Ein Diedorfer sieht Kamerun: schwarzer Adler, Pleitegeier oder schwarzer Phönix
Schwarzer Adler – Pleitegeier - schwarzer Phoenix:
Die ehemals deutsche Kolonie Kamerun zwischen Ölförderung, Exportfrüchten und Ziegen züchtenden Bergnomaden.
Mit 90 kg Freigepäck, gefüllt mit aussortierten Arzneien , alten Brillen und ein paar wenigen frischen T-shirts und Unterhosen , erreichen wir aus Diedorf kommend im Flieger via München, Brüssel nach 12 Stunden Duala, die wirtschaftliche Hauptstadt Kameruns im Herzen Afrikas.
Die Gemeinschaftspraxis Diedorf der Doctores Brückmann,Baur,Huß und Diehl hat aus Ihren Praxisbeständen viele für die Krankenhäuser in Afrika besonders wichtige Arzneien zur kostenlosen Weitergabe heraus gesucht, Optiker Dotterweich aus Neusäss hat das Ganze durch ein Paket an Altbrillen gewichtsintensiv ergänzt. Wir sollten auf unserer Rundreise durch das zentrale Afrika auch noch ein bisschen weiter daran zu schleppen haben.
Aber so haben wir es ja gewollt: Ganz herzlichen Dank an die Gemeinschaftspraxis und Herrn Dotterweich!
Schauplatz Nordwesten:
Wirtschaftswunderland
Gleich in der Nähe an der Küste: Limbe am Fuße des Mount Kamerun, die ehemals deutsche Kolonialhauptstadt und jetziges Zentrum der küstennahen Ölförderung.
Das Kamerun von heute ist im Westen reich, zukunftsorientiert und politisch ausgeglichen – zumindest was man so im Vergleich mit anderen afrikanischen Staaten sagen kann. Der fruchtbare Regenwald längst der Küste ist längst ersetzt durch exportstarke Monokulturen aus Ananas, Bananen, Avocado, Kakao, Kaffee und Tee und die durch europäische Subventionen geförderten Ölpalmen.
Der ursprüngliche Urwald wird fast überall gefällt.
Unterstützt von europäischen Umweltorganisationen werden dann dort Ölpalmen für den Export von angeblich klimaneutralem Pflanzenöl in Monokulturen an gepflanzt. So ist umweltbewusstes Schreibtischdenken aus Europa – nur weg von den fossilen Brennstoffen.
Wasserkraftwerke versorgen großflächig und effizient auch die Aluminiumwerke um Yaunde mit Strom. Das ist dann schon eher sinnvoll.
Besonders reich sind hier die Mineralöllager ebenso wie im benachbarten Nigeria und durch die Ölförderung an der Küste seit den 90-ger Jahren wurden auch die Staatsfinanzen langfristig gesichert.
Das schafft politisch Ruhe. Ein Land, das nach der Entlassung aus der kolonialen Unterdrückung zunächst vom Pleitegeier bedroht schien, mausert sich zum strahlenden Phönix aus der Asche.
Ein Beamter braucht zwei Berufe
Während ein Lehrer oder ein anderer Staatsbediensteter in Burkina Faso mit nur 25 Euro im Monat auskommen muss, steht ihm hier in Kamerun das Zehnfache zur Verfügung, andererseits auch wiederum nur ein Zehntel der durchschnittlichen europäischen Einkommen.
Oft wird der Herr Lehrer dann auch noch als Verfasser von Amtsbriefen für die analphabetischen Zeitgenossen oder wie unser Sambo als Guide tätig, um das Einkommen noch etwas auf zu bessern.
Man merkt es auch gleich an den Kontrollposten der Polizei am Straßenrand nach Passieren der Stadtgrenzen:
Irgendetwas wird an den schrottreifen Mietautos schon gefunden werden, was den Gesetzen dann nicht entspricht – und wenn doch ausnahmsweise alles stimmt, dann gibt es zum Beispiel plötzlich ein neues Gesetz, das vielleicht gar nur den Besitz eines Fotoapparates pro Gruppe und Wagen zulässt. Ein zweiter Apparat muss dann solange ein behalten werden, bis die Sache in der übernächsten Woche mit dem im nächsten Ort stationierten Polizeihauptmeister geklärt werden kann. Schnell ist man bereit, das Problem mit ein paar Scheinchen zu beheben, um unnötig lange Wartezeiten zu vermeiden.
Auch als Polizist braucht man eben noch ein zusätzliches Einkommen zum Überleben.
Glücksritter im Ölboom
Öl-Geld macht gierig und unfreundlich hier an der Küste, deren Bevölkerung zum großen Teil aus Nigeria herüber gekommen ist.
Dort drüben im Süden wurde das Agrarland der Ibo, Ijo und Ibibio von den nördlichen Hausavölkern an weisse Öl-Gesellschaften zu hohen Preisen verpachtet und völlig mit hinterlassenem Ölschlamm verdreckt. Völkermord an den Ibo in Biafra, Ausschaltung und Hinrichtung von Stimmen, die an die westliche Öffentlichkeit traten: Ken Saroo Viva. Das Aus für alle Kleinbauern, die jetzt natürlich selbst skrupellos geworden sind und in Nigerias Süden für Raub, Entführung, Mord und Totschlag bekannt werden. Flucht nach Kamerun war die einzige Lösung für alle Glücksritter. Ist das schon bereits ein Erbe der Deutschen und Engländer, die diesen Teil Kameruns auf einander folgend kolonial verwaltet und ausgebeutet haben oder erst die Folge der Ausbeutung durch die Ölgesellschaften und des Desinteresses der Industriestaaten an Afrika und seinen Problemen?
Eine deutsche Kolonie am Mount Kamerun
Eisenbahnstationen mit deutschen Schildern, die Verwertung der Blätter des Maggi-gewürzbaumes zu deutscher werbungsstarker Patentwürze, ein riesiger stempel- und verordnungsgeiler Beamtenapparat sind weiter präsent: Wir Deutsche konnten trotz der Kürze unserer kolonialen Ausbeutungszeit unsere Spuren auf prägen.
1902 kam es zum Krieg zwischen den einheimischen Stämmen und den Deutschen, der dann den Engländern nach dem 1. Weltkrieg diese Kolonie ein brachte. Viel war damals für beide Kolonialmächte des Westens an Kolonialgütern nicht zu holen: Kapok, Kopra, Erdnusbutter. Der Osten und Norden war ehedem eh schon französische Kolonie.
Viel mehr ist aber auch am Mount Kameroon sowieso nicht aus dieser deutschen Koloniezeit geblieben als ein Bismarck-brunnen und eine Handvoll Gräber im „Gebirgsort“ Kibi mit deutschen Namen. Dieses scheinbar völlig flache und in die Breite gestreckte Hügelchen lässt mehr an einen überdimensionalen Kuhfladen als ein Bergsteiger erlebnis denken. Dieser Berg ist aber - kaum zu glauben - nach dem Kilimanscharo mit über 4000 Metern auch der zweithöchste Berg Afrikas und kann innerhalb einer gemütlichen 3- tägigen Wanderroute bestiegen werden. Touren zum Gipfel auch bei John_Ngomba90@yahoo.com ,T.00237/75844826
Schauplatz Nordosten:
Monument Valley
Nächtliche Fahrt im ratternden Liegewagen mit der Schmalspurbahn nach Ngoundere in der Mitte Kameruns und weiter mit dem Geländewagen hoch hinauf in den Norden Richtung Tschadsee.
Die Leute sind arm, freundlich und wie es scheint, weit zufriedener als im Südwesten des Landes.
Oben im Norden in Mokolo, wo unsere einheimische Reiseagentur und unser immer freudig strahlender und fähiger Guide Sambo beheimatet ist, erinnert die herrlich aufgerissene aber offene Landschaft an das Monument Valley im Vierländereck: Arizona-Utah-Colorado-New Mexiko in den Vereinigten Staaten. Hoch aufgetürmte, bizarr geformte Vulkanschlote, wogende Schichtungen sechs- und fünfkantiger Basaltsäulen und , soweit das Auge reicht, weite Lagerstätten breit gestreuter runder Riesenkiesel im Durchmesser mehrerer Meter, so als wäre das Land aus dem Bett eines gewaltigen Flusses entstanden. Weit gefehlt:
Durch die extreme Tageshitze von 50 Grad im Schatten heizen sich die Kanten und Ecken der geborstenen und herausgelösten schwarzen scharfkantigen Basaltbrocken derart auf, dass die nächtliche Kälte eben diese Ecken solange wegsprengt, bis glatte und runde Formen zurück bleiben.
Damenwahl bei den Fulbe
Sambo, unser Guide und damit einer der 8 Prinzen von Mokolo, entstammt der Familie des Ortsgründers und lädt uns zum wohlschmeckenden Mittagessen inmitten der 7-köpfigen und wie die Orgelpfeifen aufgereihten Schar der Söhne und der einzigen Tochter ein, das seine (einzige) Frau aus all den landestypischen Gemüsen und Genüssen zu bereitet hat. Danke!
Sambo ist Mohammedaner und Fulbe und deswegen auch trotzdem noch ein bisschen dem Ahnenkult und der „Weiberherrschaft“, wie er es sieht, verwachsen. Bei den Fulbe, Peulh oder Fulani, wie sie sich örtlich verschieden nennen, gilt “Damenwahl“.
Alle Jungmänner schmücken und schminken sich deshalb bei jedem Markttag aufs Prächtigste, so dass die herrlich weiß blitzenden Zähne im weit auf gerissenen und schmeichlerisch lachenden Mund und die strahlenden Augen mit dünner roter Randlinie im schmalen und gelblich braun geschminkte Gesicht mit der schmalen und geraden Nase besonders zur Geltung kommen. So zeigen sich alle Jungmänner im Schönheitsvergleich in Reihe den noch ledigen Damen und warten auf deren Zeichen und das Wahlergebnis. Naschen und Ausprobieren ist danach erlaubt. Allah schaut nachts weg.
Die ärztliche Versorgung
Das große örtliche Krankenhaus und die Augenklinik übernehmen unsere mitgebrachten Medikamente und Altbrillen, die uns von der Gemeinschaftspraxis Diedorf und Optiker Dotterweich zur Weitergabe kostenlos mitgegeben worden waren. Danke auch hier!
Wer in Afrika krank wird, muss selber zahlen.
Eine erste Untersuchung im Hospital unternimmt eine Krankenschwester oder ein Hilfspfleger. Ist alles einfach und weitgehend klar, kann sich der Kranke ein paar einzelne genau abgezählte Pillen in der krankenhauseigenen Apotheke gegen einen geringeren Unkostenbeitrag geben lassen. Muss ein Arzt hinzu gezogen werden, kostet es schon gleich mal einen halben Monatslohn. Muss man stationär behandelt werden, dann muss gleich auch ein weiterer Familienangehöriger in den großen Krankenhausschlafsäalen mit untergebracht werden, der für die Pflege, das Kochen und die Versorgung mit Essen zuständig ist. Das wird dann kompliziert und teuer . Wohl dem der auf das in Afrika übliche Versicherungssystem zurück greifen kann:
Privatkredite sind nicht zu bekommen. Also gründet mit anderen Leuten zusammen eine Donation group.
Jeder zahlt in guten Zeiten an einen vertrauenswürdigen möglichst finanziell gesicherten Gruppenleiter (Patron) Geld ein. Der soll es dann gewinnbringend und trotzdem sicher anlegen. Benötigt ein Gruppenmitglied dann irgend einmal plötzlich Geld, kann er vom Gruppenleiter Geld ausleihen. Wehe dann aber den Mitgliedern, wenn einer unter Ihnen finanziell strauchelt oder der anscheinend vertrauenswürdige Patron alles verzockt hat.
Dann bleibt auch zur Finanzierung der teuren ärztliche Behandlung nichts mehr übrig.
(Die einheimische Reiseagentur bietet je nach Tourbestandteilen die 14-tägige Reise mit Übernachtung in weitgehend recht guten Hotels mit Halbpension, Fahrt in verlässlichen Geländewagen und im Liegewagen der Bahn mit allen Eintritten für weit unter 1000 Euro an:
safarikirdi@yahoo.fr )
Das Tschad“meer“
Noch weiter geht es Richtung Norden und die skurril geformten Bergzinnen und Felslandschaften machen nach einigen abenteuerlichen Pässen Platz für das trockene große Schwemmland des ehemals meeresgleichen Tchad-sees. Ziegen und Watussirinder, Sorghum (Kolben- oder Mohrenhirse), Erdnüsse und Baumwolle sind hier landwirtschaftlich interessant, letztere beide zum Export bestimmt.
Bei den Sao, den Kotoko, den Schoar arab und den Mousgoum konnten wird dort oben im äußersten Norden interessante Gehöfte unterschiedlicher Bauweise in Lehm und Stroh besuchen.
Elefanten , Antilopen , Gnus und vor Allem Giraffen bestimmen neben wenigen Löwen und Nashörnern die doch für Nordwestafrika überraschend große Tierbevölkerung in den Nationalparks des Nordens. Überall wird man an das ehemalige „Tschadmeer“ erinnert, das diese große Pfanne vor Jahrhunderten und Jahrtausenden ausgefüllt hat und heute bis auf eine müde und salzhaltige Pfütze im Norden geschrumpft ist. Während der Regenzeit im Sommer werden dann auch beträchtliche Teile dieses ehemaligen Seebodens mit dünner Wasserschicht bedeckt.
Das Herz des alten Kameruns:
Im „Grasland“
Das kulturelle und politische Zentrum: das Grasland Kameruns
Wieder im Nachtzug auf der einzigen Strecke südwestwärts und dann mit dem Auto ein wenig nach Nordwesten:
Hier liegen die Königreiche Kameruns: Bamun, Bafut, Bamileke.
Die Vorsilbe „Ba“ verrät ,das es sich um ein Dorf, einen Markt handelt, der von Mun, Fut oder Mileke gegründet wurde. Er war der erste Fon dieser Siedlung. der „ Chef“ der Cheferien, ein Häuptling, wie er verächtlich von den Deutschen bezeichnet wurde, ein kleiner König, wie er klugerweise Achtung bei den Franzosen fand.
Jeder Fonpalast umfasst die Hütten der 50 bis 300 Haupt- und Nebenfrauen, der –hochgerechnet- 300 bis 2000 Kinder, der 1000 bis 1500 Enkel. So wird man Herrscher über ein ganzes Volk. Man macht es: Yes we can!
Heute sind die meisten Gebäude in den Cheferien aus Beton, Kellerbausteinen und Wellblech. Figural beschnitzte Holzpfosten, Bambuswände und Strohdächer sind kaum noch zu finden. Herrlich vor Allem noch die Cheferie in Bafut. Lustig erfunden für die Augen des Ethnologen erscheinen die historischen Erklärungsversuche der kolossalen und kunst- und lustlos nach geschnitzten „Kopien“, besser benannt als Fälschungen von Ahnenfiguren im Museum. Echt Altes wurde von den Kolonialmächten geklaut und ins Britische Museum, ins „Trocadero“ - heute integriert im Museum Quai Branley in Paris und das Völkerkundemuseum Berlin entführt. Auch das Lindenmuseum Stuttgart und das Maskenmuseum Diedorf hat eine ganz nette Sammlung zusammen getragen.
Eine Kultur, die sich stark durch Ihre Beziehung zum Überlieferten und den Ahnen verstanden hat, konnte durch diesen gezielten Diebstahl von Volksidentität und Selbstverständnis am Boden gehalten werden.
Ach ein so zukunftsträchtiges Land sollte doch auch seine alten Kulturschätze endlich wieder zurück bekommen oder zumindest gegen Öllieferungen zurück kaufen können. Keine Zukunft ohne den Hintergrund der Vergangenheit!
Der Südosten:
Tief im ursprünglichen Dschungel –eine Träumerei?
Leider war die Zeit der Weihnachtsferien viel zu schnell vorbei.
Also für das nächste Mal vorgeplant und vor geträumt:
Je weiter es ins Innenland Richtung Südwesten geht, desto subtropischer wird das Klima um den Äquator in Richtung Zentralafrikanischer Republik und Äquatorialguinea. Hier werden relativ teuer Touren an geboten zum „Gorilla watching“ und zu Besuchen in den Dörfern der Pygmäen, die im Einklang mit der Natur kunstvolle Blatthütten bauen.
Bürgerreporter:in:Haus der Kulturen michael stöhr aus Diedorf |
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