Vom Fasching und den anderen Maskenbräuchen in Europa
Das Maskenbrauchtum in Deutschland
Das Leben der Menschen in Mittel- und Nord-Europa wurde - für uns fast unvorstellbar - aussergewöhnlich stark vom Jahresablauf bestimmt. Da gab es Zeiten erfüllt mit durchgehend schwerer Arbeit und kaum Muße dafür aber voller Lebenslust im Frühjahr und Sommer und Zeiten der Ruhe und Besinnung mit viel mehr Zeit weil weniger Arbeit, dafür aber auch Entbehrung, Tod und Trauer besonders dann im Winter. Gerade diese freie Zeit zum Nachdenken im Winter, die Angst um´s existenzielle Überleben schafft Gelegenheit für Maskenbräuche.
Immer waren diese Maskenläufe im Winter auch Rituale zur Umverteilung von Nahrungsmittelreserven.
Für die arme Bevölkerung war es notwendig, von etwas wohlhabenderen Bauern durch Spiel und Unterhaltung Speisen und Geschenke zu erbetteln .
Auch von der Kirche wurde ja das Mitleid mit den Hungernden und Spenden geben als Tugend gut geheissen.
1. So findet man schon an St. Nikolaus am 5. Dezember abends , daß der Heilige und seine Begleiter mit einem Sack voll länger haltbarer Speisen von Haus zu Haus geht. Natürlich waren dies Nüsse, Äpfel, Birnen, Küchlein, die länger haltbar waren. Die Masken der bösen Krampusse (Teufeln) solltten pädagogisch abschreckend zum guten Weg in der Gemeinschaft erziehen. Verteufelt wurde mit diesen Masken im Christentum vor Allem der Mithrasstierkult und der Kult um Dionysos (dem Gott der Trunkenheit) und Pan, dem Ziegenköpfigen, beides Wiedergeburtsreligionen.
2. Nach Weihnachten, wenn die Winterstürme besonders unruhig grollten, die Wintervorräte zu Ende gingen und der Jahreswechsel schon auf das nahende Frühjahr hoffen lies, war die Zeit der doppelgesichtigen Götter . Im römischen Kalender läßt Janus das Jahr beginnen. Die Göttin Perchta und Ihre Gefolgsleute vertreiben die alten bösen Wintergeister und läuten als jugendliche Schönperchten das Neue Jahr ein.
3. Sehr viel vielschichtiger und aus langer Geschichte gewachsen ist als drittes Masken tragendes Ereignis die Zeit vor der Fastenzeit: Die Fasnet, der Fasching, der Karneval, viele Namen für die gleiche Zeitspanne mit regional unterschiedlicher Ausprägung. Kein Wissenschaftler hat hier mehr zusammenhängend geforscht als der Rottweiler Prof. Mezger. Es ist nahezu unmöglich, hier etwas zu erzählen, was nicht von ihm vorher schon einmal formuliert gewesen wäre. So muß ich mich hier beim Vortrag im Wesentlichen mit fremden Federn schmücken:
Anklänge lassen sich nach Mezger zwar im Langobardischen Totenbrauch , bei alpenländischer Winteraustreibung, südtiroler Vegetationsbrauchtum und bei den römischen Saturnalien und Bacchanalien finden. Diese erklären die Fastnacht aber niemals wirklich schlüssig. Tatsächlich ist die fünfte Jahreszeit eben nichts mehr als die kurze Zeit und die Nacht vor der Fastenzeit. Mezger nennt als Synonym den niederdeutschen Begriff „Fastelovend“ und den Karneval, den er nicht nur , wie gewohnt, aus dem Scherzhaften carne vale (Fleisch lebewohl), sondern aus dem kirchenlateinischen carnislevanem (Fleischwegnahme) und der Weiterentwicklung, carne levare und dem Zungen freundlichen carne levale herleitet. Ebenso erinnert Fasching an das bayrische Faschank (Fastentrank- Fastenauschank).
Vor der Fastenzeit wurde noch einmal ausgiebig Nahrung aufgenommen. Es wurde von den Reicheren noch einmal geschlachtet und alles später Verbotene wie Fett, Fleisch, Eier, Milch, Butter, Käse in größtmöglicher Menge verzehrt. Alles Überflüßige wurde verschenkt. Auch Bettlern und Tagelöhnern wurden Reste großzügig gegeben. Aus diesem Grunde gab es wie zu anderen Wintergelegenheiten auch hier jetzt aber nach den Entbehrungen des Winters verstärkt wieder Bettelgänge. Die Maskierung erfolgte einmal wohl aus Scham(?) wie in anderen Kulturen (z.B. in Timor) oder vor Allem um durch unterhaltendes Maskenspiel die Spendefreudigkeit anzuregen. Zu diesem einfachen Dorfbrauchtum gesellten sich nach Mezger ab dem 14. Jhdt. bald Spiel und Schaubräuche, dann städtische Umzüge und weltliche Theateraufführungen, eben die Fasnachtsspiele. Um ein Ausufern zu verhindern, wurden strenge Fasnachtsordnungen festgelegt, wiewohl man diesem gesellschaftlichem Ventil läuternde Funktion zubilligte. In der geistlichen Überschau wurde zwischen Fasching und Fasten ein antithetisches Verhältnis wie zwischen Gott und Teufel erkannt und gepflegt.
Augustinus hatte schon in seiner Zwei-Staaten-Lehre eine civitas diaboli einer civitas dei gegenüber gesetzt. Durch dieses übergeordnete Geistesgebäude bekamen die Sünden des Karneval notwendiges Gegenstück und notwendige Vorerfahrung zur Erlösung durch das Fasten.
Ab 1450 prägte sich auch ein immer klareres Figurenrepertoire in der Maskierung aus. Wie Mezger meint, hat es sich eher unabhängig vom Repertoire der Figuren der Comedia dell Arte in Italien entwickelt. So war wohl im italienischen Carneval die Figur von Teufel, Tier und Hexe unbekannt. Teufelsmasken waren auch im Kirchenspiel (zum Beispiel dem Nicolospiel) bekannt und konnten zur Faschingsverkleidung ausgeliehen werden. Tierfiguren waren oft als Personifikation der Laster archiviert. Gerade als Kultfiguren alter Götter konnten Bär, Eber, Hirsch etc. aber als Ausgeburten des Bösen präsentiert werden . Neben diesen extremen Schreckmasken waren es wohl auch alle Fremden und im Dorfleben Auffälligen, die Anlass zu Furcht oder dann vor Allem auch Spott gaben: Allen voran sicher der Wilde Mann, der ungepflegte Mensch aus dem Walde , der ausserhalb der Dorfgemeinschaft lebte. Aufällig aber weniger gefährlich auch das alte Weib und der Dorftölpel. Unbekannte Besucher des Dorfes wie wanderende Verkäufer, Zigeuner, Mohren, Türken, Juden und später die Soldaten Napoleons scheinen Anlass zu Maskenkostümen und Schrecklarven gegeben zu haben. Viel andererseits scheint durch Barockkünstler aus Oberitalien eingeführt und bei den anderen menschlichen Maskentypen, vor Allem den Narren und dem Alten (Schantle) aus der italienischen Volkskomödie entlehnt worden zu sein. Gerade die Figur des Narren ist so vielgesichtig und stammt aus so unterschiedlicher Entwicklungsstufen, daß wir Sie an anderer Stelle vorstellen. Interessant bei Ihm , in seiner jugendlich glatten Gesichtsform, das Mehrdeutige. Fast verführerisch feminin mit seinem verlockenden Lächeln wird er sehr bald ab dem Manierismus zum Sinnbild für Falschheit und Heuchelei. Seine Maske wird als Zeichen des vergänglichen Spiels zum Symbol des Vergänglichen .
Fastnacht ist trotz all dieser Hintergründigkeiten eine äußerst lebendige und fröhliche Feierlichkeit, eine intensive Erfahrung dichtgedrängter Gemeinsamkeit.
Ihr Sinn scheint vor Allem darin zu liegen, dem Alltag für ein paar Tage völlig entfliehen zu dürfen. Durch die Maskierung gelingt es, sich hinter der Maske unerkannt und somit ohne gesellschaftliche Konsequenzen für mögliches Fehlverhalten bewegen zu können. Die Maske verschafft scheinbar zunächst uneingeschränkte Freiheit. Das Mädchen am Straßenrand des Umzuges kann und will ohne Konsequenz umarmt werden. Der Prominente, ja auch der unbeliebte Chef nimmt es strahlend hin, wenn er vom Maskierten geduzt und sogar fröhlich beschimpft wird. Dieses althergebrachte Rügerecht kann von Saturnalien und Narrenberuf hergeleitet werden. Der Maskierte muß auf seine soziale Rolle keine Rücksicht mehr nehmen. Unerkannt ist ohne Hinsicht auf Herkunft, Beruf, Intelligenz oder Bildungsstand jeder gleich.
Kommunistischer Idealstatus für ein paar wenige Tage .
Bürgerreporter:in:Maskenmuseum Michael Stöhr aus Diedorf |
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