„Das Thema Bezahlbares Wohnen liegt mir sehr am Herzen“: Ein Interview mit Bürgermeister Roland Eichmann

Roland Eichmann bei der Geburtstagsfeier von Altbürgermeister Albert Kling | Foto: Franz Scherer
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  • Roland Eichmann bei der Geburtstagsfeier von Altbürgermeister Albert Kling
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myheimat: Herr Eichmann, die Verlängerung von Straßenbahnlinien ist im Augsburger Umland ein großes Thema. In Neusäß, Gersthofen und Königsbrunn wird darüber lebhaft diskutiert. Auch Friedberg beschäftigt sich mit einer Verlängerung der Straßenbahnlinie 6 von der Endhaltestelle am P+R-Platz Friedberg-West zum Friedberger Bahnhof. Welche Vorteile bietet eine derartige Lösung?

Eichmann: Die SPD hat aktuell beantragt, eine Streckenführung bis unter den Berg mit den Stadtwerken Augsburg zu verhandeln. Aber bereits im Wahlkampf 2013/14 hatte es darüber Diskussionen gegeben. Meine Position dazu ist klar: Ich halte die Straßenbahn in Friedberg für eine große, wichtige Vision. Aber nicht verloren unter dem Berg ohne Anschluss, sondern in einer großen Schleife über die Bürgermeister-Hohenbleicherstraße, die Aichacher und Münchner Straße und am Bahnhof vorbei über den Steirer Berg zurück. Dann hätte ich sowohl das Schloss, den Volksfestplatz mit dem Schulzentrum, die Innenstadt und den Bahnhof mit dem Fachmarktzentrum Unterm Berg verbunden.

myheimat: Mit der Machbarkeitsstudie zur Verlängerung der Straßenbahnlinie 6 müsste man sich beeilen. Sonst könnte der Bau der Augsburger Osttangente das Straßenbahnprojekt im wahrsten Sinne des Wortes „durchkreuzen“, oder?

Eichmann: Es ist richtig und das war die Intention der SPD, den richtigen Zeitpunkt nicht zu verpassen. Aber noch befindet sich die Planung der B2 neu im völligen Anfangsstadium. Ich habe immer die Position vertreten, dass die Stadt diese Planungen kritisch begleiten und vehement die eigenen Interessen verfolgen muss, neben dem Lärmschutz ist das zum Beispiel auch die Option einer Straßenbahn.

myheimat: Kommen wir zu einer anderen möglichen Baustelle. In Bezug auf Friedbergs Zentrum konstatierten Sie nüchtern: „Wir haben keine Strategie für die Altstadt“. An Themen, die angegangen werden könnten, mangelt es dabei aber nicht. Als Stichwörter seien Handel, Wohnen und Verkehr genannt. Wie sehen Ihre Ideen für eine Überarbeitung des Altstadtentwicklungskonzeptes aus?

Eichmann:
Ihre Stichwörter sind so locker angeführt, aber jedes für sich ist schon ein komplexes Thema, geschweige denn das Zusammendenken. Meiner Ansicht nach müssen wir den öffentlichen Raum weiter umbauen. Dazu haben wir ein Konzept aus dem Jahr 2007, nach dem wir 2021 die Bahnhofstraße umbauen. Die damaligen Ergebnisse befriedigen aber nicht in Bezug auf den Marienplatz. Hier brauchen wir Änderungen. Und um die vernünftig zu diskutieren, braucht es Grundlagen, zum Beispiel, ob eine Tiefgarage unter dem Marienplatz möglich ist. Grundsätzlich glaube ich, wir müssen mit Komplettsperren vorsichtig sein. Es ist eine Erfahrung aus den letzten Jahren, dass wir bei Aktivitäten des Verkehrsvereins oder der Stadt viel Leben in der Altstadt haben. Aber ohne besondere Events und Aktionen ist insbesondere bei schlechtem Wetter sehr wenig los. Es braucht also intelligente Lösungen. Eine Einbahnstraße gehört meines Erachtens nicht dazu.

myheimat: Sollten in diesem Zusammenhang die „Äußere Ludwigstraße“ im Osten sowie die „Bahnhofsvorstadt“ im Süden zu Sanierungsgebieten werden?

Eichmann:
Ja, in Abstimmung mit den Fachleuten und Förderstellen der Regierung von Schwaben haben wir seitens der Verwaltung vorgeschlagen, diese Bereiche mit hineinzunehmen. Wobei Sanierungsgebiet als Begriff missverständlich sein kann. Es geht um eine strategische Weiterentwicklung von wichtigen innerstädtischen Bereichen.

myheimat: Welche Vision haben Sie für Friedbergs „Herzkammer“, den Marienplatz?

Eichmann:
Die Sperre der Garage West aus Brandschutzgründen hat gezeigt, dass wir aktuell kaum auf den "Parkplatz Marienplatz“ verzichten können, auch wenn der Anblick des vielen Blechs schon traurig ist. Ich kann mir gut einen Umbau vorstellen, bei dem die Zufahrt nur noch westlich des Rathauses erfolgt und nicht mehr zwischen Marienbrunnen und Rathaus. Oder es ist verträglich möglich, eine Tiefgarage unter den Marienplatz zu bauen. Dann würde sich natürlich die Situation ganz anders darstellen. Von solchen Lösungen könnte der Platz erheblich profitieren, ohne gleich den Individualverkehr komplett auszusperren.

myheimat: Stadtrat Wolfgang Rockelmann warnt vor einer „gigantischen Spekulationswelle“ und fände es schade, wenn „von der Altstadt nichts übrig bleiben“ würde. Sind seine Sorgen berechtigt?

Eichmann:
In gewisser Weise schon. Wir erleben einen steilen Anstieg der Preise in der Altstadt. Die Wohnlage ist sehr beliebt, aber oft wird dann festgestellt, dass die alten Gebäude nicht optimal moderne Wohnansprüche erfüllen. Ist das Haus dann kein Einzeldenkmal, kann ein Abriss erfolgen. Solche Anträge haben sich gehäuft in letzter Zeit.

myheimat: Lassen Sie uns über eine tatsächliche Baustelle sprechen, die sehr zu Ihrer Freude im September 2018 in Angriff genommen werden konnte. Den Spatenstich zu 67 neuen städtischen Wohnungen an der Afrastraße bezeichneten Sie selbst als „Meilenstein in der Geschichte der Stadt“. Warum hat dieses Bauprojekt so eine große Bedeutung für Friedberg?

Eichmann:
Das Thema „Bezahlbares Wohnen“ liegt mir als Sozialdemokraten sehr am Herzen. Es ist tatsächlich das erste Mal seit über 30 Jahren, dass die Stadt Friedberg am Wohnungsmarkt wieder aktiv wird. Hier setzen wir das Zeichen, dass wir die Verpflichtung der Bay-erischen Verfassung, dass es „billige Volkswohnungen“ geben muss, ernst nehmen. Aber es ist auch die blanke Notwendigkeit. Ich prognostiziere in wenigen Jahren in Friedberg Neubaumieten mit 13 bis 15 Euro auf den Quadratmeter. Das werden viele nicht mehr zahlen können. Die Stadt will hier dagegen steuern.

myheimat: Eine prestigeträchtige Großbaustelle, die zur Zufriedenheit der Friedberger Bürgerinnen und Bürger abgeschlossen werden konnte, ist das Wittelsbacher Schloss. Nach knapp dreijährigen Umbau- und Sanierungsarbeiten steht Friedberg nun ein modernes Bürger-, Veranstaltungs- und Kulturzentrum zur Verfügung. Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Schlosses?

Eichmann:
Zuerst bei aller kritischer Begleitung Geduld der Bürgerschaft und der Politik. Die Stadtverwaltung lernt gerade, einen solchen Betrieb möglichst effizient zu führen. Und dann wünsche ich mir, dass es ein kultureller Ort, ein Austauschforum über Kultur und Gesellschaft wird, das regional ausstrahlt. Zum dritten hoffe ich, dass wir der Friedberger Bürgerschaft einen Ort für die besonderen Momente bieten können. Da sehe ich noch Optimierungsbedarf bei unseren Tarifen.

myheimat: Welche Hausaufgaben muss die Stadt Friedberg noch in Bezug auf die Bayerische Landesausstellung „Wittelsbacher - Städtegründer“ im Jahr 2020 erledigen?

Eichmann:
Im engeren Sinne die Vereinbarungen mit dem „Haus der Bayerischen Geschichte“ erfüllen, die die Ausstellung erst möglich machen. Daran arbeiten wir mit der Stadt Aichach und dem Landkreis. Weiter gefasst wollen wir die Chance nutzen, die Stadt unseren Gästen schön und interessant zu präsentieren, das Wittelsbacher Erbe zu zeigen und letztlich auch alle Friedbergerinnen und Friedberger profitieren zu lassen. Konkret heißt das, den Schlosspark umzugestalten, möglichst den Salzkarrner Turm zu einem Aussichtsturm umzubauen und mit Führungen und anderen Angeboten die Menschen vom Schloss in die Stadt zu bringen und ihnen Friedberg mit seinen Angeboten zu präsentieren.

myheimat: Die Stadt Friedberg besteht nicht nur aus der Kernstadt, sondern auch aus 13 Stadtteilen. Mit den sogenannten Ortsteilentwicklungskonzepten (OEK) soll diesem Umstand Rechnung getragen und der Fokus auf die Themen und Bedürfnisse der Ortsteile gerichtet werden. Wie fällt Ihre Bilanz für dieses Projekt im Jahr 2018 aus?

Eichmann:
Die Ortsentwicklungskonzepte hatte ich bereits im Wahlkampf als Ziel genannt. Zu lange blieb die Entwicklung dort auf Einzelprojekte beschränkt. Es war ein Glücksfall, dass der Stadtrat hier aktiv mitgegangen ist. So können wir glaubwürdig zur Mitarbeit in den Ortsteilen aufrufen. Mich begeistern die Freude, der Enthusiasmus und die große Beteiligung, die sowohl in Rinnenthal als auch in Haberskirch aus den Ortsteilen kam.

myheimat: Zwei Events sorgten dieses Jahr für viel Gesprächsstoff. Das „Südufer-Festival“ hatte ein Minus von fast 170.000 Euro zu beklagen und die Schlagertage Friedberg machten anderweitig negative Schlagzeilen. Welche Zukunft sehen Sie für diese beiden Veranstaltungen?

Eichmann: Beide Events sind echte Highlights im Friedberger Jahreskalender! Allerdings verbindet sie eigentlich nur die Lage am Friedberger See. Die Schlagertage sind rein privat organisiert und finanziert worden. Leider überschatten die organisatorischen Defizite und die schlechte Zahlungsmoral der Veranstalter die an sich tolle und friedliche Party dort. Es ist wirklich schade, diese Entwicklung zu sehen. Ob die Schlagertage noch eine Zukunft haben? Ich bin skeptisch. Das Südufer dagegen ist eine städtische Veranstaltung und wendet sich bewusst an junge Menschen mit kleinem Geldbeutel. Daher auch der hohe Fehlbetrag. Für heuer waren 85.000 Euro Fehlbetrag geplant, so wurde es auch im Rat beschlossen. Leider machte uns das kühle Regenwetter am zweiten Tag einen Strich durch die Rechnung. Zwar sparten wir bei den Ausgaben über 10.000 Euro ein, aber die Einnahmen brachen weg, so dass ein Sachkostendefizit von knapp über 100.000 Euro entstanden ist. Übrigens ist das Defizit pro Kopf heuer nur geringfügig höher als zum Beispiel bei den klassischen Rathauskonzerten. Die Differenz zum von Ihnen genannten Betrag sind die internen Verwaltungskosten, die ansonsten in andere Projekte laufen würden. Ich bin mir sicher, dass sich das Südufer etablieren wird und sich das Defizit mittel- bis langfristig auf einen Bereich von 40 bis 50.000 Euro reduzieren lässt. Friedberg steht ein Jugendfestival gut zu Gesicht, ich hoffe, die Stadträte bringen das Herz für die Jugend auf und den Mut, dem Festival eine angemessene Chance zu geben.

myheimat: Nach all den politischen Gesprächsgegenständen – wie immer an dieser Stelle – noch eine persönliche Frage zum Abschluss: Welche Begegnung hat Sie im abgelaufenen Jahr am meisten beeindruckt?

Eichmann: Beeindruckt hat mich Herzog Franz von Bayern, der Chef des Hauses Wittelsbach, der als Ehrengast bei der Eröffnungsfeier des Schlosses dabei war. Ein sehr warmherziger, intelligenter, bescheiden auftretender Mann. Da könnte man fast Monarchist werden...

myheimat-Team:

Joachim Meyer aus Friedberg

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