Ausstellung: Gesten der Trauer. Ausdrucksstarke Grabplastiken vergessener Naturvölker von Vietnam und Indonesien bis Ostafrika
Als die Vereinigten Staaten in den 70-ger Jahren Napalm und Brandbomben in den Bergregionen Vietnams auf die Dörfer warfen, in denen sie Anhänger des Vietkong vermuteten, wurden sehr viele der dort heimischen Minoritäten, die dort zurückgezogen mit der Natur lebten, nicht nur um die Erträge Ihrer Felder und um Ihre Wohnstätten gebracht, sondern mußten Ihre Heimat auf der Flucht für immer verlassen. Viele Angehörige der Mong, Yao, jin, Jorai im Bereich Gianrei , die von den Franzosen früher geringschätzig " montainards" (Bergschrate, Hinterwäldler) genannt wurden, zogen weg nach Laos oder Südchina. Auch die Holzplastiken der Friedhöfe fielen zum großen Teil den Bränden, die sich auch im Umkreis der Dörfer noch durch den Bergwald fraßen zum Opfer. Nicht mehr gepflegt und von Ihren Bewohnern verlassen verschwanden die Überreste von Dörfern und Kultstätten bald wieder ganz unter dem nachwachsenden Dschungel. Die wenigen Wanderbauern, die noch im Gebiet herumzogen, brachten einige der noch erhaltenen schweren Eisenholzplastiken mühsam auf Ihren Schultern in die heute schon wieder boomenden Städte. Zum Glück für den Erhalt dieser Kulturzeugnisse fanden diese im internationalen Kunstmarkt kaum Liebhaber, waren sie doch nicht so perfekt abstrahiert in ihren Formen wie die beliebten Holzskulpturen aus Westafrika und andererseits künstlerisch nicht so feingliedrig ausgearbeitet wie die buddhistische oder hinduistische Bronzeplastik. Das bedeutete, daß einige wenige den Weg in heimische Museen fanden, viel weniger jedoch ins ferne Ausland weiter verkauft wurden.
Ähnlich ergeht es heute auch den derben Grabfiguren aus Ostafrika und besonders aus dem Sudan. Vertrieben aus Ihrem angestammten Land durch die Söldnerscharen des mohamedanischen Nordens sind die animistischen Völker überall auf der Flucht. Weil Holz rar ist, werden die oft frei und unbewacht in der Steppe im weiteren Umkreis der Dörfer in den Boden gerammten figürlich gedachten Grabstelen im Süden des Sudan von Äthiopien und dem Norden Kenias in die Städte mitgenommen, um entweder als Feuerholz verbrannt oder an einen der eher wenig daran interessierten Kunsthändler verkauft zu werden .
Gibt es genug Holz, so wie auf der indonesischen Inselwelt, wäre da keine Gefahr für die Holzplastiken. Aber auch hier besorgt die Bilderfeindlichkeit des Islam, verursachen fremde auf den Mutterinseln Java und Südsumatra beheimatete indonesische Kolonisten die Zerstörung der Gedenkskulpturen animistischer Ahnenverehrung, die besonders in den manchmal fast erotisch wirkender Figuren einiger Völker Grund Ihrer Ablehnung suchen.
Zum Überwinden des Todes, so der Glaube mancher indonesischer Naturvölker ist mehr vonnöten als nur Trauern. Nur die lebensschaffende Kraft der Sexualität erlaubt es den Verstorbenen irgendwann in einem Neugeborenen wieder ins Leben gerufen zu werden. Da wo Lebens- und Liebeskraft gezeigt wird, werden die Todesgeister in die Tiefe verbannt und können den Verstorbenen nicht hindern nahebei den Lebenden auf seine Wiedergeburt zu warten. Wir fanden auf unseren Reisen zu den Naturvölker fast identische Grabesplastiken mit deutlicher Darstellung des Liebesaktes sowohl bei den Montainards, wie in Westsumatra und dann sogar noch in Westmadagaskar bei den Sakalava. Eine Besiedlungswelle in dieser Richtung scheint übrigens in dieser Richtung nachweisbar. Erzählerisch und meist ohne symbolischen Hintergrund werden auf den Grabesstelen der Makalava im Süden von Madagaskar aber auch andere Geschichten aus dem Leben des Verstorbenen in der Erinnerung lebendig
In Timor ,Sumba und den anderen kleinen Sundaínseln wird die Holzfigur des Verstorbenen oftmals von einer kleinen Echse oder Schlange im Bauchbereich bedeckt. Eine Darstellung der Seele oder der Lebenskraft einerseits , ein erotisches Symbol der Männlichkeit andererseits. In den Steinsarkophagen wird extra ein Loch im Kopfbereich in den Stein gebrochen, um der heraus kriechenden Seele in Form einer Schlange oder Echse den Weg frei zu machen.
Gesten tiefster Trauer mit zum Himmel erhobenen Händen oder den Händen , die den trauernden Kopf stützen oder verbergen, sind obwohl oder gerade weil nie an platten Naturalismus angelehnt mit das Ausdruckstärkste, was die sogenannte "primitive" Kunst hervorgebracht hat.
Sind es auch Gesten der Trauer über die Zerstörung von Lebensräumen und Grabstätten? Sind es auch Verzweiflungsschreie über den Ausverkauf der kulturellen Zeugnisse, der Lebensspuren und Trauerbewältigung von Menschen, die so fern unserer Industriekulturen gegen das Vergessenwerden ankämpfen?
Bürgerreporter:in:Maskenmuseum Michael Stöhr aus Diedorf |
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