Friedberger Tafel – Ein Rückblick 2012
Wenn die Friedberger Tafel für das Jahr 2012 Bilanz zieht, geht es nicht nur um Zahlen. Aufschlussreicher und wichtiger ist ein Blick auf die Entwicklung des sozialen Umfeldes. Dazu passt es, dass sich in letzter Zeit die Politik auffallend intensiv mit Armut, Kinderarmut und Altersarmut beschäftigte, sowie Statistiken präsentierte, die zur Definition dieser Begriffe beitragen sollten.
Ist man, egal in welcher Funktion, nahe am Thema und stellt Bedürftigen die Frage, wie sie selbst ihre Zukunft einschätzen, geht es um die existenzielle Sorge, ob man am Arbeitsmarkt überhaupt noch vermittelbar ist. Alleinerziehende Mütter müssen bis zur Unterbringung Ihrer Kinder im Kindergarten, ggf. sogar bis zu ihrer Einschulung, zu Hause bleiben. Sie befürchten zu Recht, anschließend keinen halbwegs gut bezahlten Job mehr angeboten zu bekommen. Oft werden sie von Arbeitgebern dann bereits als „zu alt“ abgelehnt. Der überwiegende Teil aller noch im erwerbsfähigen Alter Betroffenen hat Angst, beruflich nicht mehr auf eigenen Beinen stehen zu können. In die Arbeitswelt wieder integriert zu sein, genügend Geld zu verdienen, um den Lebensunterhalt für sich und evtl. auch die Familie selbst bestreiten zu können, ist das angestrebte Ziel. Nicht mehr zur „Arge“ gehen, Rechenschaft über jeden Cent ablegen zu müssen, welch ein herrliches Lebens- und Wertegefühl würde sich da einstellen!
Sie machen sich Sorgen um ihre Zukunft, sind teilweise sogar am Nullpunkt angelangt. In finanzieller Hinsicht ist keine Besserung zu erwarten, da alles teurer wird. Minimale Renten- oder Lohnerhöhungen im unteren Sektor werden von steigenden Kosten (nicht allein durch die Preisentwicklung im Energiebereich) aufgefressen. Bedürftige stehen vor Situationen, die Normalverdienern keine Kopfschmerzen verursachen würden. Es geht zum Beispiel um die Aufnahme eines Darlehens, damit eine medizinisch verordnete Brille bezahlt werden kann; einen nicht finanzierbaren Fernseher der kaputtging; dass die Ersparnisse für Katzenfutter hergenommen werden, um die geliebte Katze behalten zu können; dass die finanzielle Belastung durch eine notwendig gewordene Aufnahme der Enkelin in den Haushalt ungemein erschwert wurde; sich die staatlichen Zuschüsse mit der Umstellung des Bezuges von Hartz-IV auf BU-Rente wesentlich verringert haben.
Natürlich gibt es auch Personen, die für das begonnene neue Jahr in ihrer beruflichen Qualifizierung die Möglichkeit einer geeigneten Anstellung sehen. Der geglückte Alkoholentzug gehört zu den erfreulichen Entwicklungen ebenso wie das gute Gefühl, nach einer gescheiterten Beziehung endlich für sich allein und glücklich leben zu können.
Viele Wünsche und Probleme bleiben ungelöst und es werden geeignete und gerechte Regelungen durch den Staat gefordert. Darf es sein, dass man nach 34 Berufsjahren in Hartz-IV fällt; dass Kinder in Hartz-IV aufwachsen und ihre Psyche darunter leidet; dass Gesetze eine finanziell ungleiche Behandlung bei getrennten Lebenspartnerschaften zulassen; dass der Verdienst zum Erhalt der Familie nicht mehr ausreicht; dass zu wenig für die geeignete Unterbringung von Kindern allein erziehender Berufstätiger getan wird, um ohne schlechtes Gewissen ihrer Berufstätigkeit nachgehen können? Hinterfragt wird von den Tafelnutzern zudem, warum so viel Geld in fremde Länder für militärische aber auch humanitäre Zwecke eingesetzt wird, anstatt es für Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu verwenden? Beklagt wird der verschwenderische Umgang mit Steuergeldern und Misswirtschaft wird angeprangert. Viele Entscheidungen werden über die Köpfe der Bürger hinweg getroffen, anstatt auf deren Belange einzugehen. Die Ansätze zur Besserstellung von Familien seien großteils falsch. Die soziale Gesetzgebung wird in der Regel als gut anerkannt, die offenbare Umverteilung von Unten nach Oben jedoch als schmerzhaft empfunden.
Wenn es darum geht die Wünsche zu hinterfragen geht es im Normalfall selbstverständlich um einen Arbeitsplatz, Gesundheit und Finanzen. Geht es allerdings um die „geheimen“ (unerfüllbaren?) so sind dies beispielsweise: Ein Kuraufenthalt, Wellness im Hotel, Urlaub mit der Familie, einmal nach Helgoland zur Vogelinsel reisen, Fernseher, Geld für die Weiterbildung, um den angestrebter Abschluss zu erreichen.
Dies alles kann zwar die Tafel als Einrichtung nicht erfüllen, aber die Bedürftigen sind dankbar dafür, dass es sie gibt. Der wöchentliche Bezug von Lebensmitteln erleichtert ihre finanzielle Situation nicht unerheblich. Das Fernbleiben einiger Bedürftiger im Laufe des Jahres 2012 lässt die Hoffnung aufkommen, dass sie zu den Glücklichen zählen, die einen Arbeitsplatz fanden. Neuzugänge waren zu verzeichnen, so dass 2012 wöchentlich im Schnitt 50 bis 60 Personen regelmäßig die Dienste der Tafel beanspruchten und mit entsprechenden Familienangehörigen etwa insgesamt 140 Personen versorgt werden konnten. Die Menge der wöchentlichen ausgegebenen Waren betrug, saisonbedingt schwankend, etwa 40 Trage-Kisten. Möglich machten dies in erster Linie die Lebensmittel abgebenden Supermärkte und Discounter, Metzger, Bäckereien und Konditoren. Von der Augsburger Tafel konnten im 14-tägigen Rhythmus Waren zur Ausgabe abgeholt werden. Auch dies hat nicht unerheblich zu einem breiteren Lebensmittel-Angebot beigetragen. Nicht zu vergessen sind die zahlreich eingegangenen Geld- und auch Sachspenden weiterer Sponsoren, unter anderem von Behörden, Banken, Vereinen, Firmen und Privatleuten. Sie alle haben dazu beigetragen, die Friedberger Tafel (unter dem Dach des Caritasverbandes Aichach-Friedberg e.V.) und deren ehrenamtlichen MitarbeiterInnen zu unterstützen und zu motivieren. Diese Anerkennung ihrer Arbeit ist Ansporn, sich auch künftig mit großem Engagement ihrer ehrenamtlichen Aufgabe widmen. Der Caritasverband und sein Tafel-Team sagen im Namen der Bedürftigen „Danke“ und hoffen darauf, dass sie sich auch in diesem Jahr wieder auf einen derart breiten Zuspruch und so viel gelebte Solidarität verlassen können!
Der Armutsbericht des Arbeits- und Sozialministeriums lässt den Schluss zu, dass es auch in diesem Jahr für die Tafeln wieder viel zu tun geben wird. Die negative Entwicklung der Bezüge im unteren Lohnbereich, verglichen mit der überaus positiveren Entwicklung derer im oberen Bereich (sprich: Einkommensspreizung) verletzt das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung. Die Privatvermögen sind in Deutschland bekanntlich sehr ungleich verteilt.
Kulturtafel
Eine Erfolgsgeschichte stellt die im vergangenen Jahr gegründete „Kultur-Tafel“ (ebenfalls unter dem Dach des Caritasverbandes Aichach-Friedberg e.V.) dar. Inzwischen zählen bereits sieben Anbieter anspruchsvoller und interessanter Veranstaltungen zu den regelmäßigen Unterstützern und Sponsoren von kostenlosen Eintrittskarten. Die Vorstellungen werden von den Bedürftigen mit großer Begeisterung und Dankbarkeit besucht und sie sparen in ihren Stellungnahmen nicht mit anerkennenden, überglücklichen Kommentaren. Ihre dadurch möglich gewordene Teilhabe am kulturellen Leben bedeutet für sie den Schritt in die Normalität und ein Gefühl der Zugehörigkeit. Die Caritas und die damit betrauten Helferinnen sagen auch diesen Sponsoren „Danke“ für die großartige und großzügige Unterstützung.
Kontakt
Caritasverband Aichach-Friedberg e.V.
Hermann-Löns-Str.6, 86316 Friedberg
Tel. 0821/26891-0, Fax 0821/26891-19
www.caritas-aichach-friedberg.de
Spenden:
Stadtsparkasse Augsburg BLZ 720 500 00
Kto.Nr. 240 000 570
Kennwort: Spende Friedberger Tafel
Text: Lieselotte Grund