Milchtropfen aus nächtlichem All: Opale aus der Danakil
„Dort wird es Wasser geben“! Seit Stunden hatten sie nicht miteinander gesprochen, die Zunge lag verdorrt irgendwo hinter zusammengebissenen Lippen. Mit dem ausgestreckten Arm, der sich aus der unförmigen Silhouette aus schwarzem Tuch heraus geschält hatte, zeigte der Alte weit weg in Richtung Horizont. Man konnte nichts erkennen. Steine, nur Steine, dunkel und abweisend lagen sie nebeneinander hingestreut, mancherorts zu kleineren Häufen aufgetürmt, runde unendliche Kuppen, die da nebeneinander lagen wie die Rücken gestürzter Feinde, geborsten manchmal, zu scharfen Kanten plötzlich geformt, von der Glut der unbarmherzigen Sonne hier in der Danakilwüste im Osten, am Horn von Afrika.
Fassungslos schaute ihm der Junge in die Augen, die unter dem Schleier der Kapuze weit hinten im Dunkeln lagen. Wie konnte dieser alte Narr sich hier im Nirgendwo so sicher sein, wo die Sonne vertikal von oben herab knallte? Kein Schatten zwischen den Steinen konnte die Himmelsrichtung verraten. Warum hatte er, der junge Krieger, sich nur darauf eingelassen, diesem Tattergreis hinterher zu laufen, der auch im Stamm der Afar schon mehr als nur ein wenig verblendet und unberechenbar gegolten hatte?
Westwärts sollte er gehen, hatten die anderen Alten gesagt, wenn er in Adis Abeba Arbeit finden wolle. Vielleicht in der Tourismusbranche, hatte er so vor sich hin geträumt! Touristen waren reich und konnten sich die weite Reise bis an den Tannasee und die Stadt der Höhlenkirchen Lalibela problemlos leisten. Warum sollte er an diesem Reichtum, dessen bunte Bilder er im italienischen Fernsehen gesehen hatte, nicht einfach teilhaben können? Im nächsten größeren Ort hatten sie einen alten Fernseher bekommen, der betrieben mit einer Solarzelle , immer mal wieder zu flimmern und von der Welt hinter den großen Meeren zu erzählen begann. Das war schön gewesen! Und jetzt sollte er wegen seiner Dummheit wohl hier in der Gluthölle verdampfen!
„Hier!“ Wie aus dunkler Höhle heraus erschien die Hand des Alten vor seinem Gesicht und holte ihn aus den Gedanken zurück. Ein paar helle kleine Steine lagen auf der offenen Handfläche. Sie schillerten weiß wie die kühle Milch der Kamelstuten und schienen doch alle Farben der Welt in sich fest zu halten. Das also hatte der Alte wohl unter den Felsen heraus geholt, als er sich vorher so schwerfällig nieder gekniet hatte. Wie um ihm zu zeigen, was er von ihm wolle, führte der Greis die Hand zum Mund und schien einen dieser seltsamen Stücke zwischen die in der Hitze aufgeplatzten Lippen zu nehmen. "Wenn man Steine im Munde lutscht , ist der Durst nicht so groß", erinnerte er sich an den Lehrer, der ihn durch die Initiation geführt hatte.
Fast musste er trotz aller Entbehrungen schmunzeln. Diese kleinen Steine, von denen er jetzt einen in den Mund nahm, nicht ohne ihn nochmals genau zu prüfen, fühlten sich seltsam kühl an. Vielleicht war ja alles nur Einbildung aber sie erinnerten ihn tatsächlich, so schillernd und geheimnisvoll weiss sie da auf der Handfläche lagen, an diese kurze Sequenz im Fernsehen, über die alle im Ort so lange diskutiert hatten. Ob es so etwas wirklich geben würde: "Gelato" war da in der Überschrift über den bunten Schirm geflimmert? “Versteinertes Wasser“, hatte der Junge aus Adis erklärt, der damals gerade zu Besuch war, „Das kann man bei uns im Touristenhotel anschauen. Die haben da so eine Vitrine, wo man das aufbewahrt. Da darf man den Deckel aber nur ganz kurz aufmachen, damit es nicht davon fliegt.“
Der Alte war längst schon ein Stück weiter, als er endlich aus den angenehmen Erinnerungen wieder mitten in dieser Hölle aufgewacht war. Missmutig stapfte er hinterher….
… wie tat dieses Wasser gut. Nicht bemerkte er die dunkel schmutzige Trübung, so dunkel, dass sich sein Gesicht im Wasser spiegelte. Was spielte das für eine Rolle, jetzt, wo er dieses Labsal über das Gesicht und in die verquollenen Lippen rinnen lies. Sie hatten es beide geschafft! Nachdem auch der alte Mann getrunken hatte, setzten sie sich in den Schatten einer dieser schirmähnlichen Akazien nahe am Tümpel und der Alte begann nun ausgiebig zu erzählen, nachdem ihm das Wasser bald wieder die Zunge gelöst hatte:
„Weißt Du“ begann er, „diese kleinen Steine, die ich Dir gegen den Durst gegeben habe, sind vergossene Milchtropfen unserer Mondgöttin Al-lat, die mit Ihrem Tau und diesem wertvollen Labsal Tiere, Pflanzen und auch Menschen ernährt. Manchmal findet man solche Kostbarkeiten, die versteinerten Milchtropfen, im Osten der Danakilsenke ganz dicht an den rettenden Bergen. Lass dir sagen, wie man zum Wasser findet: Sind sie nur klar und durchsichtig, dann ist das rettende Wasser noch fern. Haben Sie aber die Farbe von Stutenmilch und schillern in allen Farben, dann war der Nachttau nicht fern, der vom Wasser aufsteigt, und gierig haben sie ihn in sich aufgesaugt, wie hungrige Kinder. Wasser muss also in allernächster Nähe sein. Wenn unsere Frauen sie als Amulett tragen, werden sie durch die Feuchtigkeit ihrer Haut genährt und spielen auf milchig weissem Grund alle Farben des Regenbogens wieder. Lässt man sie achtlos herumliegen, verdursten sie und werden zu wertlosen Glassplittern. Unsere islamischen Verwandten sagen, sie sind wie die Djinnis, wie die Vampire, die den Frauen die Kraft in Form von Feuchtigkeit aus saugen. Aber das stimmt nicht, weil sie kennen ja nicht die Geschichte der Nachtgöttin, die man vor der Religion des Einzigen in Mekka in den großen weissen Steinen verehrt hatte, bevor der Prophet uns die einzig wahre Religion brachte und dort den schwarzen Stein in die Kaaba einmauern liess. Uns so gab es lange vor der Zeitrechnung viele ihrer Tempel überall im Land der arabischen Stämme, und den größten davon in Palmyra.
Die Europäer hinter den Bergen und Wassern sind übrigens ganz wild auf sie, obwohl sie deren Bedeutung nicht kennen. Opale nennen sie sie. Sie schleifen sie zu runden Perlen und behängen ihre Frauen damit, so wie der Schmuck beim Christbaumgestell daheim in der kleinen Missionskirche. Schade drum! Denn diese kleinen Steine sind eine Erinnerung an jene alten Zeiten, in denen der Sonnenfürst die Nachtfrau vertrieben hat. Seine Kinder hat er alle aufgefressen, bis auf die schwarzgekleideten Afar, die sich zwischen den dunklen Felsen auf den Boden gelegt haben, damit er sie nicht sehen konnte. Und die Nachtfrau, unserer aller Mutter hat zwischen den großen Steinen für uns Afar, die wissenden Menschen, die auch Ihre Mutter ehren, mitten in der Not die letzten Tropfen ihrer rettenden Milch verstreut. Diese schenkt den unstetig Umherirrenden Ruhe und Erquickung. Der Sonnenfürst aber ist gierig auf der Suche nach den weissen Tropfen. Findet er einen, so brennt sein Blick ihn zu orange gleisender Glutperle, den Feueropalen, von denen es eher viele gibt in der Danakil. Diese allerdingst machen aus uns Afar blutrünstige Krieger. So bedenke lang und wähle gut, was Du jetzt als Wissender zu tun gedenkst.“
Der Opal der Danakilwüste wird als Milchopal und als Feueropal seit ein paar Jahren auch bei uns in Europa zu Schmuck verarbeitet. Wird er lange nicht getragen oder in warmen trockenen Räumen aufbewahrt, verliert er seine schillernde Lichtbrechung für eine Weile. Wieder am Hals getragen, nimmt er über die Haut Feuchtigkeit auf und beginnt im Farbenspiel wieder zu leben. Die Kristallurgen deuten dies als teilweise molekulare Veränderungen durch elementare Einlagerung von Wasser.
Im Haus der Kulturen in Diedorf können wir ein paar wenige dieser Opale zum Verkauf anbieten. Unser Silber- und Goldschmid Michael Hinterleitner (o17672222844) bietet im Haus auch Kurse an, wie man selber Schmuck herstellen kann:
http://www.michael-hinterleitner.de/all/kurse.html
Bürgerreporter:in:Haus der Kulturen michael stöhr aus Diedorf |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.