Flüchtige, lichte Momente eines verkorksten (Spät-)Sommers
Irgendwie war das dieses Jahr ja nix Halbes und nix Ganzes. Die Lage ist noch nie so ernst gewesen wie immer. Eine in graue Tristesse gelötete emotionale Gemengelage zwischen Depression, Missmut und Verbitterung. Der Sommer, verregnet und ein Reinfall, der „ goldene Herbst“ so edelmetallveredelt auch wieder nicht. Und auf die alten Weiber (deren „Summer in the City“ und dem auf dem Land) kann man sich sowieso nicht mehr verlassen.
Und das ewige Mantra der telegenen Wetterfrösche: Für die Jahreszeit zu kühl. Für diese Erkenntnis hätten wir jetzt nicht unbedingt die Klotze einschalten müssen. Kerzen statt Grillkohle, Glühwein statt Eis. Immerhin hat uns die mit H20 so üppig bemessene wärmste der vier Jahreszeiten deutlich niedrigere Ozonwerte als sonst beschert. Und die Pilze, also die mit „Z“ in der Mitte, jene so begehrten „eukaryotischen Lebewesen", sind in Folge der nassen Witterung auch mächtig ins Kraut (oder in was auch immer) geschossen. Ein Rekordjahr. Und bei Karstadt waren Outdoor-Regenschirme der Verkaufsschlager. (Aber: Hat’s diesen aus der Zeit gefallenen Konsumtempeln etwas genützt?)
Oma hat ja immer gesagt, man soll auch die positiven Seiten stehen. Wird hiermit erledigt. Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass Sonne die trüben Wolken der tagtäglichen meteorologischen Wehmut nur selten zu durchbrechen vermag – und es wohl auch nicht vorhat. Dieses Jahr zumindest nicht mehr. Insofern sind und bleiben Fotos wie dieses Momentaufnahmen auf wenige Sekunden verdichteter Auenblicke. In der Wasseroberfläche einer von keinem Lufthauch verzerrten Waldwegpfütze spiegelt sich das bunte Herbstgeäst eines Baumes, überspannt von einem, schau mal an, fast blauen Himmel. So lange es dauert… Doch die nächsten tiefhängenden, grauen und mit Highspeed den Himmel entlang jagenden, Unheil verkündenden Regenwolken sind schon im Anmarsch...
ALTERNATIVE TEXTFASSUNG
Dachte ich bislang, das Wetter sei ein eigentlich unverfängliches Thema, bei dem meistens oder überwiegend Konsens besteht, habe ich mich eines Besseren belehren lassen müssen. Siehe Kommentare weiter unten. Weil nicht wenige der Ansicht sind, ich hätte dem Sommer 2014 und seiner sich anschließenden altweiberhaften Periode bitter Unrecht getan und ihn in einem völlig falschen Licht erscheinen lassen, hier eine alternative Textfassung:
Alles geht einmal zu Ende. Auch der Traumsommer 2014 und mit ihm der nicht minder von Sonne vergoldete und viel angenehmer Wärme durchdrungene Spätherbst. Beide verabschieden sich nun. Vier Wochen nach dem kalendarischen Herbstbeginn scheint es nun auch bei uns mit der beschwingten, mediterranen Leichtigkeit vorbei zu sein. Was bleibt, ist die Erinnerung an unzählige laue Sommerabende, an denen sich die Menschen glückselig, nur mit Shorts und T-Shirts bekleidet, bis lange nach Mitternacht auf ihren Balkonen und Terrassen in den verschwitzen Armen lagen. Sie harrten aus, um dem Gripen der Zirren zu lauschen, ähm, nee, dem Zirpen der Grillen natürlich. Staunend beobachteten sie die elfenhaften choreografischen Schrittfolgen der Sternschnuppen beim Square-Dance am dunklen, klaren Firmament. Das war in Meteorologie gekleidete Poesie, verwoben mit den zarten Pflänzchen verhaltener Prosa, angesichts derer sich die Phantasie in verzückender Unschuld um die Staude eines blühenden Syringenbusches rankte. Rielke, wo bist Du?
Die Nachtigall hob an zu einem jubilierenden, verklärenden Trapsen, obwohl die ja eigentlich hier und zu dieser vorgerückten Stunde gar nix zu suchen hatte und schon längst in der Heia hätte sein müssen. Aber egal, schauen wir großzügig über diese kleine Ungereimtheit hinweg. Vielleicht war es ja auch nur eine (Schnaps)-Drossel, der das Licht des geister-bleichen Vollmondes den verdienten Schlaf geraubt und sie zu gar zückersüßem Nachtgesang bewogen hatte. Wer weiß es? Ich jedenfalls nicht! Die klingende, (mindestens) drei Oktaven umfassende zwitschernde Ode an das sternenglitzernde, zwischen Sehnsucht und Erfüllung hin und her lavierende Traumland verflüchtigte sich in nach und nach abschwellenden Harmonien zwischen Raum, Zeit und Ewigkeit. Zurück blieb ein verwehter Schlussakkord, der an die Vergänglichkeit allen Seins gemahnte. Welch ein Finale!
Selbst der Wetzlarer Gallusmarkt, sonst eher Heimstatt brutaler Temperatur- und Niederschlags-Extreme, war in diesem Jahr dem Vernehmen nach Teil dieses filigranen Zusammenwirkens zwischen wetterhafter Lieblichkeit und Sonnen-durchwirkter Unschuld. Da können sich die Macher der Landesgartenschau in Gießen noch winden, um zu erklären, warum die prognostizierten Besucherzahlen nicht erreicht wurden: Diesen Super-Sommer vermögen auch sie uns nicht klein zu reden. Das walte Kachelmann! Wo steckt der eigentlich?
Für meinen Geschmack war der Sommer absolut ok!