In Deutschland droht Wohnungsexodus
Arme werden vertrieben
Profitorientierte Metropolenpolitik ist überall spürbar. Arme sollen weg. Seit 2005 wachsen die Mieten unvermindert weit über die winzigen Mietobergrenzen der Wohn-Verordnungen zum Hartz IV Gesetz hinaus. In Berlin betraf dies 2011 mehr als ein Drittel aller Hartz-IV-Haushalte. Schon in den Vorjahren haben es viele nicht mehr geschafft, die Differenzen zwischen Miete und KdU aus der Regelleistung abzudecken. Es gibt daher bereits seit 2005 ein hektisches Umzugsgeschehen, um drohender Wohnungslosigkeit zu entgehen. Die Bundesagentur für Arbeit machte im Jahr 2006 bereits zehntausend Umzüge von Berliner Erwerbslosen aus. In den Jahren 2009 und 2010 stieg die Zahl der Kündigungen und Zwangsräumungen. Ursachen sind das Anziehen der Mietpreise insbesondere in den Ballungsgebieten bei gleichzeitiger Zunahme der Verarmung der unteren Einkommensgruppen und dem geschrumpften sozialen Wohnungsbestand, dem nicht durch Wohnungspolitik gegen gesteuert wurde. Arbeiterpaläste zu Eigentumswohnungen Bund und Länder privatisierten eigene öffentliche Wohnbestände. Von Arbeitern gebaute großzügige Häuser werden zu Wohneigentum, Arbeiterwohnungsgenossenschaften werden zu Luxusanbietern von Wohnraum. Weg mit den Genossen! Her mit den Zahlern! Der Bund förderte den Wohnungsabriss Ost. Zeitgleich wuchs der Niedriglohnsektor aufgrund eines fehlenden Mindestlohnes extrem an. Kommunen haben zwischen 2006 und 2009 allen nur möglichen Reservewohnraum vollgestopft. Seit 2008 wird von massenhaften Wohnungsnotfällen und seit 2010 von überfüllten Notwohnquartieren,z. B. Männerwohnheimen berichtet. Städte gingen seit 2010 dazu über, mehrere Familien in eine Einfamilienwohnung zu stopfen, wie das vor 1990 in Westdeutschland der Fall war. In mehreren Städten gibt es signifikante Hinweise auf Überbelegung von Wohnraum (pro Raum mehr als eine Person.) In Spanien räumen Polizeieinheiten Wohnblocks und in den USA Reihenhäuser und lassen die Menschen – z.T. verletzt - auf der Straße liegen. Jetzt wehren sich dort Polizei, Richter, Kommunen und Schlosser in Spanien gegen Zwangsräumungen. Städte und Gemeinden stoßen Arme aus.
In Deutschland droht Wohnungsexodus
Neoliberale haben den Wohnungsmarkt gegen die Wand gefahren. Mit der wahnwitzigen Deregulierungspolitik im Wohnungsbereich, der Privatisierung öffentlicher Wohnungen, den Preissteigerungen im sozialen Wohnungsbau, dem Wegfall der Wohnraumförderung,den Steigerungen der Strompreise und der Stromabstellungen sowie den diskriminierenden Regelungen in Hartz IV wächst die Anzahl der von Wohnungslosigkeit Bedrohten bedrohlich an. In vielen Städten hat sich Wohnungsnot entwickelt. Von Wohnungslosigkeit Bedrohten steht der Verlust der derzeitigen Wohnung unmittelbar wegen Vermieterkündigung,Räumungsklage (auch mit nicht vollstrecktem Räumungstitel), Zwangsräumung bevor oder aus sonstigen zwingenden Gründen (z. B. aufgrund von eskalierten sozialen Konflikten, Gewalt geprägten Lebensumständen, wg. Abbruch des Hauses).
2008 waren dies 103.000, 2010 106.000 Menschen. Die BAG W prognostiziert einen Anstieg der Wohnungslosenzahlen um 10 - 15% auf 270.000 – 280.000 bis zum Jahr 2015.
Der Staat gibt Unternehmen alles
Die Bundesregierungen haben in den letzten 12 Jahren schrittweise die Rechte der Mieter_innen erheblich beschnitten. Betrug der Zeitraum von der fristlosen Kündigung plus Klage bis zur Räumung i.d.R. früher bis zu 9 Monaten, geht das jetzt erheblich schneller. Vor Aug.2008 begründeten kleine monatliche Mietabschläge noch keine fristlose Kündigung nach 2 Monaten. Erst wenn zwei Kaltmieten ausfielen, konnte der Vermieter kündigen. Heute können Mieter_innen bereits nach Ausfall einer Monatskaltmiete oder bei nicht fristgerechter Zahlung der Kaution fristlos gekündigt werden. Die Stadt stellt heute nicht mehr das Mobiliar nach einer Räumung in den Speicher, sondern der Vermieter darf es verwerten bzw. abfahren. Auf diese Weise sind Wohnungslose nicht nur die Wohnung los, sondern auch sofort ihr ganzes Hab und Gut. Nebenbei wachsen die Nebenkosten und die Heizkosten ständig. Denn seit Mitte der 1990er Jahre wurden inzwischen öffentliche Energieversorger, Heizkraftwerke und die Landschaftspflege privatisiert. Neben- und Heizkosten steigen deshalb ohne Unterlass. Den Preis zahlen die Mieter_innen.
Wohnungslosigkeit akut gestiegen
In Deutschland fehlt ein Gesetz zur bundeseinheitlichen Wohnungsnotfallberichterstattung.
Die Zahl der wohnungslosen und der von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen kann nur geschätzt werden. Ein Wohnungsnotfall ist eine wohnungslose, von Wohnungslosigkeit bedrohte oder in unzumutbaren Wohnverhältnissen lebende Person. Aufgrund ordnungsrechtlicher Maßnahmen haben Wohnungslose keinen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum, sondern sind lediglich mit Nutzungsverträgen in Wohnraum eingewiesen oder in Notunterkünften untergebracht. In den Sozialhilfebereichen finden sich Personen ohne Mietvertrag mit Kostenübernahmen nach SGB XII u./o. SGB II, in Frauenhäusern, Heimen, Anstalten, Notübernachtungen, Asylen, weil keine Wohnungen zur Verfügung stehen, Selbstzahler in Billigpensionen, vorübergehend bei Verwandten, Freunden, Bekannten, in Datschen, im Auto Lebende ohne jegliche Unterkunft und "Platte Machende". Wegen Zuwanderung leben Aussiedler_innen in speziellen Unterkünften/ Lagern. Das Ausmaß der Wohnungslosigkeit stieg zwischen 2008 und 2010 um 10 %. 2010 gab es insg. ca.354.000 (2008: 330.000) Wohnungsnotfälle. Davon entfielen ca. 248.000 (2008: 227.000) auf die Wohnungslosen. Die Wohnungslosigkeit alleinstehender Menschen stieg mit 15% deutlich dramatischer als die der Mehrpersonenhaushalte (+3%) an. 62% der Wohnungslosen sind alleinstehend. Ca.22.000 Menschen lebten 2010 ohne jede Unterkunft auf der Straße (2008: ca. 20.000), das ist eine Steigerung um 10 %!
Politik verarmt Massen
Die steigende Verarmung von Bevölkerungskreisen erklärt sich aus der Dauerkrise am Arbeitsmarkt, die zum Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit führte, aus der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und ihre Umwandlung in die nicht die Existenz und die Wohnung sichernden Grundsicherungen. Durch die Regelungen der Kosten der Unterkunft (KdU) in den SGB II/ XII wurde das Prinzip der Sicherung der Wohnung aufgegeben. Die ohnmächtige Politik der Kommunen unter der bundespolitischen „Schuldenbremse“ setzt das durch. So
regeln Kommunen in Verordnungen die „Angemessenheit der Unterkunftskosten“ zu Lasten der Leistungsberechtigten, Job Center legen seit 2005 sämtliche Gesetzesparagrafen rigide aus. Der Gesetzgeber verschlechterte das Gesetz mit Verbesserungsverbot, Nesthockerpflicht, Umzugs-“Genehmigungen“,100%-Sanktionen, Sanktionen bei KdU junger
Erwachsener U25, unzureichender Anhebung der Regelsätze, KdU-Pauschalierung (bei Satzungsermächtigung) und dem Streichen von Arbeitsförderungsmaßnahmen. Kommunen versagen den Kostenersatz zu Wohnungssuche und Umzug. In vielen Städten und Landkreisen sind die Mietobergrenzen zu niedrig angesetzt. Die jüngsten Bestimmungen in den §§ 22a,b,c SGB II schafften keine Abhilfe, da Städte und Kommunen unterschiedliche Standards (Mietspiegel, Leerstandserfassung) anlegten oder den Buchstaben des Gesetzes nach eigenem Gusto auslegen (z. B. Wohnungen unterschiedlicher Standards).
Quelle: Runder Tisch
Bürgerreporter:in:Norbert Höfs aus Schwerin (MV) |
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