Pilgern im Wittelsbacher Land – Aufbrechen, um zu sich zu finden

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Moderne Pilgerwege auf heimatlichen Pfaden vermitteln den Wanderern christliche Werte und Humanismus, aber auch Natur und innere Ruhe

„Ich bin dann mal weg“, sprach Hape Kerkeling und legte damit unter anderem den Grundstein für einen erfolgreichen Bestseller ebenso wie für eine Wiederbelebung des Jakobsweges. Aber es muss durchaus nicht immer Santiago di Compostela sein, das es in mehrwöchigen, strapaziösen Pilgerreisen zu erreichen gilt, um zu innerer Ruhe oder sich selbst zu finden. Auch das Wittelsbacher Land bietet eine ganze Reihe von bekannten und vergessenen Wallfahrtsstätten, die moderne Pilger auf meditativen und familienfreundlichen Wegen erfahren – respektive erwandern - können. Der erste rund um Herrgottsruh wurde am Samstag feierlich und erlebnisreich eröffnet.

Der Wunsch, die Stätten des Lebens und Wirkens Jesu aufzusuchen, hat eine lange Tradition und viele Gründe. Den Christen ging es um Heilung und Heiligung, Sühne und Buße. Aber nicht immer und jedem war es möglich nach Jerusalem, Rom oder Santiago die Compostela zu reisen, um Zuflucht bei himmlischen Helfern zu suchen. So hatten die Gläubigen schon vor vielen hundert Jahren auch hierzulande ihre Heiligen und dazu einen Gnadenort, den sie aufsuchen konnten – die Wallfahrt hat auch im Landkreis Aichach-Friedberg eine lange Tradition.

Zweieinhalb Jahre lang haben der Friedberger Kreisheimatpfleger Dr. Hubert Raab und seine Frau Gabriele 59 dieser Wallfahrtsstätten im Wittelsbacher Land erforscht. Mit je einem Pilgerweg versehen wurden sie nun in einem Buch veröffentlicht, die der heimatliche Pilger oder Wanderer leicht nachvollziehen kann.

Familienfreundliche Wege mit informativen und meditativen Impulsen

Die vier meistbesuchten Wallfahrtskirchen - Herrgottsruh in Friedberg, Maria Kappel in Schmiechen, St. Leonhard in Inchenhofen und Maria Birnbaum in Sielenbach - werden modernen Pilgern jetzt noch näher gebracht. Denn auch heute sind die Menschen auf der Suche. Deshalb will der Wittelsbacher Land Verein familienfreundliche Wege ausweisen, die anhand von Stelen informative und meditative Impulse verleihen. Moderne Pilgerwege auf heimatlichen Pfaden, die den Wanderern christliche Werte und Humanismus, aber auch Natur und innere Ruhe vermitteln möchten. Die Tafeln auf dem Weg beschreiben zum einen die Kirchengeschichte, auf der anderen Seite regen Gebete und sinnhafte Texte zum Nachdenken und In-sich-gehen an. Dr. Hubert Raab formulierte die informativen Texte für Herrgottsruh in Abstimmung mit Wallfahrtsdirektor Pater Wilfried Kunz. Pastoralreferent Armin Rabl schrieb die ergänzenden meditativen Texte, die zum Nachdenken anregen.

Gefördert von der EU

Zur Eröffnung des ersten Pilgerwegs rund um Herrgottsruh erinnerte Wallfahrtsdirektor Pater Wilfried Kunz an die lange Tradition der Wallfahrt. „Es erfüllt mich mit Stolz, dass wir hier einen neuen Anfang nehmen. Viele Gruppen haben in den vergangenen Jahren ein solches Erlebnis in dieser Region gesucht und angefragt. Mein Dank gilt den Initiatoren des Vereins, Herrn Dr. Raab und Herrn Rabl.“ Der stellvertretende Landrat, Rupert Reitberger, ging darauf ein, dass durch das Projekt des Wittelsbacher Land Vereins die Wallfahrtswege historisch aufgearbeitet und touristisch aufgewertet werden, ohne ihren Sinn zu verlieren. Der Wittelsbacher Land Verein übernahm die Trägerschaft und das Konzept bis hin zum Antrag auf Fördergelder für dieses außergewöhnliche Projekt. Denn: „Die Wege erfahrbar zu machen, kostet Geld“, erklärte Rupert Reitberger. Die Anlage und Beschilderung der Wege, die an landschaftlichen Sehenswürdigkeiten vorbeiführen, unterstützt die Europäische Union mit 26 560 Euro, die restlichen Kosten in Höhe von 36 650 Euro finanziert der Wittelsbacher Land Verein.

Ein halbes Leben gesammelt

Dr. Hubert Raab hätte kaum bessere Worte zur Eröffnung des ersten Pilgerwegs im Wittelsbacher Land finden können, indem er eine indische Weisheit zitierte, als Petrus dunkle Regenwolken zur Enthüllung der ersten Stele aufziehen ließ: „Zweifle nicht am Blau des Himmels, auch wenn über deinem Dach dunkle Wolken stehen.“ Nach diesem motivierenden meditativen Auftakt machten sich etwa 30 Pilger auf den gut sechs Kilometer langen Weg. Dieser führte an Herrgottsruh vorbei in Richtung Heimatshausen nach Ottoried über einen der höchsten Landschaftspunkte, durch den Wald und über Heimatshausen wieder zurück zur Wallfahrtskirche. Unterwegs erläuterten Dr. Hubert Raab und Armin Rabl die Textinhalte der 2,60 m hohen weinroten Tafeln, deren Themen die Votivtafeln, der Jerusalempilger, der Lobpreis des Schöpfers und das Gnadenbild von Herrgottsruh sind. Auch zwischen den Stationen stand der Kreisheimatpfleger jedem für ein Gespräch zur Verfügung. Ein halbes Leben habe er sich schon Informationen gesammelt, erklärt er auf die Frage zur Entstehung des Buches. Viel Interessantes habe die Recherche während der vergangenen zwei Jahre im Archiv der Diözese und in den Kirchen zu Tage gebracht – auch für so manchen Pfarrer, der von der Existenz uralter Votivtafeln im Dachboden selbst überrascht war und sie nun zu neuen Ehren kommen lassen will. Zwischen Regenschauern und Sonnenschein nutzten die Eröffnungspilger die Gelegenheit, allein oder zu mehreren auf alten oder bekannten Pfaden Erfahrungen zu sammeln oder auszutauschen. Nicht zuletzt die fantastischen Ausblicke über die hügelige Landschaft sorgten für nachhaltige Eindrücke. Am Ende erhielten die Wanderer den Pilgersegen und fanden in einer kurzen Andacht einen würdigen Abschluss des Unternehmens.

Buch mit Liebe zum Detail

Nach dem Pilgerweg rund um Herrgottsruh wird am 3. Juli anlässlich des Kappelfestes der nächste Pilgerweg in Schmiechen eröffnet, bei dem auch ein neuer Kreuzweg eingeweiht wird. Diese und alle weiteren über 50 Wallfahrtsstätten und deren Pilgerwege haben Dr. Hubert Raab und seine Frau Gabriele in ihrem Buch „Pilgerwege im Wittelsbacher Land. Rund um bekannte und vergessene Wallfahrtsstätten“ beschrieben. Hier finden Wanderer wie Pilgerer viel Wissenswertes zu den Wallfahrtszielen und den jeweiligen Wegen, die in der Regel ein bis zwei Stunden in Anspruch nehmen und für jede Altersstufe geeignet sind. „Der Pilgerweg soll die Schönheit unserer Heimat zeigen, zum Nachdenken anregen und Freude vermitteln“, erklärt Dr. Hubert Raab im Vorwort. Das kann leicht gelingen. Ein handliches Beiheft beinhaltet hervorragend ausgearbeitete Wegbeschreibungen, denen der Wanderer anmerkt, dass die Autoren sich mehr als einmal selbst auf den Weg gemacht haben, um eine wertvolle Basis für erfahrbare Pilgerwege zu liefern. Auch Hinweise zu nahen Gaststätten sind in den Beschreibungen enthalten, denn Leib und Seele gehören ja bekanntlich zusammen.

Zu sich zu finden, wird so auf wunderschönen Wegen in der Heimat leicht möglich. Allein, im Kreis der Familie oder in einer Wallfahrtsgruppe.

myheimat-Team:

Dagmar Weindl aus Friedberg

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