Segen oder Fluch - Mein erstes Handy
Prolog:
Nachdem man 1992 das D-Netz einführte, begann die eigentliche Mobilfunkrevolution die bereits 1993 die Millionengrenze an Teilnehmerzahlen überschritt.
Lagen wir im Jahr 1998 noch bei 10 Millionen Handynutzern, so hatten wir in 2006 mit 85 Millionen Mobilfunkanschlüssen mehr Handys als Einwohner in Deutschland.
Während die Jugend von heute wie selbstverständlich in dieser modernen und telekommunikativen Welt groß wird, ist der Einstieg für die etwas ältere Generation, auch heute noch, mitunter ein abenteuerliches Unterfangen.
Jeder hat diesen Einstieg ganz anders erlebt. Für den einen war es leicht in diese Technik einzutauchen, andere hingegen taten sich schwer mit dem elitären Statussymbol der Anfangszeit. Manche Skeptiker entwickelten gerade zu Phobien gegen das Handy.
Die nun folgende Geschichte ist vielleicht beispielhaft für den ein oder anderen Handynutzer aus der damaligen Zeit.
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Es war an einem kalten Novembertag 1997. Nervös schaute ich mich um. Ich fühlte mich beobachtet. Schweiß tropfte von meiner Stirn. Jederzeit konnte es passieren, und ich wusste, dass ich es nicht verhindern konnte.
Warum habe ich mich auch darauf eingelassen, wohlwissend, dass dieses Risiko unkalkulierbar ist. Man sah es mir an, ich konnte es an den Blicken der Menschen, die sich um mich herum befanden, erkennen. Die Luft war zum Zerreißen gespannt und man hätte jede fallende Stecknadel wie einen Donnerschlag empfunden.
Plötzlich vernahm ich eine raue Stimme, die völlig unerwartet diese unsägliche Stille wie ein glühendes Buttermesser durchschnitt.
"Ist das ein Handy in Deiner Brusttasche?",
Es war mein Arbeitskollege, mit dem ich mich zuvor in diesem Restaurant getroffen hatte.
Gäbe es jetzt die Möglichkeit, den Boden unter mir bis zu einer Tiefe von mindestens zehn Meter auszuschachten, um in demselbigen zu versinken, hätte ich es getan.
"Nein, nein. Ein Kofferradio. Ein kleines. Naja, eher so ein Walkman.
Sieht nur so aus wie ein Handy", stammelte ich meinem Gegenüber zu.
"Mit Antenne?" Erwiderte mein Kollege.
"Da ist wohl ein Radioempfangsteil mit eingebaut", sagte ich.
Während ich mich um Kopf und Kragen redete, zog mein ganzes Leben an mir vorbei.
Ich war völlig verunsichert. Was ist, wenn jetzt meine Freunde, Verwandtschaft oder sogar die ganze Firma davon erfahren würde?
Sie würden sagen: Du? Ein Handy? Wozu? Das hätten wir nicht erwartet!
Eine äußerst unangenehme Situation würde für mich dadurch entstehen. Schließlich ist das Handy doch eher ein multimediales Statussymbol für Banker und Manager.
Wenn es plötzlich klingelt
"Nimm das Handy ruhig mit, wenn etwas ist, kann ich Dich ja mal anrufen", hörte ich noch meine Frau sagen, bevor ich das Haus verließ.
Was für eine Schnapsidee dachte ich jetzt in diesem Moment. Was ist, wenn das Handy hier in der Öffentlichkeit plötzlich klingelt? Ich fühlte mich verloren und fragte mich, wofür wir so ein Teil überhaupt brauchten? War die Zeit überhaupt reif für eine derartige Technologie?
Früher ging es doch auch ohne.
Ich verabschiedete mich von meinem Kollegen und verließ unauffällig das Gebäude. Dieses Erlebnis wollte ich gleich meiner Frau telefonisch mitteilen, hatte dann aber keine Telefonzelle ausfindig machen können. Schade eigentlich.
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Epilog:
Mit einem Handy in der Tasche eine Telefonzelle zu suchen war zu dieser Zeit nicht unbedingt eine Überraschung. Waren doch die anfänglichen Tarifkosten dieser Geräte eher weniger kundenfreundlich, als es heute mit der Standardflatrate möglich ist. Andererseits war man sich oft nicht im Klaren darüber, welche Möglichkeiten sich mit diesem Gerät nun eröffnet hatten.
In diesem Sinne wünsche ich noch viel Spaß beim Telefonieren.
Bürgerreporter:in:Georg Schmidt aus Diemelstadt |
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