Die Angst vorm Altwerden in Diedorf. Kursana und die Alternativen.
Im Lexikon nachgelesen :
"Kursana" zusammengesetzt aus : "Curare": umhegen,pflegen, "sanus, -a, -um": gesund und munter.
Nun sicher war meine Mutter ein schwieriger Fall: gezeichnet von der Alters-Alzheimer und Schwindelattacken wegen schlechter Durchblutung der Kopfartherien, mußten wir sie nach einem " Schlägle(?)", zwar wiedergenesen aber in Hinsicht auf den zu erwartenden baldigen Tode meines Vaters irgendwo unterbringen: "Irgendwo!".
Sie kennen das vielleicht schon aus eigener Erfahrung: Man möchte natürlich das beste Heim, wälzt all die Hochglanzprospekte mit lebenslustig dreinblickenden Senioren, freundlichen Schwestern und all den zusätzlichen interessanten Angeboten, wie gemeinsamen Besichtigungsfahrten, kreatives Gestalten von Häckeldeckchen und Enkaustikbildern, Kneippkuren, Waldspaziergängen, für die müden Muskeln Bewegungstherapie und Massage, erinnerungsleistungsfördernde und fachpädagogisch geleitete gemeinsame Spiele, Feste und Feierlichkeiten in ununterbrochener Folge großzügig und einfühlsam auf persönliche Bedürfnisse" gemänischt",...........
Wir waren überzeugt: Alt sein im " Heim" muß unheimlich Spass machen!
Nur: meine Mutter wollte ja nie ins Heim.
Mit über 90 Jahren hatten meine beiden Eltern noch ihr großzügiges Reiheneckhaus mit großem Garten allein bewirtschaftet, natürlich ein wenig Hilfe von meiner Seite für besonders kraftraubende oder kompliziert aussehende Arbeiten meinerseits inclusive. Mein Vater war ein Energiebündel in Person und mit Kunstführungen und -vorträgen solange in Bewegung bis dann der Prostatakrebs ( Der Doktor: "An so was stirbt ma net, des hasch halt , da leb´sch ewig, bis dann an was anderem stirbsch) doch ausstrahlte. Seine größte Sorge galt natürlich seiner Frau, die ihn mit: " In´s Heim geh i net, eher bring i mi um" nicht gerade beruhigen konnte.
Ob Sie nun tatsächlich eines Abends ein paar Schlaftropfen zu viel nahm oder , ob unerwartet und ohne Voranzeichen doch ein kleiner Schlaganfall Ihr morgendliches Erwachen verhinderte, lies sich nicht feststellen. Als Sie dann nach ein paar bangen Stunden im Krankenhaus wieder zu sich kam, war sie schnell auch wieder in der Lage zumindestens ein paar Schritte zu gehen. Die Ärzte rieten wegen Ihrer Schwindelanfälle zum vorübergehenden Gebrauch des Rollstuhls, der Reha mit Rolator und der vorläufigen Einweisung in die Kurzzeitpflege Diedorf. Meine Mutter nahm es gelassen.
Natürlich hatten wir gehört, wie schlimm es um die Pflege von alten Leuten in Deutschland bestellt ist. Wir waren überzeugt, so aus Ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen und täglich mehrere Stunden ohne unsere Hilfe mit solchen Zuständen alleingelassen konnte das sicher nicht gutgehen. Es ging aber. Es ging sogar richtig gut! Wir wurden überrascht, mit welchem Einsatz die Pflegekräfte der Kurzzeitpflege Diedorf rund um die Uhr sich Ihrer mit Geduld und Hingabe widmeten. Sie lernte wieder im Rolator herumlaufen, wurde auf unseren Wunsch hin, zum Nachmittagsschläfchen extra ins Bett gelegt, Die Aktivitäten und Förderangebote waren interessant und anregend und auchg menschlich einfühlsamer als die glatt gedruckten Hochglanzprospekte der Pflegeinstitutionen. Meine Mutter hatte bald ihre gewohnte Alltags-umgebung im Perseer Reihenhaus fast ganz vergessen und war diese 2 Wochen so richtig gelöst glücklich. Keine Überlegungen mehr, ob Bratkartoffeln auftauen oder Reis kochen. Keine Angst mehr, das Bügeleisen angesteckt vergessen zu haben. Es war wie in Kur, aber mit anscheinend viel mehr umsorgendem Personal und umfassenderer Freizeitgestaltung. Meinen kranken Vater brachte ich regelmässig zu Ihr in die Kurzzeitpflege mit. Auch er wirkte jetzt beruhigter und konnte sich mit seinen Sorgen am Abend dann leichter in sich zurückziehen. Er, der immer so viel mit anderen unternommen hatte, wollte für sich allein von seiner gewohnten Umgebung mit den Kunstbüchern und den schönen Antiquitäten Abschied nehmen. Bei der Bewirtschaftung des Hauses konnte ich ihm im Wechsel zu Besuchen bei meiner Mutter etwas helfen. Aber er wurde immer schwächer und es war abzusehen, daß auch er bald Pflege ausserhalb seiner Bibliothekswände brauchen würde.
Zwei Wochen gehen schnell vorbei.
Meine Mutter war dagegen viel lebendiger, aber auch ausgeglichener geworden. Trotzdem war es klar ,daß beide alten Leute wohl nie mehr in Ihrem Haus gemeinsam würden leben können. Was tun? Betreutes Wohnen? Für die wenigen Wochen oder Monate, die meinem Vater vielleicht gar noch blieben?
Wir entschlossen uns für eine endgültige Umzugslösung ohne weitere Übergänge:
Der Vorteil, in Diedorf im Kursana - Alten- und -Pflegeheim selbst im gleichen Ort wohnend allabendlich zu einem, wenn auch manchmal vielleicht nur kurzen Besuch zu meiner Mutter kommen zu können, gab den Ausschlag.
Von der Versorgung in der Kurzzeitplege in Diedorf waren wir ja begeistert.
Hochglanzprospekte gab es wie überall auch, aber wichtiger waren uns ja die wirklichen Erfahrungen mit der angeschlossenen Kurzzeitpflege nebenan.
Wir bekamen überraschend schnell ein Einzelzimmer zugesagt. Sollte es meinem Vater recht sein, wollten wir ihn baldmöglichst in einem zweiten Bett zu meiner Mutter dazubringen. Wenn Sie weiterhin so Fortschritte machte, konnten beide vielleicht doch noch eine weitgehend sorgenfreie, weil umsorgte Zeit miteinander verbringen. Der Rolator war genau der richtige Weg dazu. "Ist der Körper in Bewegung, bleibt es auch der Geist" hatten die erfahrenen Ärzte in der Gemeinschaftspraxis gesagt.
Von den auf uns zukommenden Belastungen in der Pflegestufe 3 waren wir dann etwas perplex: Fast1500,-- würden AOK und Beihilfe übernehmen. Das sollte ja , weil bei AOK und BBK doppelt versichert, dann wohl gut reichen. Von wegen! Die relativ gute Pension meines Vaters , die auf meine Mutter auf weitere 1500,-- zurechtgekürzt wurde, würde ganz hineinrutschen . Und dann würden nochmals mindest 500,-- von uns selber zu zahlen sein. Auf circa 3500,-- belief sich die Rechnung für Pflege, Unterkunft und Verpflegung im Kursana- Pflegeheim. Nun ja dafür waren dann als persönlicher und nur individueller zusätzlicher Pflegeaufwand auch fast 4 Stunden täglich angesetzt. "Meine Mutter war ja rund um die Uhr in besten Händen", dachten wir
Zur Aufnahme mußten wir ein vielseitiges Arbeitspapier mit Fragen über Vorlieben und Gewohnheiten meiner Mutter ausfüllen. " Um besser auf all ihre Wünsche eingehen zu können", hies es von der Pflegeleitung. Mein Vater mußte jetzt, da die Krankheit heftig zuzuschlagen begann und die Nieren aussetzten doch ins Krankenhaus. Wir waren jetzt weit öfter bei ihm zu Besuch als bei meiner Mutter, da er das Bett nicht verlassen konnte und elend und hilflos war. Meine Mutter glaubten wir ja in guten Händen. Nach drei Tagen erst konnten wir den Fragenkatalog abliefern. Wir waren ob dieser Verspätung in Sorge, wurden aber beruhigt: "Das geht schon noch, es war ja Wochenende und wir können uns das sowieso erst am Montag anschauen", hies es lakonisch. Noch mal gerade rechtzeitig die notwendigen Informationen beigebracht, damit man sich auch bestens um unsere Mutter kümmern konnte! Da wir uns natürlich immer mehr um meinen sterbenden Vater kümmern mußten, kam die Mutter etwas arg kurz bei den Besuchen. "Gottseidank gut aufgehoben!" dachten wir. Wir hatten gebeten, sie möglichst oft mit dem Rolator herumzuführen, damit die Beinmuskulatur nicht schwächer würde und sie später nicht dauernd an den Rollstuhl gefesselt wäre. "Da müssen Sie sie schon allein in den Rolator hiefen, wenn Sie das wollen! Wir haben niemanden frei" hies es bald. Sehr oft war sie am Spätnachmittag, wenn wir kamen noch im Bett ohne jeden Kontakt zu anderen Mitbewohnern und ohne Unterhaltung.
Bedingt durch den Alzheimer wußte sie natürlich nicht, was Sie so gemacht hatte im Laufe des Tages. Zunächst dachten wir, sie sei vielleicht einfach einmal früher in´s Bett gebracht worden, um Ihre vielbelastete Sitzfläche zu entlasten und offene Druckstellen zu vermeiden. Auch Besuche am Morgen machten uns nicht stutzig. Schien es doch zunächst ganz im Sinne eines neu eingewöhnten Patienten zu sein, den Tag einfach ohne Stress gemütlich angehen zu lassen. Nur fragten wir uns mitlerweile ,wann und wo und wie denn, diese allumfassende Patientbetreunug und diese wohlklingenden Übungen und Aktivitäten im Hause denn wirklich stattfinden würden und baten, sie doch in derlei auch bei anscheinendem Anzeichen von Desinteresse einzubeziehen.
Sie kam im Mai, das erste größer angekündigte Event war ein Weinfest mit Zwiebelkuchen und Traubensaft im Herbst. Als wir abends kamen und sie auf unsere Fragen nach dem Ablauf mit dem Kopf schüttelte, sagte man uns: "Da hätten Sie schon selber kommen müssen und Ihre Mutter im Rollstuhl runterbringen müssen. Wir haben nicht genug Personal."
Nachdem sich Ihr mit Riegel sicher zu befestigendes Goldgebiss, das sie selber kräftemäßig nicht mehr entfernen konnte, mittags in Wohlgefallen aufgelöst hatte und ich keine Erlaubnis erhielt, in den mittäglichen Küchentischabfällen eigenhändig nach diesem 3000,-- Euro Wertgegenstand zu suchen, mußte ihre Ernährung zwangsläufig auf Brei umgestellt werden, bis das neue Gebiss zur Verfügung stand. Nun hatte wir immer schön brav mit Ihrer Hilfe zusammen einen Auswahlessensplan ausgefüllt und waren der Meinung , sie bekäme, was Ihr schmeckt. "Ach immer nur Suppe", was wir natürlich auf ihren Alzheimer zurückführten., obwohl auch ihre Tischnachbarinnen dies bestätigen wollten( auch Alzheimer?). Jetzt hies es : "ach immer nur Brei". Auch nachdem ihr neues teuer angefertigtes Gebiss endlich da war. Die Zahnäztin, zu der wir immer mit dem Rollstuhl gingen, meinte ,meine Mutter sei wohl sehr selten einer Behandlung mit Zahnbürste und Zahnpasta unterzogen worden. Erst jetzt fiel uns auf, wie viele der anderen Heiminsassen augenscheinlich auch ohne Gebiss essen mussten. Wir baten darum, ihr regelmässig die Zähne auch am Abend beim zu Bettbringen zu putzen. Nachdem wir sie zum wiederholten Mal mit einem ganzen Mund voll Abendessensresten im Bett schlafend angetroffen hatten, niemand in der Schicht wußte, wer dafür verantwortlich und damit Ansprechpartner wäre, schrieb ich es mit abwischbarem Glasmaler auf den Spiegel: Bitte Zähne am Abend putzen!
Tagsüber lies man sie jetzt ohne Kontakt und Unterhaltung oft im Bett. Wir baten darum, Sie mit anzuziehen und in den Gemeinschaftsraum zu lassen. Es hies zum einen: "Sie hat sich nicht wohlgefühlt "( Sie war pudelfidel und froh, jemanden zu sehen), manchmal: "Wir sind noch nicht dazugekommen" (ehrlich !), gelegentlich auch direkt: "Das ist nicht rationell".Natürlich war es auch nicht rationell , Sie mit etwas anderem als Brei zu füttern. Alles andere dauerte zu lange. Es war auch nicht rationell, sie öfters als 3-mal pro Tag bei Beginn der jeweiligen Schicht auf Inkontinenz zu säubern . Auf den ausliegenden Listen war aber ein ordentlicher Wechsel von 8mal auf 24 Stunden eingetragen. Als meine Mutter dann Wundstellen bekam und sich einen hartnäckigen Pilz im Genitalbereich durch die dauernde Urinverätzung zuzog, wurden wir auf die ordentlich geführten Listen verwiesen , die den Wechsel allec 3 Stunden schwarz auf weiss zu bestätigen schienen . Ich sprach immer wieder bei der Nachmittags - und Abendschicht vor. Als nichts zu geschehen schien, schrieb ich auf die Schreibunterlage unseres eigenen Betttischs: Bitte immer Windeln wechseln.
Wir wurden wegen Beschmutzung der Pflegeeinrichtung und Unterstellung zum Anstaltsleiter gerufen. " Wir werden Ihnen gerne beim Umzug von unserer Pflegeeinrichtung in ein anderes Heim behilflich sein" hies es auf der Einladung zum Gespräch. Das war ein recht höflich angekündigter Rauswurf. Nachdem wir auch von anderen Angehörigen in Erfahrung bringen konnten, daß sich Differenzen mit Heimpersonal gegen die Pflegebedürftigen selbst wenden würden, lenkten wir ein. Immer wieder mit neuen Problemen konfrontiert, meint man ja allmählich auch mit mangelhafter Pflege zufrieden sein zu müssen. "Lieber mal einen Fünfziger in die Kaffekasse". Das wurde uns geraten und schien etwas zu helfen oder waren wir nur so abgestumpft geworden? Nachden meine Mutter den Norovirus, der das ganze Heim befallen hatte, überlebt hatte und Ihre Ärztin sich liebevoll und kundig um sie gekümmert hatte, waren wir in Hinsicht auf ihr gesundheitliches Wohlergehen mitlerweile etwas beruhigt. Nachdem wiederum viele Heimbewohner an schwerer Bronchitis erkrankt waren und sich bei meiner Mutter und anderen keine Besserung sondern durch das lange Liegen vielmehr eine Verschlechterung zeigte, bat ich bei unserer Ärztin nach einem Antibiotikum zu bitten. Dies erfolgte nicht mehr vor dem Wochenende. Als auch am Montag noch kein Mittel besorgt war, rief ich selbst in der Praxis an , um mir ein Medikament verschreiben zu lassen. Als ich das Pflegeheim verlies,um das Medikament zu holen, sagte man mir:" Machen Sie Sich keine Sorgen, der Husten wird schon hörbar besser" Nach 30 Minuten kam der Anruf, daß meine Mutter verstorben sei. Das Herz hatte nicht mehr mitgemacht.
Natürlich mit über 90 Jahren ein schneller und fast schöner Tod. In der Trauer waren wir dafür dankbar.
Wir sind aber überzeugt, daß unsere Mutter, hätten wir IhreVersorgung nicht dauernd überprüfen können und selbst in die Betreuung eingegriffen hätten, nur wenige Monate im Pflegeheim ohne Angehörige überlebt hätte.Gut, daß wir unsere eigene Altersbetreuung noch anders vorplanen können.
Auf unseren Reisen haben wir in Asien: Thailand, Malaysia,Sabah, Brunei, usw., wo ja auch Englisch gesprochen wird, hervorragende private Pflegeinrichtungen und Krankenhäuser gesehen, die luxuriös und medizinisch perfekt geführt werden. Kosten mit Betreung durch mindestens eine Person rund um die Uhr, um die 500 ,-- Euro im Monat.
Wird eine Betreuung im eigenen Land hier in Deutschland notwendig, kennen wir schon heute viele nette junge Pflegekräfte, deutschsprechend aus osteuropäischen Ländern, die in Jobteilung jeweils 14 Tage hier arbeiten dürfen und dann für die zweite Hälfte des Monats durch eine zweite Pflegerin ersetzt werden können. Danach kann wieder die erste Pflegekraft hier ganz legal arbeiten Kosten dieser rund um die Uhr-Betreuung im eigenen Haus um die 1000 Euro.
Selbst, wenn man seinen Beruf aufgeben müßte, um seine Angehörigen zu versorgen, könnte man durch Einsparung des Pflegebetrages mehr verdienen, als im Beruf, in dem man tätig ist.
Ich freue mich auf Sarawak oder Sabah und seine immer _ fast immer freundlichen Menschen.
Bürgerreporter:in:Haus der Kulturen michael stöhr aus Diedorf |
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