Wie der Joschi (Schranz) aus Murnau die Politikermasken geschnitzt hat“ (eine Ausstellung im Maskenmuseum Diedorf mit über 30 Karikaturmasken von Josef Schranz aus Murnau)
„Alle sind sie durchgekommen mit dem Zug von der Landeshauptstadt München ins sonnige Werdenfelser Bergland. Alle Politiker , auch unser seeliger Landesvater Franz Josef mehrfach in den 60-ger und 70-ger Jahren. Auch als er dem Altbundeskanzler Adenauer die Zugspitz zeigen wollte. Aber „aus´gstiegen“ sind sie in Murnau meist nicht. Sonst hätten sie dort beim Joschi im Bahnhofskiosk vielleicht „a Wiener mit Senf“ oder gar a echte „Münchner Weisswurscht“ bekommen. Weil der sich da gar so „gfreut hätt“, hätte der ihnen , den noblen Herren vielleicht sogar die „Brezn“ vom Bäcker nebenan „gar no ummasonst“ mit dazu gegeben. Er hätte sie nämlich so „gfreut“, weil er jetzt endlich „noamal“ seine Larven unter der Theke hätte herausholen können , die er nach den Titelseiten der Illustriertenblätter in der langen Zeit zwischen morgens und abends, wo niemand am Bahnhof durchkam, weil dann ja niemand so spät mehr nach München gependelt ist, geschnitzt hat.
Immer wieder hat er es versucht, den Adenauer, dieses ausgemergelte Gesicht, nach der karikierenden Zeichnung auch plastisch hinzu kriegen. Aber immer wieder hat er sich gesagt, daß da noch was viel besser zu machen wäre. Ungeduldig war er halt ein wenig und deswegen hat er jede Maske vom Adenauer auch schon immer gleich angemalt, damit er auch genauso bunt ist ,wie in der Zeitung.. Aber der hat dann doch immer ein wenig anders „ausgschaut“ als auf den Fotos, wenn er ihn dann hin und her gedreht hat zwischen seinen schrundigen Fingern.
Ja der Joschi hat immer schon alle seine Masken selber geschnitzt, keiner hat ihm da was zeigen brauchen. Mit dem einen scharfen Meißel hat er zunächst das „Gsicht“ aus einem der vielen Lindenholzblöcke, die hinten neben dem Brennholz am Kiosk aufgeschichtet waren, herausgeschnitten. Den hat er sich noch selber über dem Schleifstein immer gewetzt und dann hat er ihn mit dem alten Lederriemen, den ihm der alte Friseur geschenkt hat abgezogen. Immer schön tief die Wangenknochen beim Altbundeskanzler stehen lassen und bei den Backen in die Tiefe gehen.
Der lange große Mann aus Köln war noch im Krieg gewesen und ausgezehrt nach Hause gekommen. Wie der „Joschi“, der hat als ihn die Amis gekriegt haben, auch nicht viel zu essen gekriegt. Aber als er dann seinen ersten Holzlöffel für die magere Kost geschnitzt hatte, da wollten plötzlich alle Gefangenen so ein edles Essbesteck. Da schmeckt auch die Wassersuppe viel besser und hält länger aus, wenn man sie nicht einfach in sich hinein schütten muß, sondern mit dem Löffel genießen kann. Da hat er in der langweiligen Zeit in Gefangenschaft immer mehr und besser zu schnitzen gelernt.
Aber eigentlich war ihm das Schnitzen ja auch fast schon in die Wiege gelegt, weiß eine seiner 3 Töchter, die Maria Martin, heute zu erzählen. Der Mutter hat er damals schon als Bub ein „Holzvögerl“ geschnitzt ,das dann so lebensecht aus sah, daß die Oma meinte, man solle das arme Tier doch durch´s offene Fenster in die Freiheit entlassen.
Doch mit dem Adenauer tut er sich doch etwas schwerer. Mit einem abgebrochenen und als Kerbschnittklinge neu zu geschliffenen Küchenmesser hat er dann die vielen Runzeln ins Gesicht geschnitten, die Sorgenfalten des Altkanzlers. Dann ging es an´s Aushöhlen: Nachdem er früher oftmals so eine Maske ruiniert hatte und dann ganz totunglücklich war, weil er mit seinen schlechten Eisen einfach innen zu viel herausgeschnitten hat und man durch die Maske dann einfach durchsehen konnte, hat ihm ein reicher Sponsor dann doch aus der Amalienstraße in München, da wo die ganzen Geschäfte für die Studenten an der Kunstakademie sind, so ein echtes Bernereisen, so ein teures Hohleisen mitgebracht und damit schneidet er das harte Lindenholz wie Butter raus aus der „Lorven“. Dabei hält er Maske nur zwischen den Knien und Schenkeln,die er fest zusammen presst, so daß die Maske nicht aus kann, wenn er aus ihrem Inneren die Holzspäne heraus schnellen läßt.
Der „Joschi“ braucht keinen „Klüppel“, keinen Holzhammer. Nur mit der Kraft seiner rechten Hand schält er die Späne ab, während seine Linke für die richtige Drehbewegung sorgt. So geht´s viel leichter. Wenn man das mit der Drehbewegung mal raus hat, ist Schnitzen ein Kinderspiel. Der Physik-lehrer aus der Landeshauptstadt, der hier immer in Sommerfrische ist wegen seiner Raucherlunge, hat ihm das mal erklärt , dem „Joschi“: Arbeit ist Kraft mal Weg und gesagt, daß die Messerschneide so einen längeren Weg gehen muß und so auch weniger Kraft gebraucht wird. Verstanden hat er das so nicht ganz, aber funktionieren tut es nur so halt wirklich gut. Und deswegen hat er den Adenauer jetzt auch schon ausgehöhlt.
Jetzt fehlt nur noch die Bemalung und die Löcher für den Hosengummi, den man dann hinten am Kopf schon erst etwas ausgedehnt und dann zusammen bindet, damit die Maske nicht vom Gesicht fällt. Die brennt er sonst immer mit einem heißen Nagel heraus grad bei den Ohren, den er auf seiner Gaskochplatte für die „Würschtl“ glühend erhitzt Das läßt er aber für heute sein und läßt die Maske unter die Theke rollen.
Viel lieber würde er jetzt heute noch den Strauss versuchen. Da ist so eine Karikatur auf der Titelseite im Spiegel. Da hat der Franz Josef so ein breites Gesicht und große abstehende Ohren...so ein richtiger rotzfrecher Lausbub eben wie der Franz Josef, der die anderen Politiker aus dem Norden und Preißen immer wieder zur Sau macht. Freiheit statt Sozialismus hat er gefordert, als er gegen den Schmidt als Kanzler kandidiert hat. Deswegen haben die Sozis und Studenten ihn dann immer gleich als Nazi beschimpft, unseren Landesvater.
Der Joschi hört aber jetzt den Pendlerzug aus München kommen. Es ist doch schon wieder schnell abend geworden. „Dann eben morgen „denkt er. Da war ja auch noch die „Callas“, die er gerne mal aus Holz lebendig machen würde, obwohl er sich an Frauen sonst nicht so hin traut. Da gibt es weniger an Falten für sein Kerbschnittmesser rein zu schneiden. Das wird es wohl vor Allem sein, denkt er für sich.
Der Zug ist eingefahren. Die Reisenden stellen sich gern noch ein bisschen an sein Kioskfenster, wenn sie müde aus dem Zug steigen. Der Joschi ist immer ganz gespannt, was sie so in München erlebt haben, obwohl sie ja jeden Tag meist doch das gleiche tun müssen... tauschen möchte er da nicht, denkt er sich da immer. . Wenn sie bei einem Bier oder einem Jägermeister bei ihm an seiner „Bar“ stehen, dann erzählt er ihnen auch gerne, was er im „Stern“ oder im „Spiegel“ gelesen hat und zeigt ihnen den Adenauer. Vielleicht können sie ihm ja da auch ein wenig weiterhelfen, wenn er sich morgen den Franz Joseph vor nimmt. Zu irgend was muß das ja gut sein, wenn man jeden Tag nach München fährt, wo die Politik gemacht wird, wo er hier in Murnau noch keinen Politiker wirklich zu Gesicht bekam, der Joschi.
Nachsatz: Ich habe den Joschi am Bahnhof in Murnau zwar noch selber kennen gelernt, als ich als 18-jähriger vor 40 Jahren im dortigen Unfallkrankenhaus meinen Friedensdienst bei den Querschnittgelähmten ab geleistet habe. Kunst wollte ich ja vielleicht auch schon damals studieren , oder Medizin, weil ich den Leuten im Krankenhaus gerne allen geholfen hätte. Aber der Joschi war mir einfach mit seiner „Kunscht“ nicht modern genug, so daß wir nicht viel mehr als ein, zwei Worte mit einander geredet haben. Und so habe ich mir einiges einfach nur so zusammen „gedenkt“. Er hat auch nicht gemeint, daß er ein „Künschtler“ sei, so ein Akademiker. Aber ein prägender Mensch in meinem Leben ist er wohl schon gewesen, weil ich heutzutage immer noch auf der Suche nach solchen aktiven älteren Schnitzern und ihren Masken bin und viel im Alpengebiet herumreise und in die hintersten Täler schaue, um aus der Erfahrung von so Menschen wie dem Joschi heraus etwas zu lernen, zu bewahren und für unser Museum aufzuschreiben. Michael Stöhr