"Über Stock und Stein" - eine Ausstellung mit figürlich beschnitzten Gehstöcken und Würdestäben aus Afrika und Europa im Haus der Kulturen Diedorf

Fante Ghana, Sprecherstab mit Leopard
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Der sprechende Stab.
Der alte blinde Mann , der da gebückt und auf seinen Krückstock gestützt zum Versammlungsplatz geführt worden war, wurde ehrfurchtsvoll von den meist jüngeren Männern unter das schützende niedrige Dach der Toguna geführt. Einer der wenigen niedrigen Hocker wurde zu ihm weitergegeben und er wurde gebeten, dort Platz zu nehmen. Die Anderen saßen auf niedrigen Steinen oder ganz auf den Boden gekauert.
Die Toguna, das war der Beratungsplatz der Ältesten im Dogon-dorf Bandiagara im Süden von Mali.
Jedes Jahr wurde auf das niedrige Dach, welches nur ein Sitzen und kein Stehen ermöglichte, eine neue Lage aus den dürren Büschen im Tal über die alte Bedeckung gelegt und zurecht gedrückt. Bald würde man nicht mehr erkennen, ob nun das Dach oder der Platz darunter eine größere Ausdehnung hätten. Die dicken knorrigen Pfosten auf denen das Dach ruhte, waren mit mythischen Tieren, den alten heldenhaften Vorfahren und Fruchtbarkeits-symbolen beschnitzt.
Manche sagen ja, daß das Dach der Toguna so niedrig sei, damit alle, die unter im Platz finden, allein durch Ihr Wissen und Ihre Rede und nicht durch ihre Körpergröße die Achtung der anderen finden.
Sitzend unter dem Dach der Toguna waren alle wirklich gleich in ihren Rechten und Pflichten. Nun wie immer allerdings nur fast alle, denn nur dem ehrwürdigen und blinden Hogon, dem Ältesten im Rat, gerade dem oblagen viel mehr Pflichten als allen anderen. Er mußte sich soweit er verheiratet war , von seinen Frauen trennen, , um sein ganzes Leben der Gemeinschaft widmen zu können, durfte am Tage nicht aus seinem Haus heraus, damit die Sonne ihm nicht das Gehirn verbrennen konnte, und durfte nur fest vorgeschriebene einfache Speisen und Getränke zu sich nehmen, damit ihn beim Nachdenken nicht die Luft im Bauch beeinträchtigen würde. Das Essen war eintönig und wenn man so wie der Hogon auf die wohlschmeckenden kleinen Zwiebeln verzichten mußte, für deren Anbau die Dogon berühmt sind, dann fiel diese Enthaltsamkeit zum Wohle der Allgemeinheit schon wirklich schwer.
Hier in der Sahelzone, wo der jährliche Regen manchmal nur alle 2 oder 3 Jahre die ausgestreute Hirsesaat und die kleinen Zwiebelsetzlinge zum Keimen und Gedeihen brachte, da gab es immer wieder nur eine einzige ganz wichtige elementare Entscheidung zum Wohle der Allgemeinheit zu fällen.
Nur einmal im Jahr hing so furchtbar viel von der richtigen Entscheidung ab, dann, wenn es galt, aus der Erfahrung mit den beobachteten Wettersignalen den genau richtigen Zeitpunkt für die Aussaat zu bestimmen. Fielen die Anzeichen für die kommende kurze Regenzeit zweideutig aus oder konnte man auch beim Fuchsorakel keine sicheren Schlüsse finden, so mußten die Männer eben mehrere Abende lang beraten und den richtigen Zeitpunkt für das Dorf heraus finden.
Beim Fuchsorakel werden vorgeschriebene Muster wie bei einem Kinderhüpfspiel auf den sandigen Boden gezeichnet und mit kleinen Steinen und Ästchen bedeutungsgebend markiert. Dann werden bei Tagesende am Ende des gezeichneten Labyrinths Leckerbissen wie geröstete Erdnüsse und Baobab-samen für den Fenek, den langohrigen Wüstenfuchs, aus gelegt und der nächste Morgen ab gewartet. Der Fuchs wird kommen, um den Ältesten mit seinen Pfotenabdrücken bei diesem Orakel klugen Rat mit zu teilen.
Nun es war ein ganz junger Fuchs gewesen und anhand seiner Pfotenabdrücke konnte man sehen, daß er sich seiner Sache noch gar nicht sicher war.
Die jüngeren Männer im Ältestenrat, die bereits in das Deuten der Orakel eingeführt worden waren, schilderten dem blinden Hogon genau jede Einzelheit, die sie aus den Abdrücken abgelesen hatten.
Dieser schüttelte während der Aufzählung immer wieder den Kopf abwägend mal in diese oder in jene Richtung, manchmal die Beobachtungen der anderen durch ein kurzes Nicken oder ein paar wenige Worte bestätigend. Nein, wie es schien, hier hätte ihm auch die Sehkraft seiner ehemals scharfen Augen, die er jetzt durch die Flußblindheit verloren hatte, früher nichts anderes aufzeigen können: Die Zeichen waren nicht eindeutig genug und so wandte er sich nun anderen Überlegungen zu. Wie der Flug der Falken gewesen sei, richtete er an die Jüngeren die Frage, sind sie senkrecht vom Himmel gefallen und dann am Boden geblieben oder nur im ergebnislosen Gleitflug ihrer Beute, den Springmäusen nach gejagt? Ob die jungen Männer in letzter Zeit im Umkreis des aus getrockneten Flussbettes Antilopen gesehen hätten, wollte der Alte auch wissen. „Was haben sie gemacht? Habt Ihr bei ihnen Staubwölkchen bemerken können, die entstehen, wenn sie mit ihren Hufen im Sande nach möglichem Wasser scharren ?“ Bei der Antwort wurde der alte Mann plötzlich ganz unruhig und nickte bedeutungsvoll immer wieder heftig mit dem Kopf. Er holte mehrfach tief und lange Luft und hielt den Atem gedankenverloren und prüfend längere Zeit an, dann fuhr er sich mehrfach mit der Zunge über die dünnen Lippen, hielt immer wieder nachsinnend inne.
„ Ja“, sagte er dann nach einer Weile leise aber entschieden. " Ja", sagte er, " ich denke, auch die Wüstenluft riecht schon nach Feuchtigkeit. Könnt ihr Jungen das denn nicht auch riechen, Ihr die ihr ja doch noch die ganze Sehkraft eurer Augen habt? "
"Morgen werden wir mit der Vorbereitung der Felder anfangen."
Der Hogan hatte gesprochen.
Wie um seinem Entscheidungsspruch auch noch das richtige Gewicht zu geben, fast aber auch so, als wolle er dem Allweisen da oben deutlich machen, ja ihm fast schon drohen, er solle sich doch auch ja an seine Versprechen halten, die er den Dogon, durch seine Boten offenbart hatte, reckte er seinen kurzen Stab,den Sprecherstab, der ihm noch beim Weg unter die Toguna nur als Krückstock gedient hat, jetzt weit hoch bis unter das schwere Dach des Versammlungsplatzes und schüttelte ihn wild. Dann wurden die Bewegungen des Stockes langsamer fast passend zu den Taktschlägen eines imaginären Tanzes oder den rythmischen Bewegungen beim Aufhacken der harten Laterit-bodenkruste. Schlieslich reckte sich der Stab nur mehr ruhig nach oben, vorwärts, zielgerichtet wie ein Wegweiser.
Man konnte sich wirklich auf die Erfahrung des Hogon verlassen: Jeder konnte das ja schließlich ganz genau sehen:
Auch wenn man hier schon seit Urzeiten kein Großwild mehr gesehen hatte, jedermann auch die Kinder und Frauen konnten jetzt gar deutlich zwei fein und überzeugend dargestellte Tiere auf dem Würdestab erkennen: Den Löwen, der als Knauf diesen Sprecherstab krönte und die Python, die sich entlang des Stabes nach oben wand. Der Hogon hatte den Mut und die Entschlossenheit eines Löwen und die Gerechtigkeit und Zielstrebigkeit einer Schlange auch dieses mal wieder unter Beweis gestellt.
Der Hogon hatte so entschieden.
Der Regen würde kommen.

Die Ausstellung mit circa 100 figürlichen Stäben und alten Steinfiguren aus Afrika und anderen alten Weltkulturen ist am Abend ab 17.00 Uhr zu besichtigen(nur bei telef. Voranmeldung 08238/60245). Meist kann ich allerdings innerhalb von 5 Minuten am Museum sein. Während des Monats August vertritt mich bei Führungen der Künstler, Kunst- und Theaterpädagoge Rainer Braune T.:0821/991740, der allerdings aus Hainhofen erst zum Museum radeln muss.

In Vorbereitung ( und schon in Teilen zu sehen): Eine Ausstellung , die beginnend bei der VHS Taufkirchen und im Großraum München unterwegs sein wird:
"Gut essen - leere Schüsseln".
Eine Ausstellung mit Mahlsteinen, Hirsestampfern, Maniokpressen, Kokosraspeln,vielen Holzlöffeln und leeren Schüsseln aus alten Kulturen von der Steinzeit bis zu den Naturvölkern heute.
Ab 3. Oktober eröffnen wir im Rahmen der Kulturwochen Diedorf die Ausstellung: 1+1=1 (ein Paar!) - Mann und Frau in Figuren der Naturvölker.
( Ergänzt wird die Ausstellung durch Exponate zum Zwillingskult und zur Zwillingsangst vieler Völker).

Bürgerreporter:in:

Haus der Kulturen michael stöhr aus Diedorf

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