrer für Starfighter. Bis 1979 konnte er 3.000 Starfighter-Flugstunden vorweisen. 1982 schied Major Stöber mit 44 Jahren aus dem aktiven Dienst aus.
Noch zu jung um Däumchen zu drehen, suchte er sich ein zweites Standbein und ließ seine Militärlizenz auf eine Zivillizenz „umbauen“. Neue Prüfungen beim Luftfahrt-Bundesamt in Braunschweig folgten. Dann kam ein bunter Reigen von Flugaktivitäten; Fliegen von Oldtimern, Geschäftsflieger für Augsburger Firmen und Fluglehrer bei einer Flugschule, die ihm seit 1987 selbst gehört; außerdem Mitglied bei der Kommission für Lärmschutz. Dazwischen immer wieder Tests und Tauglichkeitsprüfungen. So muss sich „Senior“ Stöber alle sechs Monate auf Herz und Nieren von Fliegerärzten untersuchen lassen. Es gibt nur wenige Piloten, die in diesem Alter noch hinter dem Steuerhorn eines Düsenflugzeuges sitzen.
Woher kommt die Lust am Fliegen? Aus dem Elternhaus nicht. Das zarte Pflänzchen wurde bei der Bundeswehr geboren, aus dem Ehrgeiz heraus, „es zu etwas bringen“. „Ich habe immer ein Ziel vor Augen gehabt, das dann hartnäckig verfolgt wurde. Kameraden haben mich deshalb auch als „Eisenfuß“ bezeichnet“, grinst Stöber. Vielleicht auch deshalb, weil er von seinen Schülern den gleichen vollen Einsatz verlangt wie bei sich selbst. „Wenn nicht, kommt es leicht zu Unmutsäußerungen meinerseits “, gibt er selbstkritisch zu. Er weiß, von was er spricht. Ihm ist in seinem Leben nichts zugeflogen (im wahrsten Sinn des Wortes). Erfolg musste mühsam erarbeitet werden. Mühen, die dem agilen 70er nicht anzusehen sind. Regelmäßige Besuche im Fitnessstudio, Radfahren und das Lesen von Literatur über Zeitgeschichte tun ihr übriges, um ihn fit zu halten. Er verrät noch ein kleines Geheimnis: er genießt ab und zu ein Glas guten Whisky – aber nur, wenn keine Flüge anstehen. Priorität hat das Fliegen. Wenn das Telefon läutet und es erfolgt Auftrag für einen Geschäftsflug, wird dieser durchgeführt. An diesen „stand by“ Modus hat sich Ehefrau Giesela gewöhnt.
Am nächsten Tag steht ein Flug an. Er muss von Bremen einen 2-strahligen Citation-Jet nach Mühlhausen fliegen. Da heißt es früh aufstehen, mit dem ICE nach Bremen und mit dem Flugzeug wieder zurück nach Augsburg. Der myheimat-Mann ist bei der Landung dabei und fotografiert natürlich. Selten hat ihm ein Interview so viel Spaß gemacht wie dieses, denn er hat selbst ein Faible für die Luftfahrt. Zum Schluss darf er sich noch in die Maschine setzen, als sie ins Hangar gerollt wird. „Schön“, freut sich der Pressemann, „jetzt kann ich endlich sagen, ich war für das myheimat-Stadtmagazin im Düsenjet unterwegs...“
Schön, wenn man noch so lange fit ist. Die Aktivität hält lange jung. Echt guter Artikel.