Vom Ursprung des Theaters in der Tiernachahmung
„Roinga woanga doing“, röhrt das Didjeridoo, schnattert: “wa-wa-doang”.
Der bis auf die Bemalung und einen Schurz nackte Bläser wiegt sich im Takt der Melodie. Er hat beide Arme gebeugt dabei an den Körper gepresst, hebt und senkt sie wieder wie Flügelstummel. Er versucht musikalisch, den Ruf des Trompetenvogels aus dem Hintergrund anderer Urwaldgeräusche im Dschungel Nordaustraliens heraus zu lösen und mit seinen Körperbewegungen das aufgeregte Flattern des Tieres nach zu ahmen.
Der Körper ist mit schwarzem, weissen und rotem Lehm bemalt und mit Federn beklebt. Masken gibt es bei heumziehenden Jägern und Sammlern keine.
Ein anderer Tänzer umrundet ihn, ein Schwirrholz unter den Arm geklemmt, auf dessen rauer Oberfläche er mit einem anderen Hartholzstück schnelle rhythmisch schabende Geräusche erzeugt. In tief gebückter Haltung in wiegendem Schritt mit am Kopf angelegtem freien Oberarm und abgewinkelter Hand imitiert er hiermit den bedächtig schreitenden Kasuarvogel mit seinem straußenähnlich langen und abgewinkelten Hals und dem kleinen Kopf. Mit den derben Klauen der langen staksigen Beine schart das Tier dabei im Urwaldboden.
Mit dem Nachahmen von Geräusch- und Bewegung wird dem Verhalten der dargestellten Tiere Achtung erwiesen. Man bittet sie um Verständnis für die bevorstehende Tötung zum Wohl des Stammes und dem Kreislauf der ganzen umgebenden Natur. Ein Jäger mit Speer pirscht sich im Hintergrund vorsichtig und geräuschlos heran.
Mitten in der trockenen Sahelzone im Süden Malis haben sich Tänzer der Dogon um den großen Platz inmitten des Dorfes versammelt. Der für die Aussaat so wichtige Regen blieb seit Wochen aus. Sie tragen einfache, fast abstrakte Masken mit einem hohen Aufsatz, der an den Körper der Kuhantilope erinnert, die sie eigentlich darstellen wollen. Mit staksigen Schritten umrunden sie den Platz, schütteln wild den Körper im Rhythmus der miteinander kommunizierenden Trommeln. Tief bücken sich die Maskierten hinab zum Boden, bis der Aufsatz den Boden berührt. Gewinkelt sind dabei auch die Arme, so als wolle die Antilope sich wie zum Trinken auf die gebeugten vorderen Gliedmaßen niederlassen. Mit schnellen Hin-und Her-bewegungen des bewehrten Kopfes wirbeln die Tiertänzer große Massen trockenen Staubs in die Luft. Die „Antilope“ scharrt in der ausgetrockneten Erde mit den Hufen nach Wasser und verwendet dazu auch Ihre Hörner. Wird der Regen kommen?
„ Andra moi enepe musa, hos mala polü eplanchton“ so holpert das Versmaß bei Homer durch die altgriechische Erzählung vom trojanischen Krieg (Nenne mir den Mann, Muse..). Der Chor gibt sich alle Mühe, die schier endlose Folge an „Daktylen“ (kurz-kurz-lang wie die Fingerglieder) und „Trochäen“ (lang kurz-lang-kurz) in halbwegs melodiösem Singsang und stark rhythmisch geordnet wieder zu geben. Kaum ein „Rapper“ unserer Zeit hätte sich mit seinen gehackten schnellen Sprechgesängen ganz in den vielfältigen Rhythmusregeln und Lautmalereien der Antike zurecht gefunden.
Theaterspiele wurden zu Ehren des griechischen Gottes Dionysos (röm.:Bacchus) abgehalten. Dessen Aufmerksamkeit, und damit wohl auch Anteil an seinem ewigen Leben, konnte man durch die Ekstase ( das „Ausflippen“ zum Erlangen neuer Erkenntnisse mit Wein und anderen Drogen) erlangen. Das heilige Tier des Dionysos war der Widder und so waren denn auch die Diener und Gefolgsleute im Ehrenumzug des Dionysos, halb menschliche, halb tierische Wesen, die Satyrn. Mit Bocksbeinen , Widder- oder Ziegenhörnern, zottigem Fell wurden sie auch auf Vasen und Steinreliefs dargestellt. (Im Bemühen solch naturnahe Darstellung wie in der antiken Kunst wieder zu erlernen und gleichzeitig die alten Wiederauferstehungskulte abzuwerten, entdeckte das Mittelalter diese Mischwesen, die zu allem Überfluss auch noch ekstatisch lustvoll übertrieben einen riesigen Phallus trugen….und hatte endlich ein überzeugendes Bild für den Teufel gefunden).
Nicht nur bei den lustvollen und freudig erregten Umzügen an den Ehrentagen zu Ehren des Gottes der Ekstase durch die Stadt und hinaus aufs Land, um die Fruchtbarkeit auch auf die Felder zu bringen, wurden Satyrmasken getragen. (Auch unsere Fronleichnamsumzüge gehen ursprünglich freilich auf ähnliche römische und keltische Fruchtbarkeitsriten zurück, sicher aber auch mancher beschwippste Vatertagsausflug). Das fröhliche lärmende tanzende und singende Herumziehen über die Felder mit Masken und allerlei anderer Verkleidung gab der Komödie Ihren Namen (komos= griech.: Umzug,Lauf und odos: Gesang, Lärm) Aber auch der Chor im griechischen Theater der Tragödie trug oftmals Widdermasken (Tragos= griech.:Widder). Die Tragödie meint damit zunächst den Bocksgesang des für die Erzählung wichtigen Chores, der klagend die menschliche Schicksalsgebundenheit und die scheinbar ungerechten Handlungen der Götter bejammert.
Den Schauspielern selbst wurde erst später mit einem charakterisieren bunt bemalten Maskenkopf, den man auch in den hintersten Reihen noch genau einer Rolle zu ordnen konnte, die unterschiedliche Identität zu gedacht. Große Mundöffnungen sollten den ganz ohne elektronischen Verstärker übertragenen Sprechgesang bis in die obersten Sitzreihen des gerundet gebauten Amphitheaters sowohl bei Griechen wie bei Römern übertragen. „Personare“ (Durchtönen, Ton verstärken) wurde lange Zeit als plausibler Wortstamm von Persona (der Theaterrolle, Persönlichkeit des Schauspielers) angesehen. Tatsächlich kommt der Begriff wohl von „Persen“, einem etruskischen Totengott, zu dessen Ehren und im Andenken an Verstorbene Theater gespielt wurde.
Totengedenkfeiern, bei denen Verwandte oder Schauspieler Abbilder des Toten, auch deren Totenmasken oder gar übermodellierte Gesichtschädel vor dem eigenen Gesicht trugen und so den Toten quasi zum Leben erweckten und an den Feierlichkeiten teilnehmen liesen, kennt man in dieser Form schon seit der Jungsteinzeit (mit den Steinmasken aus Palästina), spätestens mit der Beschreibung der Pompa funebris aber vor Allem bei den Römern. Aus den menschlich typisierenden Maskenformen des antiken Theaters in Unteritalien entwickelte sich über die Jahrhunderte die Maskencharaktere der Comedia dell arte
„ Quamvis sunt sub aqua, sub aqua maledicere possunt“ (obwohl sie unter Wasser sind, können sie unter Wasser trotzdem noch weiterlästern) wird im römischen Theater das ewig nörgelnde Verhalten des Senats mit dem Lied der quakenden Frösche verglichen.
Liegt in der Nachahmung unserer tierischen Brüder und Schwestern, um sie mit ihrem Schicksal ohne Hass auf uns Menschen zu versöhnen, der Ursprung des Theaters?
Ab dem 1. Mai 2022 wird am Haus der Kulturen und internationalen Maskenmuseum in Diedorf bei Augsburg eine Ausstellung mit Theaterpuppen aus allen Weltkulturen gezeigt. Die Vernissage beginnt um 11.00 Uhr im großen Ausstellungsraum im 1. Stock des Museums. der Eintritt ist frei, Sie sind herzlich eingeladen!
Bürgerreporter:in:Maskenmuseum Michael Stöhr aus Diedorf |
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