Griechenland : Reise zu den versteckten Quellen des Maskenspiels
Unsere Reise im Herbst 2019 begann in Thessaloniki, dessen Museen, u.a. das Volkskundemuseum und das archäologische Museum, wir schon auf einer früheren Reise besichtigen konnten .
Von dort ging es in zwei Tagesetappen über landschaftlich wunderschöne Gebirgskämme nach Nordosten. Eine bei Kosani versteckt liegende Ausgrabungsstätte der neolithischen Vincakultur mit von dort bekannten Fruchtbarkeitsfigürchen, deren dreieckige Gesichtsform schon Marija Giambuttas an Masken denken lies, brachte wenig Neues.
Ganz im Nordosten Korfu und die albanische Küste fast schon auf Sichtweite plagten wir uns mit den wenigen Brocken Griechisch, die wir beherrschten, und den wenigen Worten Englisch und Deutsch, die wir von den Einheimischen zu hören bekamen, von Dorf zu Dorf ziehend damit herum, nach den früher sehr bekannten Ziegenfellmasken zu fragen. Diese werden noch ein Stück weiter im Norden über der Grenze um den Ohridsee herum bei Albaniern und Mazedonen ganz in Erinnerung an die griechischen Satyrspiele immer noch zum „Winteraustreiben“, wie es auch hier in der orthodoxen Kirche eingeordnet wird also zum meteorologischen Jahreswechsel von den jungen Burschen getragen.
Hier etwas südlicher im Wintersportgebiet der Griechen um Metsovo scheinen solche „heidnisch-dummen“ Späße nicht mehr bekannt. Der Ort brilliert durch feine Luxushotels mit Schwimmbad ,Spa und kettenförmig aneinandergereihten Bars noch weit konsumorientierter als das Tiroler Kitzbühel. Auch in den „Laographika Museen“(Volkskundemuseen) der Gegend keinen Hinweise auf noch überlieferte Maskenspiele. Tatsächlich sind wohl viele der kleinen Museen dem Sparzwang aus Europa erlegen und haben in gesamt Nordgriechenland stets geschlossen (Anruf zwecklos).
Viele kleine oft nomadisch lebende Völkerschaften wie Sarakatsanen und die Walachen mit wohl illyrischen Ursprungs bestimmen die alte Volkskunst ebenso wie der türkische Stileinfluss des im benachbarten Albanien geborenen Ali Pascha. Thrakische und dakische Einflüsse, die die Masken der kultischen Dionysien, auch der orphischen Mysterien und des Mitraskultes hierher vermittelt hätten , gibt es erst im benachbarten Nordmazedonien, als nicht hier in Epirus.
Wogegen uns Gott Dionysos, zu dessen Ehren Umzüge mit Maskenträgern veranstaltet wurden , in allen archäologischen Museen Griechenlands als Statue, Relief oder in der Vasenmalerei immer wieder gegenüber tritt.
Wie bei vielen Maskenumzügen am gesamten nördlichen Mittelmeerufer von den Veranstaltern und Brauchtumsforschern immer wieder aus antiken literarischen Quellen folgerichtig interpretiert wird, gehen sowohl die Perchten- und Krampusmasken, wie auch die Masken des Maskenspiels in der Comedia dell arte und in anderen Theaterformen eindeutig auf dionysische Riten zurück. Bei den Umzügen und Trinkfeiern zu Ehren des Dionysos (Komos= Umzug, odos=Gesang) wurden die Initianden mit Wein abgefüllt und in einen heiligen Rausch versetzt, bei dem sie oft Zukunftsvisionen und den Blick in eine Anderswelt haben konnten. Nicht immer war das nur mit eitel Freude durchdrungen, das Erwachen mit schrecklichem Kater muss manchmal wohl auch ein wenig dem schmerzhaften Auferstehen von den Toten geglichen haben.
Über Geburt, Leben und Tod des zunächst Halbgöttlichen gibt es viele Versionen: Als Sohn von Zeus und einer Sterblichen - wie sollte es anders sein (wie viele andere Religionsstifter)einer Jungfrau - gezeugt, die noch vor seiner Geburt stirbt, weil sie den Gottvater in seiner wirklichen Gestalt sieht, wird er zunächst von Zeus in seinem Schenkel versteckt und daraus geboren... damit ist er göttlich reinen Blutes.Demeter, Persephone und andere Frauen sind als Ziehmütter dann im Gespräch.
Anhänger des Dionyssos, der einer andere´n Erzählung nach von den Anhängern in Raserei zerfetzt und wiedergeboren wurde, hatten weit vor dem Christentum den Glauben auf eine Wiederauferstehung von den Toten. In anderer Erzählung gelingt ihm die Flucht vor den Rasenden und er stürzt sich ins tiefe Meer (die feuchte Form der Unterwelt) zu Thetys, die ihn umsorgt. Wieder "auferstanden"aus dem tiefen Wasser ist für seine Anhänger die Wassertaufe, wie in anderen Religionen danach auch, also das Versprechen einer späteren Wiedergeburt.
Ist denn eigentlich nicht auch der Auftritt in einer Maske so etwas wie die Wiedergeburt einer dargestellten Figur, wie z.B. eines verstorbenen Ahnen eben im dahinter versteckten Schauspieler? Ist nicht derjenige, den die Maske verkörpert, nach dem Ablegen derselben quasi wieder wie ins Totenreich zurückgekehrt und der Schauspieler darunter erwacht wieder zurück zu eigenem Leben? Das wird um so mehr glaubhaft, so man weiss, dass bei vielen Kulturen das Tragen der Totenmasken Verstorbener durch Sklaven und Schauspieler, für die Angehörigen die Möglichkeit bot, über den maskierten Schauspieler mit dem Toten in Verbindung zu treten und den Verstorbenen bei Festen mitfeiern zu lassen.
Theaterspiel mit Masken sollte wie bei der heutigen Komödie nicht nur belustigen, sondern auch wie in Tragödie und ernstem Theater auch moralisch fordern und fördern:
Oft tritt ein maskierter Chor auf, der im Freudschen Sinne das „ Überich“, die geschriebenen und gedachten Gesetze, das gesellschaftliche „Sollen“ auf der Bühne formuliert. Manchmal sind das dann als Vertreter der Naturgesetze auch Tiere: Frösche (Ovid: Quamvis sunt subaqua…), Vögel (Aristophanes) und andere Haustiere. Vom „Blökgesang der Ziegenböcke“ leitet sich der Begriff Tragödie her (Tragos= Ziegenbock, odos =Gesang). Und schon wieder offenbart sich eine Verbindung zu den Fellbehängten Perchten mit Ihren Ziegenhörnern oder der Habergeiss mit Ihrem Klappkiefer.Masken aus Leder oder verleimtem Stoff waren im Kult gebräuchlich, haben sich über die Zeit aber nicht erhalten. Ihre Nachbildungen aus Stein von den Grabstelen der verstorbenen Schauspieler und der Theaterdekoration aber schon. Möglich das diese vielleicht sogar als Pressform für die Leder- und stoffmasken verwendet wurden.
Die Begleiter des Dionysos waren nicht nur auf den Umzügen, sondern auch in den komischen Theaterstücken die ziegengehörnten Satyrn mit den Bocksbeinen. Da sie nun auch in der Leibesmitte als Böcke mit überdimensioniertem Phallos in griechischen Theaterstücken Ihrem Ruf alle Ehre machten und als Naturkräfte im patriarchalischen Denken für freien Sex, Fruchtbarkeit und Naturkräfte standen, war ihr Schicksal und alle mit Ihnen operierenden Kulte vom aufkommenden Christentum dem Untergang geweiht. Auf Vasenmalereien im 7. Jhdt. nach Christus ausgegraben und wiederentdeckt, fand sich…. So in keinerlei früheren Quellen und Bildern auffindbar……nun endllich in ihren Erscheinungsformen das passende Bild für den Teufel. Waren frühere Texte meist frei von genaueren Beschreibungen des christlichen Wiedersachers, konnte man nun auch gleichzeitig all die in frühchristlicher Zeit noch weit verbreiteten vielen anderen Mysterienreligionen mit dem abschreckend bildhaften Bann belegen.
Die dionysischen Auferstehungsmysterien und ihre Tempel wurden niedergerissen und mit christlichen Kirchen überbaut ebenso wie die Weihestätten anderer antiker Auferstehungskulte (Kult um Persephone= eleusinische Mysterien, Kult um den Stierkalbträger und Sonnengott Mitras, dessen Darstellungen schon hunderte Jahre vor Christus dessen Bildmythologien als Lammträger und Maiestas geschaffen hatten). Allen solchen Auferstehungsreligionen, das hieraus zehrende und zitierende Christentum eingeschlossen, ist gemeinsam, dass der erlösende Held selbst in die Unterwelt hinuntersteigen muss, von rasenden Frauen oder neidischen Nebenbuhlern zerissen, gevierteilt oder zu Tode geschunden wird und dann mit neuer Kraft in einem anderen Reich, ob Himmel (Jesus, Dionysos, Mitras)oder Unterwelt(Osiris), wiedergeboren wird. Der Nachweis für den Gläubigen kann damit zwar nicht gegeben werden, tiefer Glaube verspricht damit aber eine eigene Wiedergeburt.
Wir machen uns auf, im weiter südlich an der Westküste gelegenen Nekromanteion von Acheron, der Kultstätte den Eingang zur Unterwelt der griechisch Antike mit den alten Kulten in Verbindung zu bringen. Nichts für Klaustrophobiker: über eine enge Stiege geht es unter den teils noch zyklopischen Mauerresten früher Tage in die unbeleuchtete Tiefe. Dort in ewiger Nacht, nur von den herum irrenden Handytaschenlampen moderner Seelenwanderer erleuchtet, öffnet sich bald eine gewaltige Halle. Schon ein wenig gruselig, meint man in den Tiefen der weiten Dunkelheit, das Flüstern verstorbener Seelen zu hören. Dort sollen die Initianden früherer Kulte, abgefüllt mit haluzinogenen Drogen, Kontakt zu den Verstorbenen aufgenommen haben. Ähnliche solcher ehemals abgedunkelter Hallen für die Initianden bergen auch unsere folgenden Ruinenstädte in Eleusis und Delphi, allerdings im hellen Sonnenschein freigelegt von zusammen gestürztem Mauerwerksresten.
Entlang schöner Küstenstrecken über das technische Meisterwerk der Brücke bei Paphos geht es durch die Weinberge und wilden Gebirgslandschaften der Peloponnes vorbei an Olympia (Sport interessiert uns nicht) zu den kyklopischen Mauerwerksbauten von Tiryns und Mykene, die sich im Osten über weite Hügelflächen erstrecken. „Ghoulisch“ geheimnisumwitterte, unterirdische Gänge (Lovecraft) mit steilen und glatt polierten aber völlig uneben abgelaufenen Stufen führen auch hier als Fluchtweg aus der Burg heraus. Auch hier hilft nur wieder das Licht aus dem Handy, dessen Akkus vom vielen Fotografieren ja schon längst ausgezehrt sind. Hinter den hohen Steinplattenumrandungen des kultischen Versammlungsplatzes umringen uns mehr geahnt als für kurze Momente dann wirklich erspäht Schattenwesen, Schülerinnen einer englischen Abschlussklassenfahrt.
Am meisten erwartet von einem Maskensammler natürlich die legendären Goldmasken, die mykenischen Fürsten nach ihrer Beerdigung zur "Wahrung des Gesichts" in mehrdeutigem Sinne auf den Kopf gelegt wurden. Die Originale können wir aber nur in Athen sehen.
Wieder drüben in Attika und Böotien wollen wir uns mit den Überresten der Kultanlagen von Eleusis, dem Heiligtum der Fruchtbarkeitsgöttin Demeter beschäftigen. Diese Göttin in besten Jahren, voll Reife und Erfahrung, wird in Trinität mit Ihrer jungfräulichen Tochter (Kore), die nach dem Raub in die Unterwelt durch Hades, zu dessen Frau und zur gealterten Totengöttin Persephone geworden war , verehrt. Ihr Kult, dient auch der Verehrung und jährlichen Bestätigung der Jahreszeiten: Mit Kore, dem personifizierten Frühling, Demeter ,der fruchtbaren Phase von Sommer und Herbst, und Persephone, dem Winter mit dem Absterben der Pflanzen, erkennen die Griechen den immer konstanten Wandel in der Natur, der im Frühjahr Hoffnung auf Neues Wachsen ,also Wiedergeburt der Natur verspricht.
Dieser Kult hier vor Allem in Böotien scheint auf uralte matriarchale Bräuche aus weit vor griechischer Zeit im neolithischen Donauraum (Vinka, Cucuteni, Badener Kultur etc.) und im Nahen Osten im fruchtbaren Halbmond (Astarte etc.) zurück zu verweisen und scheint erst später in die patriarchale griechische Götterwelt mit Zeus als Oberhaupt integriert worden zu sein. Die " Magna Mater" der Römer, die große Göttin der allumfassen Fruchtbarkeit, der Geburt, des Todes und der Wiedergeburt hat im nahen Orient ja schon viele Namen gefunden. Sie manifestiert sich immer wieder in Flüssen, Quellen, Seen , heiligen Landschaften, bekommt dort spezielle Eigennamen und findet sich in der Verehrung dann doch immer wieder in der geschlossen wirkenden Dreizahl.
Interessanterweise verwandeln sich die 3 griechischen Göttinnen vor Allem im europäischen Norden des Römerreiches zu den 3 Matronen, die dort ebenso für Wiedergeburt und Fruchtbarkeit noch lange während der christlichen Missionierung angebetet wurden. Im Zuge dieser Missionierung wurden daraus die ebenfalls in Dreizahl angebeteten Heiligen: Katharina, Margaretha und Barbara. Um ein fruchtbares Jahr in die Bitte ein zuschließen, markierte man die Türen und Stalltore mit K., M. und B.. Wie klar auf der Hand liegt, wurde diese Sitte später durch die männlichen Namen der drei Weisen: Kaspar, Melchior, Balthasar ersetzt. Die Verehrung weiblicher Gottheiten wäre mit der patriarchalen christlichen Trinität natürlich nicht zu vereinbaren gewesen.
Tatsächlich ist diese wichtige griechische Fundstätte der eleusinischen Mysterien der drei Göttinnen mit nur wenigen erhaltenen Grundmauern aber wirklich enttäuschend verwüstet . Auch vom abgedunkelten Saal der Initianten, die wie Persephone aus dem Dunkel zur Wiedergeburt schreiten mussten, kann man sich kaum ein Bild machen. Oben am höchsten Punkt über der niedergewalzten Ausgrabungsstätte, wohl ehemals von einem wichtigen Kultplatz gekrönt, tront jetzt siegesbewusst eine kleine orthodoxe Kirche und ein Glockenturm , beides so groß, wie es die allzeit heilige Fläche eben hergibt.
Weiter im Westen, das Orakel des Apoll in Delphi, im Schnitt zweier sich eng aneinanderschmiegender Berghänge, birgt vor sich im weit ausgebreiteten bergumrandeten Talkessel den Nabel der antiken Welt. Kein Wunder, wenn unsere alten Kulturen hier an die Körperteile einer schlafenden Person denken mussten. Auch uns drängt sich bei den delphischen Berghängen der Gedanke an das vaginale Zentrum breiter felsiger Schenkel auf. Hier saß die Priesterin des Gottes, aber war diese Gegend vor Inbesitzname durch die patriarchalen Götterwelt nicht vielleicht gar schon früher landschaftliche Personifikation eines früheren matriarchalen Kultes.
Zwischen den Bergrücken ein kleines Rinnsal, das oben aus einer tief in den Berg hineinreichenden Quelle hervorplätschert: Solche Orte waren selbst im griechischen Götterhimmel den Quellnymphen geweiht, diese ebenso wie die tierischen Satyrn des Dionysos Personifikationen der Natur, zur Seite gedrängte Erscheinungsformen der Urmutter.
Und nun dieser Schönling Apoll, der Gott von Geist, Schönheit und Überlegung, sollte er wirklich seine im Rausch giftiger Erdgase vage daher brabelnde Seherin zu seinem untadeligen Werkzeug machen wollen? Uns zwingt sich bei solch Verfahrensweise der Zukunftsprognose hier unbewusst viel eher der Gedanke an den durch Rausch und Ekstase apolinischen Gegenspieler Dionysos auf , der seinen Initianden den Weg zur Erlösung über einen saftigen Rausch gewähren will.
So sehr wir uns auch die Hänge hochquälen, schnüffelnd die Nase hinter jeden Felsvorsprung hineinhaltend: Hier stinkt es ja gar nicht! Kein billiger Rausch in Sicht betört von vulkanischen Gasen, nur das Blut schlägt pochend ob solcher Steigung gegen die Schläfen. Man weiß ja schließlich, dass sich sibirische Schamanen und indianische Tänzer nicht nur durch Drogen, sondern vor Allem durch Sauerstoffmangel im Hirn während allzu wilder Tänze in andere Geisterwelten versetzen konnten.
Für uns soll das für heute reichen. Die Sonne versinkt schnell hinten am Meeresgolf. Unser Navi lenkt uns über schmale bergige Wege weiter bergan. In luftiger Höhe haben wir völlig die Orientierung verloren, obwohl es durch kahle baumleere Gefilde geht: ein hoher Berg oberhalb der Baumgrenze: Langsam geht es auf etwas breiter ausgebauter Bahn wieder abwärts, eine verlassene Bergstation des Skilifts huscht an uns vorbei: Der Parnass, stellen wir dann erstaunt fest… und weder Apoll noch die Musen, noch andere Götter waren hier zu sehen, wohl wegen der bereits rabenschwarzen Dunkelheit.
Unser erhofftes landschaftliches und kulturelles Highlight hat nichts mit Masken und auch nichts mit der Auseinandersetzung patriarchaler mit matriarchaler Gedankenwelt zu schaffen : die Meteora-klöster, denn Mönche wie Nonnen leben dort getrennt und friedlich in unterschiedlichen Wolkenwelten.
Und: Maskierung ist orthodoxem Denken fern: Wenn das Heilige sich im Bilde selber manifestiert, würde die Maske ja gottgleich und damit wider das 2. Gebot gefehlt: Du sollst dir kein Bildnis Gottes machen, sollst kein Bildnis anderer Götter anbeten. Trotzdem erwarten uns dort in den Wolkenklöstern hinreißende byzantinische Fresken und Tafelbilder: Welcher Frevel !?!
Gott darf nicht dargestellt werden. Aber von Christus und den Heiligen gibt es ja bereits aus sehr früher Zeit Urbilder , Bilder in einer göttlichen Vorstellung, die ohne dies ja gar nicht auf der Erde zum Leben hätten erweckt werden können (das altgriechische: Eikon, ist ja ein Vorstellungsbild der Dinge in der kosmischen Ordnung, nach dem Dinge entstehen).Diese alten Bildwerke sollen seither immer wieder genauestens und ohne zusätzliche künstlerische Freiheiten und Interpretationen kopiert werden . Weil unsere Handys und Fotoapparate aber nur dem Zufall von Beleuchtung, Schärfe und Lichteinfall etc. gehorchen, und abweichende zufällige Abbilder (altgriechisch: Eidolon)produzieren ist das Fotografieren grundsätzlich verboten… sehr zu unserem Leidwesen… Da die berufsmäßigen Fotographen vielleicht sowieso in der Hölle schmoren werden, kann man zum Wohle des Klosters von einigen besonders heiligen Bildern Postkarten kaufen. Leider sind aber diese teuflisch schönen Höllenwesen auf einigen Ikonen, deren Gesichter wir in die zukünftige Produktion von Krampusmasken hätten einfließen lassen, nicht um schnöden Mammon zu kaufen.
Wir versöhnen uns mit Gott und der Welt wieder durch das ekstatische Fotografieren der grandiosen herrlichen Landschaften mit schroffen Bergzinken und darauf tronenden in abendlicher Sonnenglut brennenden Klosteranlagen.
Richtung Norden auf der Autobahn… wir vermeiden diesesmal die gefährliche Überquerung des zweiten Götterberges Olymp ..und noch einmal an Thessaloniki vorbei in Richtung Thrakien.
Dort in den Rodopen, dem Grenzgebirge zu Bulgarien, soll Orpheus geboren worden sein. In Liebe zu seiner Frau beschreitet er die Unterwelt, kehrt auch unbeschadet wieder als der einzige bekannte Sterbliche in die Welt zurück, allerdings erfolglos ohne Frau, die ihm da unten entfleucht, weil er zweifelnd zurück geschaut hat. Dort oben hat er dann auch kein richtiges Glück und wird als werdender Popstar (Vocal und Leier) von seinen begeisterten weiblichen Groopies zerrissen.
Sein wohl mehrfach abgewandelter Mysterienkult einer Auferstehungsreligion, dessen einzelne meist mündlich überlieferte Erzählungen noch weit unterschiedlicher ausfallen wie die christlichen Evangelienbücher, die Apokryphen eingeschlossen, ist im Einzelnen auch aus fehlender schriftlicher Quellenauswahl kaum zu entschlüsseln. Möglich wäre eine Verbindung zu den Kukeri-vogelfedermasken im westlichen Bulgarien oder den Souflakari- maskenbräuchen in Ostbulgarien.
Bei letzteren erscheinen die Kinder zum Frühjahresbeginn in hohen spitzen weissen Hutmasken , die fast ein wenig nur von der Form her an die Masken des Kukluxklan erinnern, vor Ihren Eltern, Großeltern und vor den Fotos Verstorbener und bitten um Verzeihung für alles Versäumte, das den Ahnen eigentlich zugestanden hätte. Sind diese erschreckend weißen Masken Verkleidungen für das unerkannte Abtauchen in die Welt der toten Seelen, denen man seine Referenz und Abbitte leisten will?
Die aus Vogelbälgen, Federn und Tiertrophäen zusammengesetzten riesengroßen Maskenaufsätze der Gegend von Pernik in Westbulgarien lassen an die wichtige Rolle der Vögel bei früheren Kulten der Jungsteinzeit im Donauraum denken. Vögel als Boten zu den Göttern, zur großen Göttin, waren auch die Mittler zu den Verstorbenen oder konnten wie der europäische Ibis (Waldrapp) oder die Storchfamilie nach Glaube der Völker an den großen Gewässern verstorbene Seelen als kleine strampelnde Wesen aus dem überfluteten Boden ziehen und den Mädchen als Neugeburten in die Wiege legen (der Storch zwickt dabei der Redewendung nach dem Mädchen in die Wade).
Hier in Griechenland an der Grenze von Mazedonien und Thrakien fließt der Fluss Strumica ins Meer, Er kommt direkt aus Pernik und verbindet hier am Fuße der Rodopen so griechische mit bulgarischer Maskentradition. Denn hier an einem zubringenden Fluss liegt die Stadt Drama, in deren Umgebung die jungen unverheirateten Burschen jedes Jahr in Ihren gehörnten Fellmasken den Gott Dionysos mit seinen Satyrn wieder auf erstehen lassen.
Der alte Mann und die junge Braut feiern Hochzeit . sind das Personifikationen des Winters und des Frühlings oder setzt diese Tradition im Raub und der Vermählung von Persephone, als jungem Mädchen mit Hades an. Der Bär als Symbol der frühlingshaften Tierwelt erscheint dabei ebenso wie ausgewählte Leute in angestammten Berufen, wie Barbier, Jäger und Reiter, so wie das in anderen europäischen Winterbräuchen ebenso bekannt ist.
Für uns sehr überraschend tritt auch eine dunkle Alte als eigentliche Hauptperson auf, die die Leute Baubo, manchmal auch Baba nennen. Der altgriechischen Mythologie zu Folge ist sie eine eher unbedeutende Dienerin der Demeter, der es gelingt, diese in tiefer Trauer um Ihre Tochter Persephone/Kore erstarrte Fruchtbarkeitsgöttin wieder aufzuheitern. Dabei erzählt sie dem Mythos nach zunächst unflätige Geschichten, die Sie schließlich noch pantomimisch mit entblößtem Unterleib untermalt. Quellen gehen davon aus, dass möglicherweise auf dem nackten Bauch ein zur Grimasse erstarrtes Gesicht zu sehen war.
Eben jenes Gesicht, der Mund dabei als das weibliche Geschlecht, mit den darauf folgenden Beinen unmittelbar angehängt, erscheint auf vielen Darstellungen in der Vasenmalerei , die diese „ Halbgöttin“ darstellen. Die Häufigkeit der Darstellungen kombiniert mit der Tatsache einer nicht gerade überwichtigen Rolle bei den Göttererzählungen lässt vermuten, dass diese Form wohl auf viel ältere Kulte zurück geht. Über die Kelten gelangt Sheela-na-gig, wie sie in Irland genannt wird, in die Normandie, Bretagne und die britischen Inseln.
Hier beim Maskenlauf als düstere dunkle und stille Frau mit Kapuze oder Schleier verkleidet, erinnert sie um so viel mehr an die Totengöttin Persephone selbst oder an die vielen Erscheinungsformen der Frau Perchta im Alpengebiet.
Gleich vor den Toren der Ortschaft wieder ein Dionysostempel, der die fellbehangenen gehörnten Maskenträger als Satyrn auch gleich richtig in die Entwicklungsreihe ein ordnet, Nicht weit davon ein Mitrasheiligtum mit primitiver Reliefdarstellung, das das Heiligtum in die Zeit 500 n.Chr. also in die Frühchristliche Zeit einordnet.
Beim Besuch einer antiken Ausgrabungstätte 50 km weiter Richtung Osten, in Phillippi, ein wiederum überraschendes Fundstück im Museum aus der Cucuteni/Tripoljekultur, die hier von der Ukraine bis nach Griechenland entlang des Schwarzen Meeres als Matriarchate geführt wurde.
Kennzeichnend, auch hier im Museum Hunderte von aufrecht, halb sitzenden Frauenfigürchen , in deren Fundumfeld auch viele dazu passende Stühle bereit lagen. Hier zwar nicht aber im rumänischen Cucuteni war der Fundkomplex deutlich im Hallbkreis angeordnet, so dass man den Eindruck bekommt, die Frauen säßen zur Besprechung zusammen. Marija Giambutas folgert daraus, die organisatorische und religiöse Leitung im Sinne der Großen Mutter in den Ortschaften durch erfahrene Frauen sei hier durch den Fundkomplex nachgewiesen.
Männerfiguren fehlen übrigens, so dass Giambutas schließt, die Männer seien außerhalb der Ortschaften als Viehzüchter, Jäger und Nomaden im Gegensatz zur weiblichen Bevölkerung gebunden gewesen, die gerade erst domestizierten Auerochsen wären im aus Lehm und hölzernen Ästen gebauten Dorf eine Gefahr gewesen…. und, was uns jetzt ganz sinnvoll erscheint, durch Ihre Abwesenheit, sei ein unkontrolliertes Anwachsen der primitiven Landbau treibenden Dorfgemeinschaft, deren Resourcen nicht beliebig zu steigern waren, vermieden worden (arme Männer, arme Frauen??).
Die weiblichen Figürchen scheinen einem Vogelgesicht nahe , vielleicht also möglicherweise kultische Maskenträgerinnen.
Für uns überraschend aber fast irgendwann einmal eigentlich erwartet: In einem Haus der neolithischen Ausgrabungsstätte fand man eine Tiermaske, die aus einem Rinderschädel gefertigt und mit Lehm überzogen war: Kamen die Männer vielleicht als Stiere verkleidet zu kultisch festgelegten Tagen ins Frauendomizil. Ist das vielleicht der Ursprung auch des Kretischen Stierkultes mit seinen Mythen und sogar des Stierkampfes mediterraner Volksgruppen?
Natürlich gibt es hierfür keine Beweise. Die Maske und Ihre Lehmverkleidung war im Original nicht zu untersuchen. Stattdessen nur ein Replikat und eine mögliche Deutung im Modell des Hauses: So wie bei den Präriejägern in Nordamerika hängt das Bukranion brav am Eingangspfosten.
Zur neolithischen Religion in Griechenland auch die Dissertation von Ina Wunn: https://d-nb.info/958530386/34
Werke von Marija Gimbutas: Civilisation der Göttin und Spracheder Göttin
Zur Figur der Perchta und ihrer neolithischen Herkunft auch den Hörfunkartikel:https://www.br.de/mediathek/podcast/radiowissen/fr...