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1+1=1 (ein Paar), Mann und Frau als Holzfiguren in Kulturen fremder Völker.

Oma liegt oben im allerobersten Zimmer des kleinen Hauses aus Schilfmatten im Westen Madagaskars.
Oma schläft jetzt schon seit 5 Jahren. Sie ist in wertvolle Ikats aus Seide eingerollt, so wie es die Vorfahren der Sakalava in Sumatra auch mit Ihren Verstorbenen gemacht haben. Oben im Haus, wo der heiße Wind durch die Matten bläst, hat Oma immer gute Luft. Oma hat vor 5 Jahren zum letztenmal hörbar geröchelt. Sie ist krank. Zunächst hat man gesehen, dass ihre ehemals gesunde dunkelbraune Gesichtshaut bleich geworden war. Oma ist kalt gewesen und damit sie nicht friert hat man sie gleich in viele der schönen handgewebten Tücher eingewickelt. Bald hat man ihre Krankheit aber auch schon deutlich gerochen und die Eltern haben gesagt, wir Kinder sollen unsere Schlafmatten nach unten bringen, damit Oma ruhiger schlafen kann. Jetzt riecht Oma aber schon längst nicht mehr so seltsam. Das Stoffbündel wirkt richtig aus gemergelt. Oma hat ja auch schon viele Jahre nichts mehr gegessen.
Bei Opa , so wurde uns erzählt, musste die ganze große Familie fast 10 Jahre lang auf den Raum oben verzichten. Auch Oma hat neben ihrem mageren in Stoff gewickelten Mann , nachdem der Geruch nicht mehr da war wieder geschlafen. Erst nach 10 Jahren war genug Geld vorhanden, um die teure Beerdigung durchführen zu können. Ein Geviert von 5mal 3Meter, wurde tief ausgehoben und mit runden Kieseln ausgefüllt. Eines Tages war es dann klar, Opa würde nie mehr wieder aufstehen und dann, so erzählten die Eltern, kamen eines Tages die Ältesten des Dorfes um ihren Freund an seine letzte Schlafstätte zu bringen. Das Stoffbündel war ganz leicht geworden und so gab es kaum Gewichtszuwachs als noch einmal 4 oder 5 wertvolle Tuchlagen um Opa herum geschlagen wurden. Die Musik spielte laut und rhythmisch wild und die Männer schienen mit Opa wie mit einem schaukelnden Boot tanzend und torkelnd und sich immer wieder um die eigene Achse herum drehend den Weg zum heiligen Hain vorwärts zu gleiten. Opa wurde in die Mitte der großen Kiesel gelegt und mit weiteren Kieseln überdeckt, bis sich eine flache Pyramide ergeben hatte.
Dort waren wir Kinder später immer wieder hingelaufen, um zu sehen, ob das Grab auch noch unberührt war. Es hieß nämlich, wenn man den Toten beim Hinaustragen durch das Hin- und Herdrehen nicht richtig verwirrt gemacht hätte, dann würde er plötzlich wieder im Dorf stehen und um Nahrung bitten.
Die Steine waren immer ordentlich geschichtet gewesen und an den Ecken des Steinhaufens standen wie immer die Figurenpaare von Opa und Oma, wie sie die Eltern und ihre Geschwister gezeugt hatten. Mit diesen sehr aufreizenden Figurenpaaren wollte man die Schrecklichkeit des Todes in Fruchtbarkeit und Freude umwandeln und den Großeltern zeigen, wie dankbar man für diesen Zeugungsakt ist.
Morgen wird man jetzt genug Geld für die Heimführung von Oma zusammenhaben und mit den vielen Nachbarn, Bekannten und Verwandten ein großes Fest feiern. Fünf Tage wird gefeiert und getrunken, gegessen und gelacht. Auch Opa wird sich freuen, wenn er jetzt bald nicht mehr nur diese kopulierenden Pärchen aus Holz vor Augen hat, sondern endlich wieder seine Oma in den Armen halten kann.
Schade nur, dass unsere islamische Stadtregierung in Tulear meistens für so lustige Grabplastiken nicht so viel übrig hat und immer mehr dieser Figurenpfeiler verbrennen lässt. Naja man sagt, die Funktionäre verkaufen diese seltenen Figuren einfach heimlich in den internationalen Kunsthandel.

Nicht in allen afrikanischen Stämmen werden die Statuen der Verstorbenen mit solcher Freizügigkeit gestaltet, ganz konträr zu den Sakalava finden die Stämme im Süden Äthiopiens und des Sudan , sowie im Norden Kenias , um den Turkanasee herum , das Ziel der Darstellung der verstorbenen Paare in stark vereinfacht verzierten Pfahlskulpturen.

Im Westen Afrikas stellt man sich das Leben nach dem Tod in einer Welt vor, in die man wieder neu hinein geboren wird. So zufällig der Geburtsort , so unwahrscheinlich ist es damit aber auch, dass man seinen bisherigen Lebenspartner wieder sieht. Um den Lebenspartner in der Anderswelt positiv vor zu bestimmen, lässt man sich seinen zukünftigen Idealpartner von einem guten Schnitzer als unterarmlanges Modell schnitzen. Diesen hölzernen Traumpartner verwöhnt man nun schon zu Lebzeiten mit allerlei Geschenken und Nettigkeiten, damit dieser nach dem Tod sich dafür erkenntlich scheint.
Reiche und gutaussehende Partner werden bevorzugt. Militär- und Beamtenberufe und ihre Attribute wie Soldatenmützen, Tropenhelme, Arzt gewänder versprechen beim männlichen Zukunftspartner eine gesellschaftliche Absicherung. Schlank, rank und vollbusig soll demgegenüber die weibliche Idealfigur sein.
Im Sinne einer Ästhetik der klassische modernen Kunst können viele Holzfiguren der Akanvölker wie den Baule, Guro und Senufo mit europäischer Plastik problemlos mithalten und geben umgekehrt am Beginn des 20. Jhdts wertvolle Anregungen an Künstler wie Picasso, Modigliani etc..
Von ganz besonderer Ästhetik sind hier auch die Hirsestampfer der Senufo.
Die lang gezogen geschnitzten lebensgroßen Hartholzpäarchen sorgen im Stampfrhythmus für dieFruchtbarkeit der Felder.

Viele erotisch angelegten Gebrauchsgegenstände zur Ernte auch in Südostasien
wie Betelnussschneider, Reisbündelgeräte und das Königspäarchern in Java schaffen die Verbindung von Funktion, Form und symbolischer Aussage.

Im Rahmen der Kulturwoche in Diedorf wird im Haus der Kulturen eine Ausstellung von 200 Paaren von Mann und Frau gezeigt. Geöffnet ist die Ausstellung am 3. Oktober und gegen Voranmeldung unter 08238/60245 oder 300426 Hr. Mai, Gemeinde Diedorf

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