Mit Gisela in Thüringen: Alles einsteigen! Es geht weiter mit unserer Rundfahrt. Die nächste Station ist Erfurt.

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Turmreiches Erfurt, so wurde die Stadt schon im Mittelalter genannt. Und diesen Eindruck hat man heute noch, obwohl sich der Bestand an Kirchen im Laufe der Jahrhunderte dezimierte.

Doch schon die Türme des Doms und von St. Severi sind so dominierend, dass sie den Blick mit Gewalt auf sich ziehen. Beim Anblick eines so einzigartigen Ensembles wird klar, dass Erfurt schon im 14. Jahrhundert eine bedeutende Stadt gewesen sein muss. Und natürlich auch eine reiche. Denn solche Bauwerke kosten viel Geld.

Reich wurden die Erfurter durch den Handel. Die Via Regia, die große Handelsstraße, die den Rhein mit Russland verband, führte auch durch Erfurt.

Alles was in Erfurt sehenswert ist liegt innerhalb des Ringes, der früheren Stadtmauer. Die Altstadt ist auch das Zentrum und für den Autoverkehr gesperrt. Die Erfurter Altstadt ist in ihrer baulichen Geschlossenheit das größte Flächendenkmal seiner Art nördlich der Alpen.

In seiner langen Geschichte hatte Erfurt das Glück, ziemlich ohne Verluste seiner baulichen Substanz davongekommen zu sein. Auch im letzten Krieg gab es kaum Schäden. Die Ruinen, die ich nach der Wende dort gesehen hatte, stammten aus der DDR-Zeit. Das Andreas-Viertel beispielweise, ein historischer Handwerker-Kiez, sah aus, als wenn es jeden Augenblick einstürzen würde. Bürgerinitiativen hatten während der DDR-Zeit großen Mut bewiesen und in letzter Minute den Abriss gestoppt. Einige der Häuser konnten sie allerdings nicht mehr retten. Heute befindet sich das Viertel wieder in einem sehr guten Zustand.

Nun haben wir den Domplatz erreicht und werden hier aussteigen. Auch zur Abfahrt werden wir uns hier wieder treffen. An der gleichen Stelle.

Der Domberg mit dem Dom St. Marien und der Severi-Kirche faszinieren schon von weitem. Eine breite Freitreppe mit 70 Stufen führt hinauf zu diesem gewaltigen Baudenkmal, das sich wie eine Krone über der Stadt erhebt. Die mittelalterlichen Glasmalereien der 18 m hohen farbenprächtigen Glasfenster, sind eine einmalige Kostbarkeit.

Der Dom wurde 1154 als romanische Basilika errichtet, der hochgotische Chor 200 Jahre später angebaut, was erst durch eine künstliche Vergrößerung des Domhügels möglich wurde. 1455 bis 1465 erfolgte der Hallenneubau: die drei Kirchenschiffe wurden durch ein riesiges Walmdach überspannt.

Im mittleren der drei Domtürme befindet sich die Mater Gloriosa. Mit 2,50 m eine der größten Glocken der Welt. Sie wurde 1497 gegossen und hat einen einzigartigen Klang.

Von den vielen Kunstschätzen des Doms verdienen vor allem Aufmerksamkeit der barocke Hochaltar, das kunstvolle, 600 Jahre alte Chorgestühl aus Eichenholz, in das die Benutzer ihre Namen ritzten, die Stuckmadonna und „Wolfram“ ein Lichtträger, der an Barlachs Skulpturen erinnert aber schon 1160 entstand.

Mit fünf Meter zum Dom steht die Severi-Kirche, eine frühgotische, fünfschiffige Hallenkirche. 1280 – 1400 wurde sie erbaut. Wer wissen will, wie der hl Severin ausgesehen hat, kann sein steinernes Ebenbild über dem Südportal betrachten. Und wer über sein Leben näheres erfahren möchte, findet es an den Seitenplatten seines Sarkophags dargestellt. Der Taufstein mit dem 15 m hohen Überbau ist ein Meisterwerk aus dem Jahr 1467.

Am Domplatz stehen einige schöne Bürgerhäuser, darunter die „Grüne Apotheke“ aus dem 18. Jahrhundert und das Haus „zur Hohen Lilie“, der bedeuternste Renaissancebau Erfurts, von 1538, nach der Renovierung wieder im alten/neuen Glanz erstrahlt. In dieser einst vornehmen Herberge logierte 1631 der Schwedenkönig und heute steht es auf der Liste der zu empfehlenden Weinrestaurants.

Die Marktstraße, einst Teil der alten Handelsstraße, war deshalb bevorzugter Wohnsitz der reichen Händler.

An der großen Arche steht das Waidhaus, ein Speicher für die Färberpflanze, mit der die Erfurter so erfolgreich handelten, bis Indigo importiert wurde und billiger als Waid war. In dem restaurierten Haus befindet sich ein Theater, in dem Puppenspiele und Kabarett aufgeführt werden.

Am Fischmarkt gehören die beiden Bürgerhäuser „Zum Roten Ochsen“ und „Zum Breiten Herd“ mit ihren reich geschmückten Fassaden zu den schönsten Wohnbauten des 16. Jahrhunderts.

Vom neugotischen Rathaus sind es nur ein paar Schritte zur Krämerbrücke. Sie ist auf beiden Seiten mit Häusern bebaut. In den kleinen Geschäften bieten Kunsthandwerker Keramiken, Gläser, Grafiken und Schmuck an. In den Antiquitätengeschäften kann man mit etwas Glück noch etwas originelles finden. Im Gewölbe der Brücke bietet ein Cafe vorzüglichen Kuchen an.

Auf dem Grundstück Nr. 39 in der Michaelisstraße befand sich bis 1816 die alte Erfurter Universität, die neben der Kölner nicht von einem Fürsten, sondern von den Bürgern der Stadt im Jahre 1392 gegründet wurde. 1502 studierte Luther hier. Zwanzig Jahre später predigte er in der Universitätskirche. Das Kruzifix über dem Hauptportal schuf der unbekannte Meister „i“ um 1405.

In der Engelsburg in der Allerheiligenstraße trafen sich um 1511 der Humanistenkreis um Rabeanus und Hutten. Sechs Jahre davor war Luther in das Augustinerkloster eingetreten, seine Klosterzelle ist zu besichtigen.

Von der Augustinerstraße kommt man zur Johannesstraße zu den ehemaligen Waidjunkersitzen, die alle phantasievolle Namen Haben: Zum Mohrenkopf, Zur Mühlhaue, Zum Grünen Sittich, Gekrönter Hecht. Im „Stockfisch“ befindet sich das Museum für Stadtgeschichte.

Kein Wunder, dass die reichen Kaufleute ihrem lieben Gott dankbar waren und ihm deshalb in der Nähe die Kaufmannskirche verschönten mit neuer Kanzel, Hochaltar und Taufstein.

Der Anger ist eine der ältesten Straßen Erfurts. Zum Bummeln, einkaufen und zur geistigen Erbauung geeignet. Ich hatte nach der Maueröffnung neue Bekannte in Erfurt besucht. Damals war noch DDR. Als wir über den Anger sind lagen in einem der Geschäfte schon westdeutsche Bücher im Schaufenster. Meine Bekannte sah das, erschrak sehr und flüsterte ihrem Mann zu: „Ecki, schau nicht hin. Da sind westdeutsche Bücher im Schaufenster“. Sie hatte dem Frieden noch nicht getraut.

Neben dem Ursulinenkloster das Haus NR. 11, dort residierte während dem 30jährigen Krieg der schwedische Statthalter. In Nr. 18, dem ehemaligen Kurmainzischen Packhof, einem Barockbau mit reichem plastischen Schmuck, befindet sich das Angermuseum mit einer Galerie bedeutender Werke aus dem 19. und 20. Jahrhundert.

Im Bartholomäusturm, Rest der Familienkirche der Grafen Gleichen, ertönen mittwochs und sonntags um 17:00 Uhr sechzig Glocken aus der Apoldaer Glockengießerei.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite hat das Dacherödersche Haus das schönste Renaissanceportal der Stadt. Hier trafen sich zur Goethezeit die geistigen Honoratioren des Landes. Wilhelm von Humboldt verlobte sich mit der Tochter des Hauses, Caroline von Dacheröden.

In der Statthalterei, 1711 bis 1720 aus zwei älteren Patrizierhäusern zusammengebaut und mit einer schönen Barockfassade versehen, fand die berühmte Begegnung Goethes mit Napoleon statt.

Goethe wohnte bei seinen Besuchen im Geleithaus der Herzöge von Sachsen-Weimar gleich nebenan.

Auch Schiller lebte einige Jahre in der Stadt. Gedenktafeln sind an den jeweiligen Häusern angebracht.

Wer ein Faible für schöne alte Kirchen hat, findet in Erfurt eine reiche Auswahl. Hier nur einige Beispiele:

Die Barfüßerkirche hat Glasfenster aus dem 12. Jahrhundert.

Die Brunnenkapelle am Fischersand ist Seminarkapelle der Theologischen Fakultät.

Die Neuwerkskirche ist berühmt wegen der Neuwerksmadonna, einer Plastik aus dem Jahr 1380.

Die Predigerkirche verfügt über reiche Kunstschätze.

Die Reglerkirche, eine gotische Basilika aus dem 14. Jahrhundert, besitzt den größten der „Erfurter Schnitzaltäre“ eines unbekannten Meisters um 1480.

Die Schottenkirche ist die älteste Erfurter Kirche, erbaut vor 1150. Sie ist eines der wenigen erhaltenen romanischen Bauwerke der Stadt.

Nach einem ausgedehnten Aufenthalt haben wir uns wieder alle am verabredeten Treffpunkt eingefunden, wo unser Bus schon für die Rückfahrt zum Hotel bereitsteht.

Bürgerreporter:in:

Gisela Görgens aus Quedlinburg

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