Närrische Zeit anno dazumal
Anno 1911: Gumperdonnerstag, 23. Februar
Wer keinen Spaß verstehen kann, der fange nicht zu lesen an…
Es gab viele Faschingsveranstaltungen in Friedberg im Jahr 1911. Von einer besonders närrischen Sitzung erfahren wir aus dem Stadtanzeiger, erschienen am Gumperdonnerstag, 23. Februar 1911. In diesem Spezialblatt höherer Bosheit am „lumpigen“ Donnerstag (oder Gumperdonnerstag) wird kräftig vom Leder gezogen. Am Anfang steht die Warnung: „Wer keinen Spaß verstehen kann, der fange nicht zu lesen an.“
Ruhe - Ruhe! Sonst kommt die Polizei
So wird aus dem „Sitzungsbericht“ über die Tagung des Fremdenverkehr-Vereins im Bauernbräukeller munter losgeplaudert. Die Vorstände aller Friedberger Vereine waren zu der Sitzung eingeladen worden. Bei der zum Teil heftig geführten Debatte mit Abstimmungen konnte der Vorsitzende die erhitzten Köpfe manches Mal nur dadurch auf den Gefrierpunkt zurückführen, indem er auf den Tisch haute und mit donnernder Stimme brüllte: „Ruhe – Ruhe! Sonst kommt die Polizei.“ Zunächst ging es um das geplante Volksfest. Es wurde vorgeschlagen, den Hauptplatz (Marienplatz) als Festwiese zu benützen. Da würde nämlich so viel Gras wachsen, dass man ihn von einer Wiese nicht mehr unterscheiden könne und dort auch schon fünf Bräuhäuser stünden und für die Anti-Alkoholiker der Marienbrunnen gut wäre. Der Vorstand des Rodelvereins brachte den Vorschlag, seinen Verein in eine Schneeverwertungsgesellschaft umzuwandeln, den Schnee in der Ziegelbrennerei zu trocknen, um beim Volksfest auf dem getrockneten Schnee rodeln zu können. Diese Idee wurde als großartig angenommen... - Der Vorstand des Radlervereins bedauert das Zurückgehen des Radfahrsports und stellte den Antrag, beim Volksfest kein Radrennen, sondern auf dem Weg vom Schloss zum Bahnhof ein Barfuß- oder Hühneraugenrennen zu veranstalten... - Der Fremdenverkehrsverein schilderte seine harte Aufgabe in Bezug auf die Hygiene und meinte, dass zum Volksfest sogenannte Massen kommen, welche von verschiedenen Leuten an- und ausgeschmiert würden... – Neben weiteren närrischen Unsinnigkeiten hatte man es besonders auf eine stadtbekannte Persönlichkeit abgesehen.
Stadtbekannt: Glasermeister "Schrinkl"
Jedermann wusste um die Sammelleidenschaft des Glasermeisters für altertümliche Gegenstände, die in dieser Sitzung zur wunderbaren Zielscheibe wurde. Als Glasermeister kam Trinkl in Ausübung seines Berufes weit im Bezirk herum und er nahm dabei alles, was ihm an kunst- und kulturgeschichtlichen Gegenständen angeboten wurde. Oft dürfte die Vergütung für seine Arbeit in einem alten Krug oder einem anderen alten Gegenstand bestanden haben. Ja, er begab sich sogar unter die Fittiche von Fachleuten und Professoren und buddelte – mit deren fachlicher Unterstützung - keltische, römische und mittelalterliche Waffen, Schmuck und Gebrauchsgegenstände aus dem Boden. Seine umfangreiche private Sammlung bildete den Grundstock für das 1886 gegründete Museum, das im Schloss in Friedberg eingerichtet wurde. Er war der erste Kustus des Museums und zugleich treibende Kraft bei der Bildung des Heimatvereins, der sich damals noch Historischer Verein nannte. Hans Trinkl sen. war eine Institution in Friedberg. Jedem in der Sitzung war klar, wer mit „Schrinkl“ gemeint war, als die Sprache nun auf ihn kam.
Hochwürden scheitert krachend mit seinem Antrag
Es war die Vorstandschaft des Historischen Vereins (heute Heimatverein) unter dem 1. Vorsitzenden Franz Josef Probst, zugleich Stadtpfarrer in Friedberg, der in jener Sitzung im Februar 1911 den Antrag stellte, der Stadtrat (Magistrat) möge sein Museum vergrößern und dem „Schrinkl“ die Altertumssammlung abkaufen oder gegen das neue Schulhaus in Tausch nehmen, da dies so schon wieder zu klein sei. Der Historische Verein drohte, falls dieses nicht getan würde, dass “Schrinkl“ ein eigenes Museum errichten, der Historische Verein Konkurs machen und „Schrinkl“ im Zwangswege um einige Markl die edlen Altertümer einsteigern würde. Der Antrag wurde abgelehnt. „Schrinkl“ besäße bereits ein Haus vom Magistrat und könne schließlich für seine „Altertrümer“ noch das ganze Städtchen bekommen. „Ein während der ganzen Sitzung durch sein blödes Dreinschauen auffällig gewordener schreit sofort, dass ein Leihhaus notwendiger wäre als ein Museum, damit ein Gemeinderat zu den Sitzungen einen Frack zu leihen nehmen könnte...."
Der Bäcker Schwarzold
Nicht nur Trinkls Name wurde in „Schrinkl abgefälscht, sondern in der gleichen Ausgabe auch der eines Friedberger Bäckermeisters. Jedem war bei der Annonce klar, welcher Bäcker mit dem Namen Sch[w]ar[z]old gemeint war.
Was aber ist ein „Loawitaog“ ? Bäckermeister Rainer Scharold jun. konnte auf Anfrage helfen. Sein Großvater verwendete diesen alten Spitznamen für „Sauerteig“. Loawitoagdrucken meint dann nichts anderes als Drücken oder Kneten des Sauerteiges.
Neben den vielen närrischen Anzeigen, die das „Spezialblatt“ darüber hinaus enthält, firmierte nur der approbierte Bader Max Fischer in der Ludwigstraße 12 unter seinem richtigen Namen: „Wegen Umbau des Vorderhauses rasiere ich meine Kundschaft von hinten.“