Urlaubsabgeltung bei Langzeiterkrankung
Nach geltendem Recht erlosch der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub bisher zum Ende des Kalenderjahres bzw. spätestens zum Ende des Übertragungszeitraums im Folgejahr, in der Regel zum 31.03.
War ein Arbeitnehmer bis zum Ende des Kalenderjahres bzw. bis zum Ablauf des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt, verfiel der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bzw. musste der aufgrund Krankheit nicht genommene Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses nicht finanziell abgegolten werden.
Diese Grundsätze des Deutschen Rechts hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Grundsatzurteil zur Urlaubsabgeltung bei Krankheit vom 20.01.2009 aus den Angeln gehoben.
Der EuGH ist der Ansicht dass es gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, wenn der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines Übertragungszeitraums auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraumes oder eines Teiles davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat.
Somit hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nunmehr entgegen seiner ständigen Rechtsprechung festgestellt, dass gesetzliche Urlaubs- wie auch Urlaubsabgeltungsansprüche nicht verfallen, wenn der Arbeitnehmer während des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraumes oder eines Teiles davon krankgeschrieben war und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte.
Als Konsequenz für die Praxis ergibt sich daraus, dass grundsätzlich Urlaubsabgeltungsansprüche von Dauerkranken i. H. d. gesetzlichen Urlaubs nicht mehr verfallen. In Folge dieses BAG-Urteils sollten Arbeitgeber zukünftig Rückstellungen für solche Urlaubsabgeltungsansprüche von Dauerkranken bilden. Andernfalls werden zukünftig Arbeitgeber bemüht sein, dauerkranken Arbeitnehmers personenbedingt zu kündigen oder sich einvernehmlich von diesen zu trennen, um ein Auflaufen von erheblichen Urlaubsabgeltungsansprüchen zu vermeiden.
Insgesamt führt diese Rechtsprechung zu einer erheblichen Mehrbelastung für Arbeitgeber, da sich insbesondere bei Langzeitkranken über Jahre hinweg entsprechende Urlaubsansprüche anhäufen können. Nach Rückkehr einer langjährigen krankheitsbedingten Abwesenheitszeit stehen dem Arbeitnehmer entsprechende Urlaubsansprüche u. U. sogar für mehrere Jahre zu.
In der Praxis haben Unternehmen bislang überwiegend aufgrund der Rechtsprechung es EuGH argumentiert, dass sich der Abgeltungsanspruch bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von langzeitkranken Mitarbeitern auf den gesetzlichen Mindesturlaub beschränken würde. Mit einer Entscheidung des BAG vom 04.05.2010 wurde dieser Sachverhalt nunmehr dahingehend konkretisiert, dass klarstellend auch im Regelfall vertragliche Mehrurlaubsansprüche von der Abgeltung umfasst werden.
Argumentation hierfür ist, dass in der Praxis bislang kaum Arbeitsverträge existent sind, die eine entsprechende Differenzierung zwischen gesetzlichen und darüber hinaus gewährten zusätzlichen Urlaubsansprüchen vorsehen.
Wie weitreichend eine Anhäufung von Urlaubsansprüchen möglich ist, wird derzeit durch eine Vorlage beim EuGH geklärt. Diese Vorlage ist anhängig für die Frage, ob ggf. auch eine endlose Anhäufung nicht genommenen Urlaubs im Falle einer Erkrankung europarechtlich geboten sein könnte.
Hier bleibt die Weiterentwicklung der europarechtlich beeinflussten Rechtsprechung abzuwarten.