"Dank für die friedliche Zeit"
Der historische Pilgerzug von der Stadtpfarrkirche St. Jakob zur Wallfahrtskirche Herrgottsruh gehört seit 1989 zum Altstadtfest
Schon für das erste Stadtfest „Friedberger Zeit“ 1989 haben Hubert und Gabriele Raab den historischen Pilgerzug angeregt, als „Dank für die friedliche Zeit“, in der unsere Stadt heute leben darf und als persönliche Bitte, die jeder Friedberger Pilger nach Herrgottsruh trägt. Seit dieser Zeit begeben sich die Friedberger Bürger am 2. Stadtfestsonntag auf ihren Pilgerweg von der Stadtpfarrkirche St. Jakob zur Wallfahrtskirche Herrgottsruh.
Doch in unserer Zeit erfüllen die Besetzung der Ukraine durch Russland und der folgende Angriffskrieg sowie der Hamas-Überfall auf Israel und der Nahost-Krieg die Menschen mit Schrecken und großer Sorge. Auf unserem Pilgerzug wollen wir die „Bitte um Frieden“ hinzufügen, für alle, die um ihr Leben fürchten und von Unheil, Krieg und Vertreibung bedroht sind.
Wenn wir „historisch“ auf die „Friedberger Zeit“ zurückblicken, sehen wir, wie auch die Friedberger im 18. Jahrhundert Unheil und Krieg erlebten.
Spanischer Erbfolgekrieg
Das 18. Jahrhundert hatte kaum angefangen, als sich der Spanische Erbfolgekrieg zusammenbraute. Seit April 1701 rüstete sich Bayern zum Krieg, als sich Friedberg gerade vom Dreißigjährigen Krieg erholt hatte. Anfang September 1703 rückte die Kaiserliche Armee gegen die Stadt vor. Es sollen 2000 Musketiere und 200 Grenadiere gewesen sein. Am 20. September gingen die untere Vorstadt und der äußere Salzstadel (Stelle Alberstötter-Haus) in Flammen auf. Friedberg wurde mit holländischen Regimentern unter Kommando des Prinzen von Bevern besetzt. Er ließ die Stadt plündern und verlangte obendrein noch die Zahlung von 12 000 Gulden Brandschatzung. Außerdem ließ er Mitte Oktober die Stadtmauer bis aus halbe Mannshöhe einreißen. Die Einwohner selbst wurden zu dieser Arbeit gezwungen. Im darauffolgenden Jahr wurde der Stadt erneut eine hohe Brandschatzung auferlegt. Da die Stadt nicht sofort zahlen konnte, wurden die Kleinuhrmacher Balthasar Schaller und Augustin Rummel von den Engländern als Geisel genommen. Bei der Plünderung der Stadt wurden viele Häuser zerstört. Eine Aufzeichnung des Landgerichts berichtet über „Der Soldatesca übermäßige Excesse“.
Nach diesen Kriegsereignissen verliehen die Kleinuhrmacher mit ihren Taschenuhren und Karossenuhren der Stadt wieder Wohlstand und Ruhm.
Österreichischer Erbfolgekrieg
Ab Februar 1742 bekam Friedberg die Schrecken des Österreichischen Erbfolgekrieges zu spüren. Am 16. Februar wurde es von ungarischen Soldaten kampflos eingenommen und musste eine hohe Brandschatzungssumme zahlen. Zudem wurde die untere Vorstadt am Fronleichnamstag von ungarischen Husaren in Brand gesteckt. Anfang 1743 wurden in Friedberg 500 französische Soldaten einquartiert mit großen Belastungen für die Stadt. 1745 wurde Friedberg erneut den Feinden preisgegeben. Hoch waren die Erpressungen und
Quartierkosten. Die Stadt war „totaliter ausgeblindert“.
Nach Beendigung des Krieges erlebte Friedberg dank seiner Uhrmacher wieder eine Blütezeit, auch wenn es nur eine Nachblüte war. Die Konkurrenz aus dem Ausland machte den Handwerkern zunehmend zu schaffen.
Koalitionskriege
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts traf Friedberg ein weiterer Schlag, die Koalitionskriege. In Friedberg befand sich ein österreichischer Stützpunkt, der die Lechgrenze sichern sollte. Nach der verlustreichen Schlacht an der Klinge am 24. August 1796 standen 80 000 Franzosen vor Friedberg. Sie nahmen die Stadt ein und plünderten sie. Der Friedberger Pfarrer Kollmann hat den 24. August 1796 in seinem in lateinischer Sprache verfassten Bericht als „dies fatalis“ bezeichnet. Allein der durch die Plünderung entstandene Schaden belief sich auf die gewaltige Summe von 106 992 Gulden. Die Stadt war restlos ausgeplündert, es gab kaum noch etwas zu essen. Dazu hatte eine Viehseuche fast das gesamte Vieh verenden lassen. Viele Menschen wurden krank, das Totenbuch der Stadtpfarrei zeigt in diesem Jahr eine stark erhöhte Sterblichkeit auf.
Ende 1797 wurde Friedberg zum Hauptquartier der österreichischen Armee bestimmt. 1798 brach der 2. Koalitionskrieg aus. Friedberg sah nun bis zum Frieden von Luneville (1801) viele Truppendurchzüge: zwischen dem 3. und 19. August zog ein russisches Hilfsheer durch die Stadt, dann folgten Regimenter wie Tataren, Uralsche und Donsche Kosaken, Baschkiren und Kirgisen mit langen Lanzen, Köcher, Bogen und Pfeilen bewaffnet. Ende Mai 1800 rückten dann wieder die Franzosen ein, ihnen folgten am 5. Juni erneut die Kaiserlichen, am 12. kehrten die Franzosen zurück. Am 20. Juni kam es zu einer Beschießung der Stadt durch die Kaiserlichen. Die hiesige Bevölkerung hatte die ganze Zeit über hohe Quartierlasten zu tragen.
Viehseuchen und Hungerjahre
Zu den Kriegen des 18. Jahrhundert kam noch eine große Anzahl von immer wiederkehrenden Viehseuchen (1682, 1688, 1711, 1729, 1735, 1750, 1788, 1789), Getreidekrankheiten, Unwetter und Dürrejahre. Das Jahr 1771 ist als Hungerjahr in die Geschichte Friedbergs eingegangen. „Es war schreckliche Theurung aus Mangel des Getreides, das man aus Geld nicht haben konnte.- Es stieg der Waizen und Kern bis 41 ½ fl. Roggen 32 fl, Gerste 38 ½ fl- Hab 17 f 34 x.“ (Erhard-Chronik). Die Not war so groß, dass das Ordinariat in Augsburg die Bürgerinnen und Bürger von allen Abstinenz- und Fasttagen dispensiert hatte.
Kreuzgänge nach Herrgottsruh
Die Friedberger Bürger, die im 18. Jahrhundert Unheil und Krieg erlebten und um ihr Leben fürchteten, machten Kreuzgänge nach Herrgottsruh mit der Bitte um Frieden und Wohlergehen: Am Dienstag in der Bittwoche ging man mit dem Kreuz nach Herrgottsruh. Im Jahr 1729 fand zur Abwendung einer Viehseuche eine Prozession nach Herrgottsruh statt. Im Jahr 1758 ist auf Anordnung „unsers durchl. Fürsten und Bischofes“ zur Abwendung der allgemeinen Not ein Bitt- und Kreuzgang nach Herrgottsruh anberaumt worden. Im Jahr 1767 ist im Monat Juli eine Prozession nach Herrgottsruh zur Abwendung einer Viehseuche abgehalten worden. Im Jahr 1788, als eine Viehseuche grassierte, machten die Friedberger am 1. September in der Früh um ½ 6 Uhr einen Kreuzgang nach Herrgottsruh. Am 24. August 1797, dem Fest des hl. Bartholomäus, machte die Bürgerschaft den ersten auf ewig (in perpetuum) verlobten Kreuzgang nach Herrgottsruh zum Andenken der grausigen Plünderung vom vorigen Jahr (1796 -2. Koalitionskrieg).
(Die Texte sind zum Teil entnommen: Hubert Raab, Die „Friedberger Zeit“ in Stadtbuch Friedberg, S. 176ff.)
Gabriele und Dr. Hubert Raab
Fotos: Dr. Hubert Raab
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