Thaufkirchen - Ausstellung Maskenmuseum - Einführungsrede: das andere Gesicht
Einen schönen, angenehmen und interessanten Abend wünsche ich Ihnen meine lieben Anwesenden..
Gerne möchte ich Sie alle gemeinsam ganz herzlich zur Ausstellungseröffnung: "Die Maske das andere Gesicht - Brauchtum der Alpenländer" der Volkshochschule Taufkirchen willkommen heißen.
Diese Ausstellung mit Exponaten des internationalen Maskenmuseums Diedorf ist bis zur ersten Aprilwoche in den Räumen der Vhs zu den normalen Öffnungszeiten zu sehen, geht dann als Wanderausstellung an die Vhs. Haar und an weitere Plätze im Umkreis von München.
Nun eigentlich bin ich kein ganz so an öffentlichen Auftritt gewohnter Mensch. Ich muß gestehen, recht oft möchte ich mich bei solchen Gelegenheiten fast schon ein wenig verkriechen, möchte mich hinter einer Schutzmaske verschämt verstecken.
Hier in den großzügig und gemütlich eingerichteten Räumen der Vhs haben meine Masken ein herrliches Ambiente und vorzügliche Präsentation gefunden.
Ich selbst fühle mich als Wanderer fernab aller zivilisierter Welten ganz ohne Lebensstandards und Komfort oft mehr zu Hause . So bin ich halt auch viel lieber auf Reisen als bei regelmäßigen Führungen im Museum in Augsburg-Diedorf. Auf Reisen kann ich wieder Neues in Erfahrung bringen.
Ich höre eben so honorablen und erfahrenen Menschen in fremden Kulturen dann lieber gerne mal aufmerksam aber eher schweigsam zu, als immer das Gleiche zu viel und lang erzählen zu müssen.
Aus Ihrem Kulturzusammenhang heraus genommen hat nun natürlich aber auch jede unseren 6000 Masken im Museum ihre ganz einzigartige Geschichte.
Deshalb bieten wir es unseren Besuchern sehr gerne auch an, eine Führung zu bestimmten Interessenbereichen ganz spontan und unangemeldet zu gestalten und sie dabei in individuell ganz unterschiedliche Bereiche des Maskenbrauches in anderen Kulturen ein zu führen.
Nun hat Herr Rottenkolber diese interessante Ausstellung mit so vielen, so hervorragend recherchierten Texten und so übersichtlich und ästhetisch aufgearbeiteten Informationstafeln bestückt, daß hier zu den ausgestellten Larven von mir auch kaum etwas zu ergänzen wäre.
Was mache ich nun?
Ich werde Ihnen ein wenig von 2 hierher mitgebrachten Masken aus Indonesien erzählen und versuchen hier einen Bogen über die Kulturen zu unserem Maskenbrauch zu machen.
Soll ich Ihnen mit meinen Masken vielleicht auch ein bisschen etwas vorspielen.
Soll ich etwas Mummenschanz machen, Narreteien zeigen,
ein kleines Maskenspiel aufführen?
Das ist ja nun auch eigentlich das aller Wichtigste, daß Masken für die Bewegung gemacht sind und nicht dafür, im Museum und in einer noch so schönen Ausstellung zu schlummern.
Rollenspiel ist ja die andere der beiden wichtigen Aufgabenbereiche beim Maskenbrauch. Theaterspiel ist ja auch das Spiel mit möglichst ausdruckstarken Masken, deren Mimik dem Zuschauer eine bestimmte Person, ein mythisches Wesen oder gar eine Gottheit lebendig machen kann.
Mitgebracht als Beispiel solcher Rollenspielmasken aus anderen Ländern habe ich aus unserem Museum die Maske eines mythischen Göttervogels aus Borneo.
Dieser Bote der Götter steht irgendwo zwischen der Vogelgattung des Nashornvogels ( dem Kalao) und dem göttlichen Reitdrachen Garuda, wie er auf einigen anderen indonesischen Inseln , zum Beispiel in Java und Bali genannt wird.
Die Farben Schwarz, Rot und vor Allem Weis symbolisieren ihn in dieser Maske als Todesboten, als Seelenfänger und Begleiter der Verstorbenen in die Anderswelt.
Trotz dieser bedrohlichen Bedeutung im Maskenauftritt erweckt die Maske einen eher lustigen Eindruck, da sie mit den ungelenken Kletterbewegungen und dem stolzierenden Gang des Kalao kombiniert wird.
Denkt man als Dorfbewohner Borneos bei solchen stolzierenden wackligen Gehbewegungen gerne auch an das hochnäsig staksende, aber auch etwas hinkend und ungelenk bedächtige Vorwärtswatscheln alter Dorfvorsteher, so soll wohl diese Maske auch etwas lustig Karikierendes und indirekt Belehrendes haben.
Wenn der Maskenträger auch noch versucht, sich mit seinen Flügelstummeln zu artikulieren und den Kopf nachdenklich oder neugierig hin und her wendet, ist die Persiflage, ist das Rollenspiel dieses in den Dorfältesten verkörperten klugen Vogels fast schon perfekt.
Nun hat jede Maske aber auch Ihre Rückseite und damit die eingangs erwähnte zweite Bestimmung und Funktion:
Wer sich hinter der Kalaomaske versteckt , hat in der Schutzfunktion der Maske ja aber besonders auch die Möglichkeit, unerkannt die Honoratioren nachzuahmen und zu verspotten.
Nur in der Verkleidung ist es möglich, den Dorfältesten, den VIP-s, wie man bei uns sagen würde, ungeschminkt die Meinung zu sagen, und auch darin findet sich natürlich auch zu uns hier in unseren alten Faschingsbräuchen in Europa dann eine wichtige Brücke.
Noch viel mehr aber sind gerade diese Schutzmasken dazu da, wie eingangs schon vorgemacht, um sich vor dem Gesehen werden zu verstecken.
Mitgebracht wiederum aus dem indonesischen Raum , ganz am anderen Ende des Archipels gegenüber von Borneo , nämlich aus Timor habe ich als zweites Beispiel diese unscheinbare Maske mit Holzgriff.
Gerade diese Art von Masken hat im Gegensatz zu den expressiven Masken des Rollenspiel eine kaum auffällige , kaum ausgestaltete Vorderseite. Denn nur so bleibt man unerkannt.
Die Maske ist nicht extrovertiert nach außen gerichtet, sondern soll dem Träger erlauben, sich ganz klein auf sich selbst zurückzuziehen.
Sie wird im Falle einer Mißernte, bei persönlicher Armut von einem Familienmitglied, meist dem Familienvater, aufgesetzt , um beim vielleicht noch etwas bessere versorgten Nachbarn, um Speise zu bitten.
Man schämt sich natürlich vor Allem, daß man das Betteln überhaupt nötig hat, weil man sich ja selbst für die Mißernte verantwortlich macht.
Unerkannt vermeidet man damit aber auch vielleicht, daß eben jener Nachbar sich das Erbettelte bei eigener Mißernte wieder vielfach zurückholen könnte.
Der Griff macht es möglich, die Maske schnell hochzuhalten, um sich dahinter zu verstecken, ohne sie beim unangenehmen Bittgang dauernd tragen zu müssen
Auch in unseren Breitengraden war freilich der Hunger gerade im Winter ebenfalls sehr oft Grund, um mit Masken zum Betteln zu gehen.
Mit Mithilfe bei der Arbeit auf den Feldern konnten sich viele Leute nur im Sommer als Tagelöhner etwas verdienen .
Im Winter mußte man vom wenigen Ersparten und den zu Neige gehenden Essens-vorräten leben.
Das Klöggeln oder Klöpfeln gehen (von : Anklopfen) war bei vielen Gelegenheiten, wie zu St.Martin (Nussmärtel) , zu Sankt Nikolaus, an den Weihnachtstagen, zu Epiphanias und vor Allem an den Abenden vor der Fastnacht , eben kurz vor der Fastenzeit gang und gebe.
Mit Liedern , Sprücherln, Schalk und Mummenschanz versuchte man zu jeder Gelegenheit während der Wintermonate ein Wenig zu erbetteln.
Das Spiel mit der Verkleidung zwischen schamvollem Verstecken, frechem Meinungssagen vor Allem auch dann, wenn der Besuchte nichts hergeben wollte, und moralisierendem Rollenspiel war hier sicher meist mit dabei.
Ein ganz besonderes Beispiel hierfür, wie es galt, den reichen Bauern mit fast schon psychologischer Raffinesse zum Almosen zu bewegen, ist heute noch das Nicolospiel im Salzkammergut.
Der arme Bettelmann , der nie genug hat, vor Allem natürlich nicht, um es auch noch anderen Leidensbrüdern zu schenken, gönnt sich lieber noch mit dem letzten Geld ein Schnapserl, um seine prekäre Lage zu vergessen.
Dafür wird er letztendlich wegen dieses selbstsüchtigen Verhaltens vom Tod und den Krampusmasken in die Hölle geholt.
Pädagogisch raffinierte gesetzte Erkenntnis dieses Rollenspiels soll sein:
Der reiche Bauer erkennt: Almosen geben ist notwendig.
Scheinbar zerknirschte Selbstkritik hinter der Maske der Scham beim Bettler läßt ihm das Schenken dann auch noch leichter fallen.
Ich darf auch hier etwas pädagogisierend die Kurve kratzen:
So weit sind fremde Länder ja gar nicht entfernt, daß man nicht auch in unserem Brauchtum Ähnlichkeiten entdecken dürfte.
So tief und hinterwäldlerisch kann kein Alpental sein, daß es die Raffinessen des modernen Rollenverhaltens, die Erscheinungsformen angewandter Pädagogik und Psychologie in unserer hochmodernen Gesellschaft nicht auch schon längst aus dem Bauch heraus erprobt hätte.
Die Maske , als unser zweites Gesicht, hat uns schon immer geholfen und tut es auch innerhalb unserer heutigen Gesellschaft, unsere Probleme vielleicht aber auch ein wenig spielerischer aufzuarbeiten.
Freuen wir uns auf die Geschichten, die uns die Masken erzählen können.
Sollten Sie Lust auf mehr bekommen:
Unser Museum in Augsburg- Diedorf, das leider nur nach Voranmeldung geöffnet sein kann, und meine Wenigkeit würden Sie gerne bei passender Gelegenheit auch dort noch mit vielen anderen dieser Geschichten vertraut machen. Näheres findet man im Internet, wann immer man einfach Maskenmuseum oder Maskenfreunde eingibt. Dort führen alle Wege zu uns.
Einen kurzen Film über unser Museum, der gestern, am Donnerstag nachmittag , in Bayern 3("wir in Bayern") ausgestrahlt wurde, habe ich mitgebracht, vielleicht haben Sie ja etwas später oder an den kommenden Öffnungstagen Lust mal einen filmischen Kurzbesuch in unser Maskenmuseum zu wagen.
Mit dem Auto oder Zug sind Sie aber auch schon von hier in einer knappen Stunde bei uns angekommen. Sonntag bis Mittwoch abend ab 17.30, können Sie außer in den bayrischen Schulferien übrigens gerne auch unangemeldet bei uns anrufen.
Ich wünsche noch einen schönen Abend!
Bürgerreporter:in:Maskenmuseum Michael Stöhr aus Diedorf |
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