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Klassentreffen werden im Alter besser, denn die Menschen sind echter.

Mit dem Alter ist es so eine Sache. Der Zahn der Zeit nagt vor allem am Gesicht der anderen. Man selbst fühlt sich viel jünger. Vielleicht sind Klassentreffen auch deshalb so beliebt, weil die meisten Teilnehmer dieser Selbsttäuschung gegenüber dem Rest der ehemaligen Klasse erliegen. Das hebt.
Wer in der Bekanntschaft herumfragt, hört somit von erstaunlich vielen, dass sie ihre Klassentreffen regelmäßig wahrnehmen, wobei der Rhythmus variiert und mit steigendem Alter immer kürzer wird aus Sorge darüber, dass der eine oder andere inzwischen wegsterben könnte.
Leben in den Gesichtern
Wir sind inzwischen 70/71 Jahre alt. Unsere Gesichter sind vielleicht etwas faltig. Hier und da plagt ein Zipperlein oder auch Schlimmeres, über das man nicht spricht. Niemand ist auf der langen Strecke wohl ganz ungeschoren davongekommen. Aber «bange machen gilt nicht. Die Einschränkungen, man trägt sie mit Humor. Aber ehrlich gesagt: Die Gesichter gefallen mir heute besser. Während sie zur Zeit unserer Schulzeit noch skizzenhaft wirkten, steht heute in ihnen ein ganzes Leben geschrieben. Keiner hat es mehr nötig, eine Show abzuziehen. Sie haben ihre Fassaden abgeschüttelt, sie sind echt geworden, die alten Klassenkameraden.
«Weisst du noch…?
Über was reden alte Klassenkameraden miteinander? «Weißt du noch…?» Die Frage wird natürlich immer wieder gestellt. Die ernsthafteren Gesprächsthemen kreisen immer noch um die Berufssphäre. Man diskutiert die fehlende berufliche Sicherheit für die eigenen Kinder und berichtet vom Enkeleinsatz. Die Betuchteren berichten von ihren Bildungsreisen in ferne Länder.
Was denkt man, wenn man den Begriff Klassentreffen hört? Ein gemütliches Beisammensein all derer, die man einmal als Klassenkameraden bezeichnet hat? Ein Wiedersehen alter Freunde, die sich wieder austauschen können? Vermutlich irgendwas davon. Mit einer gewissen Vorfreude kamen wir an einem schönen sonnigen Oktobertag an dem angegebenen Treffpunkt Friedberger Schloss an

Doch schon bevor es überhaupt losging trafen sich die Buben am alten Haupteingang der Knabenschule um im ehemaligen Klassenzimmer Erinnerungen an die Schulzeit auszutauschen. Anschließend kamen die Mädchen, die getrennt von den Buben in Klassen aufgeteilt im Schlosshof zu einem Sektempfang und einer Führung durch das neue Museum zusammen, um anschließend zum Friedhof am Zentralkreuz für die verstorbenen Schulfreundinnen und Schulfreunde ein Blumengebinde niederzulegen. Vor der Herrgottsruhkirche unser obligatorisches Jahrgangsfoto, leider wie früher getrennt. Die Neugier mit der wir uns im Gasthof Kreisi dann bis spät in die Nacht erlebten, ist bei jedem eine großen Wiedersehensfreude zu spüren.
Wir hatten uns viel zu erzählen. Was uns dringend interessierte, verändert sich allerdings von Klassentreffen zu Klassentreffen. Es ist ein Phänomen: Obwohl der Schulabschluss schon lange zurückliegt, wird unser Interesse an Klassentreffen nicht schwächer. Eher im Gegenteil. Möglicherweise liegt es daran, dass es immer weniger Möglichkeiten gibt, der eigenen Vergangenheit zu begegnen. In die Welt einzutauchen, in der man heimisch war. Wer kennt schon noch das Mädchen von damals oder den Jungen, der wir waren? Nur die ganz alten Freunde. Und die Klassenkameraden. Das Wiedersehen wirkt wie ein Jungbrunnen. Trennendes und Gespräche über die Karriere werden unwichtiger. Die gegebene Vertrautheit steigt im Wert, ein neues Gemeinschaftsgefühl kann sich bilden.
In den Gesprächen geht es neben den genüsslich aufgewärmten Jugendsünden auch um das Älterwerden. Wir wollen hören, wie die anderen damit zurechtkommen und welche Strategien sie haben, mit den Veränderungen umzugehen. Immer noch empfangen wir voneinander Anregungen. Wir fragen uns auch "Was muss ich nicht mehr sein?"

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4 Kommentare

Wir haben auch 1x im Jahr Klassentreffen. Aber wirklich nur die Klasse und nur die von den wir auch die Adressen haben. Und auch nur die, die in der Nähe wohnen.

Meistens waren wir zu 12. Dieses Jahr sind es etliche weniger wegen des Termines.
Bei uns ist es auch nicht so vornehm. Wir treffen uns im Restaurant und gut.

Hallo Christl,
lange nichts mehr von dir gelesen! Wie schön, dass du da bist!

Ja, ja, so ein Klassentreffen ist immer wieder ein besonderer Tag! Besonders dann, wenn das Treffen - wie in meinem Fall - nur alle 5 bzw. 10 Jahre stattfindet. Erschreckend, dass man dann auch zur Kenntnis nehmen muss, dass so viele der ehemaligen Schulfreunde nicht mehr unter uns Lebenden sind. So auch meine Banknachbarin Christl P. Inzwischen dürften noch weitere Namen dazu gekommen sein. Ich erfahre das immer erst bei so einem Treffen, da ich nicht mehr im Heimatort wohne.
Beim letzten Klassentreffen zum Siebzigsten, stand plötzlich meine ältere Schwester vor mir, von der ich nicht immer wusste, oder wissen wollte, wo sie sich gerade aufhält. Sie war weit herumgekommen, lebte mehrere Jahre in Amerika und England. Dadurch hatten wir uns aus den Augen verloren.
Nun stand sie an diesem Tag plötzlich vor mir! Mir war als sähe ich eine fremde Frau! Sie war so alt geworden, kaum wieder zu erkennen! Sie und die anderen aus ihrer Klasse, hatten im Nebenzimmer des Gasthofes ihr Treffen, von dem ich keine Kenntnis hatte. Ein Zufallstreffen, das mir zu denken gab und alte Streitigkeiten in mir wach riefen. Schon damals, als kleine und jüngere Schwester von uns beiden, durfte ich erfahren, dass es Machtverhältnisse unter Geschwistern geben kann, die schmerzen, aber auch nicht mit den Jahren aus einem selbst, so ganz von allein, herauswachsen.

Toll liebe Christl das Euere Klassentreffen immer so prima sind .
Danke für´s schöne Erzählen .
LG. Roswitha

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