Vom Ursprung der Messer
In uralten Tagen lebten zwei Geschwister, Bruder Sonne und Schwester Mond in Eintracht wie Frau und Mann zusammen. Glücklich lebten Sie von den reichen Erträgen der Jagd und des Feldbaus. Da sich aber solches Glück bei den Nachbarstämmen am Oberlauf des Rio Magdalena schnell herum gesprochen hatte, herrschte bald Neid und Missgunst, dass man Absprache traf, sich durch Gefangennahme eines oder beider Geschwister sich den Schlüssel zum Erfolg zu sichern. So überfielen sie also eines Nachts Bruder Sonne, der erfolgreich von der Jagd zurückkehrte genau an jener Engstelle, an der der starke Strom sein breites Bett auf nicht mehr als gerade mal zwei Meter zusammenpressen musste, folterten Bruder Sonne, zerstückelten seinen Leichnam und verstreuten die Teile in die tosenden Fluten ebenda, wo man auch heute noch das vergossene Blut porphyrrot in den Gesteinsschichten sehen kann. Als ihr Bruder am Abend nicht nach Hause kam, sorgte sich Schwester Mond sosehr, dass sie sich mit ihrem schlanken, sichelförmigen Kanu den Strom hinauf auf den Weg machte, um den Bruder zu suchen. Nachdem sie sehen musste, dass sich das Wasser des Magdalene allmählich immer mehr von seiner schwarzen Farbe zum Rot wandelte und nach weiteren Metern auch bis zu den Stromschnellen kam, an denen ihr Bruder ums Leben gekommen war, begann sie mit ihrem Paddel zwischen den Felsen verzweifelt im tiefen Wasser nach seinem Körper zu stochern, allein völlig erfolglos, denn die starke Strömung hatte die geschändeten Teile seines Körpers längst mit sich gerissen.
Voller Verzweiflung stimmte sie ein Klagelied an und versuchte mit all ihrem Flehen den großen Schöpfergott zu bitten, doch die Zeit zurück zu drehen und ihr den geliebten Bruder wieder zurück zu geben. Doch wie lange und wie herz zerreissend sie auch sang, der große Erfinder konnte trotz seiner Weisheit ihre Bitte nicht erfüllen. Als nun auch die Tiere und die Pflanzen, ja sogar die ganze Natur und der Kosmos, die alle Bruder Sonne herzlich geliebt und die das heftige Klagen nicht länger ertragen konnten, den Atem anhielten, blieb auch die Zeit schließlich stehen, die Nacht wollte nicht ganz vergehen und der Tag wollte sein Licht nicht auf das traurige Schauspiel herabsenken, sodass allein das undurchsichtige Dämmerlicht der Melancholie über den Zeiten lag. Als bereits ein halber Tag war vergangen war ohne dass sich der Wechsel aus Tag und Nacht wieder vollzogen hatte, da drückte solch unendliches Leid auch den Herrn der Geschöpfe und er fügte die verschwundenen Teile von Bruder Sonne wieder zusammen und bestimmte ihn dazu als Wächter des Tages hoch am Himmel solche Greueltaten in Zukunft zu verhindern. Schwester Mond konnte er aber nicht aus der stehen gebliebenen Zeit zu Ihrem Bruder hinzu bringen und so wies er ihr in Ihrem sichelförmigen Kanu den Platz am Nachthimmel zu.
Und so sucht Schwester Mond auch an sieben Nächten des Monats weiterhin nach ihrem Bruder, den sie aber nicht erreichen kann.
2. Mit unseren Schülergruppen machen wir im Haus der Kulturen immer mal wieder kleine Kurse in experimenteller Archäologie: z.B. Flintknapping - Feuersteinklingen-herstellung wie in der Steinzeit. Bei der Herstellung von scharfen Klingen aus einer Feuersteinknolle ist es zunächst wichtig, eine gerade Schlagfläche für Abschläge zu erzeugen. Bei genau berechnetem Schlag kann man lange Messerklingen erzeugen, bei ungeübtem Druck nur halbmondförmige Schaber, die bedingt durch die Abschlagsfläche oben waagerecht gerade und unten halbrund ausgestaltet sind. Das Halbrund ist messerscharf, die obere Kante stumpf und kann gut in der Hand gehalten werden. Lange Klingen wurden von den Männern , gekonnt zu Speer-, Pfeilspitzen und Dolchen, also Jagdwaffen weiterverarbeitet. Halbrunde Schaber waren die Messer der Frauen, um die Haut vom Fleisch und das Fleisch vom Knochen zu trennen.
Durch die Rundung der Unterseite gleitet die Schneide des Schabers durch das Material ohne Widerstand. Diese Idealform der Steinzeit wurde später von vielen Kulturen der Kupfer- und Bronzezeit übernommen. Nimmt man natürlich gefundenes Gold und Kupfernuggets, um daraus flache Metallscheiben zu klopfen, so entstehen runde Scheiben. Goldscheiben, die als Schmuck getragen werden sollen, brauchen beidseitig eine Lochung, um eine Lederschnur durch zu ziehen. Randnahe Schnüre reißen leicht aus und führen zu einer beidseitigen Einkerbung, die gerade bei den Schmuckscheiben in den vorkolumbianischen Kulturen charakteristisch ist.
Halbkreisförmige Scheiben werden in vielen Kulturen oft mit einem senkrechten Haltegriff versehen oder über der Waagerechten mit einem Holz oder Ledergriff gefasst.
Messer in Form des liegenden Halb- oder Sichelmondes sind z.B aus den Inkakulturen Südamerikas mit Haltegriff in Form eines Lamas, aus den vorinkaischen Kulturen Kolumbiens und Equadors als Opfergaben, aus der Zeit der Maya und Azteken als Opfermesser aus Feuerstein, um die Brust des menschlichen Opfers zu öffnen und das Herz heraus zu trennen, und bei den Inuitfrauen.
3. In den Sammlungen des Hauses der Kulturen in Diedorf befindet sich eine sehr stark verrostete halbrunde Eisenscheibe aus Alaska, die von den Frauen der Inuit zum Enthäuten und Zerlegen der Seehunde gebraucht wird. Solche Messer sind üblicherweise aus scharf geschliffenem Grünstein, Schulterblattknochen, Muschelschalen oder getauschten Metallstücken gebräuchlich. In Nordostkanada gefundenes flaches natürliches Kupfer wurde im gesamten Nordamerika gerne ebenso durch Kaltschmieden zu Halbmondmessern weiter verarbeitet und im Handel weitergegeben.
Eine halbrunde Silberscheibe der Inka aus Cuzco in Peru, z. Zeit noch zu sehen in der Ausstellung von Schmuck der frühen Kulturen und Naturvölker hat als Bekrönung des Haltegriffes eben jenes Lamafigürchen.
Auch aus Asien sind halbrunde Messer bekannt: so z.B. die Messer der Luftbestattung im alten Persien, die dazu verwandt wurden , um die Haut und das Fleisch der Leichen edler Personen, die auf den Türmen des Todes an die Geier verfüttert werden sollten, aufzubrechen.
4. Im Haus der Kulturen können wir ein paar wenige sehr kleine vergoldete Repliken, solcher figürlich gestalteter oder aber abstrakt reduzierter Messer der Tairona und anderer präkolumbischer Völker aus dem Goldmuseum Bogota als kleine Anhänger mit vergoldeter Kette anbieten. Gold- und Silberschmiedekurse bietet Michael Hinterleitner (o17672222844) an, zu denen man sich auch übers Internet anmelden kann: www.michael-hinterleitner.de
Bürgerreporter:in:Haus der Kulturen michael stöhr aus Diedorf |
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