778. Newsletter Südharzstrecke - Unfähig, unfähiger, DB Netz – oder: Das einwöchige Winterdrama in Niedersachsen

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Harz-Weser-Netz: Unfähig, unfähiger, DB Netz – oder: Das einwöchige Winterdrama in Niedersachsen

(Stand 12.02.2021)

Hallo liebe Eisenbahn-, ÖPNV- und SPNV-Interessierte!

„Höchste Eisenbahn für den Südharz“ erklärt hiermit zum wiederholten Male, dass überhaupt kein Grund besteht, einen einzigen Eisenbahner für das zu kritisieren, was sich seit dem vergangenen Sonntag auf den Schienen in Südniedersachsen und angrenzenden Regionen abgespielt hat. Oder vielmehr: Nicht abgespielt hat, denn auf den allermeisten Strecken, die nicht gerade von ICE oder zahlreichen Güterzügen bevölkert werden, hat sich ja nunmehr eine ganze Woche lang nichts abgespielt.
Eine geschlagene Woche lang keine Züge auf hunderten von Bahnkilometern, das ist, selbst wenn man die Dimension des Schneefalls und die Minusgrade danach einbezieht, schon beeindruckend, und zwar in ganz und gar negativem Sinne.

Nein, die Kritik richtet sich an ein vollkommen unfähiges Management des Unternehmens DB Netz. Dieses für eine immer noch wichtige Infrastruktur in unserem Staat verantwortliche Unternehmen ist vollkommen ausgeblutet. Es mangelt an allem: Kein Personal, kein Gerät, keine geeigneten Fahrzeuge zum Räumen… In diesem Winter setzt sich die traurige Geschichte der Frühlings- und Herbststürme mit ihren tagelangen Streckenblockaden, der vergessene Baumrückschnitt, in noch schlimmerer Weise fort.
Auf den Homepages des Konzerns flimmern einem beeindruckende Bilder von heroisch gegen den Schnee ankämpfenden Menschen entgegen, quasi als Aufmacher für die nachfolgenden Erklärungen, warum was mal wieder nicht geht. Das eigentliche Problem, der Mangel an allem, der Mangel vor allem an Vorausschau, der durch die Jagd nach guten Zahlen und dem eigenen Bonus vollkommen getrübte Blick für die Wirklichkeit dieses heruntergewirtschafteten Unternehmens, wird natürlich nicht erwähnt.
„Bestens vorbereitet“ sei man, „für den Winter strategisch gut aufgestellt“ und derlei Worthülsen mehr. Ach ja, „mit Hochdruck“ muss noch genannt werden, diese alberne, aber gerade in Pressestellen doch sehr beliebte Formulierung. Mit was, bitteschön, soll man denn sonst arbeiten, wenn ganze Streckennetze deswegen unter Schnee gegraben liegen, weil es leider zuvor am „Hochdruck“ bei der Beschaffung von Schneepflügen und Räumgerät gemangelt hat?
So ganz weit her war es in den letzten Tagen mit dem Hochdruck aber doch wieder nicht. Anders ist der Skandal, dass auch eine Woche nach den letzten Schneeflocken immer noch diverse Strecken der Inbetriebnahme harren, nicht zu erklären. Im „Harz-Weser-Netz“ ist, Stand Freitag (12.2.), exakt eine Strecke, nämlich Northeim – Nordhausen, wieder befahrbar. Alle anderen von DB Regio befahrenen Strecken sind bis zum Abend des 14.2. weiterhin dicht – mindestens. Der Betreiber der Züge, also DB Regio, hält sich mit Kritik naturgemäß bedeckt, es geht immerhin um eine Konzernschwester.
Aber auch auf anderen Strecken im „Harz-Weser-Netz“ tut sich wenig bis nichts. Die dortigen Betreiber sind DB Netz allerdings nicht verbunden, sondern müssen – wie auch DB Regio – Kilometer für Kilometer teure Trassenpreise entrichten, als deren Gegenleistung ein funktionierendes Netz zur Verfügung stehen sollte.
Da liest man dann u.a. bei „Erixx“: Die Strecke Braunschweig – Vienenburg ist geräumt, wir möchten gern fahren, aber DB Netz gibt die Strecke nicht frei.“
Noch konkreter wird die „Nordwestbahn“. Ihr hat nämlich DB Netz mitgeteilt, dass die Strecke Göttingen – Ottbergen sehr wohl wieder freigeräumt sein und im Grunde auch befahren werden kann. Aber sie wird dennoch nicht freigegeben, weil das tagelang geforderte Personal erst einmal eine Verschnaufpause braucht, die bis einschließlich Sonntagabend dauern soll. Vielleicht auch länger. Bis dahin sind die Gleise wieder verweht.
Die NWB und „Erixx“ haben Fahrzeuge und Personal bereitgestellt – vergebens. Der auf hohem Ross sitzende, aber ansonsten unfähige Monopolist diktiert das Geschehen.
Jedes andere Unternehmen, dass sich seinen Kunden gegenüber so verhält, kann am Folgetag Konkurs anmelden. Bei DB Netz ist der moralische Konkurs schon längst eingetreten, denn man schämt sich solcher katastrophaler Leistungen nicht einmal mehr, sondern lässt die betroffenen Verkehrsunternehmen locker im Schnee stehen. „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s gänzlich ungeniert“ – das wäre eigentlich ein Spruch, der sich über Eingangstür der Zentrale von DB Netz gut machen würde.
Die Verkehrsunternehmen, die tagelang zusehen müssen, wie beräumte Strecken weiter gesperrt bleiben, müssen sich gegenüber den Aufgabenträgern dann rechtfertigen, wenn die Fahrgastzahlen einbrechen – nicht coronabedingt, sondern schlicht deswegen, weil aus dem einstigen „Wir fahren bei jedem Wetter“-Unternehmen ein trauriger Verein geworden ist, der im Sommer bei allzu großer Hitze Probleme bekommt, im Herbst, wenn der Wind weht, schwächelt und im ersten richtigen Winter nach vielen Jahren umgehend die Segel streicht und so jedwedes Vertrauen verspielt. Bei Wetterlagen wie diesen war die Schiene früher bekannt dafür, ihre Kunden sicher ans Ziel und zurück zu bringen. Heute muss man erst einmal den Wetterbericht studieren, bevor man eine Reise mit der Bahn antritt: Könnte der Wind wehen? Könnte es schneien? Könnte es heiß werden? Und die Tageszeitung: Hat Weselsky wieder Lust zu streiken? Dann gibt man besser die Fahrkarte zurück. Die Tage, an denen man ganz frei von Sorgen mit dem Zug reisen kann, werden immer weniger.
Bernhard Reuter und die seinen müssen sich auch an den Kopf greifen. Die Leute im Kreistag auch. Sie setzen eine respektable Tarifreform um, die gerade Pendlern über weite Strecken das Leben erleichtert. Genau die aber müssen sich in Anbetracht des Erlebten dreimal überlegen, ob sie sich ein Abo für ein Verkehrsmittel zulegen, welches in keinster Weise mehr kalkulierbar ist.
Die Leute in den Schneeflügen und Schneefräsen, die Leute, die aufgrund kaputter Weichenheizungen mit dem Besen auf den Schienen standen, sie alle haben einen wahrhaft guten Job gemacht. Sie können ja nichts dafür, dass es viel zu wenig Pflüge und Fräsen gibt. Sie können auch nichts dafür, dass es zu wenig Leute gibt, die ihre Schichten übernehmen, wenn sie eine – verdiente – Pause brauchen. Sie haben das Unternehmen ja nicht kaputtgespart. Das haben andere, die stolze Reihe der CSU-Verkehrsminister, der „Bahnchef“ Mehdorn, die heutigen Manager, die den lieben langen Tag an immer wieder neuen Organisationsformen basteln, um die Schwächen der alten zu übertünchen, aber damit immer nur noch mehr Chaos anrichten. Wahrscheinlich hat es auch deswegen so lange gedauert, weil keiner mehr wusste, wer eigentlich zuständig ist und wer die Schlüssel für die Fahrzeuge hat.
DB Netz ist moralisch und organisatorisch am Ende. Der Versuch, mit Methoden aus der freien Wirtschaft ein Infrastrukturunternehmen zu betreiben, ist gescheitert, krachend gescheitert. Die Interessen der Kundschaft spielen schon lange keine Rolle mehr, im Management geht es nur noch um die eigene Position, gute Zahlen müssen her, koste es was es wolle. Zur Lösung des Problems gibt es zwei Ansätze: Erstens eine vollständige Rückverstaatlichung der „DB Netz AG“, um endlich das Gehabe des Managements durch eine Rückbesinnung auf die eigentliche Aufgabe zu ersetzen, nämlich eine wie ein Uhrwerk Tag und Nacht und bei jedem Wetter funktionierende Infrastruktur hinzustellen und zu betreiben, oder zweitens eine Herauslösung der vom Berliner Management als nur noch lästig empfundenen Strecken in der Fläche, um sie verantwortungsbewussten und ortsnahen Leuten einer Landesbehörde oder einer Landesbahn anzuvertrauen. Die „Bentheimer Eisenbahn“ hat ihre Strecke auch im Schneetreiben weiter bedient. Die Leute dort wissen eben, dass der Betrieb einer Strecke die Erträge bringt und nicht das wochenlange Nichtbetreiben.
So oder so, es muss etwas geschehen. Die Bahn ist ein Hoffnungsträger inmitten des Klimawandels und der Verkehrswende. Mit diesem Unternehmen DB Netz AG können wir das aber ganz schnell vergessen. Die bekommen nichts auf die Reihe, gar nichts.
Wer angesichts solcher Worte in den Zentralen der DB Netz AG (ich wüsste derzeit nicht, wo ich fragen sollte – es ist ja mal wieder alles über den Haufen geworfen worden) Schnappatmung bekommt, dem sei gesagt, nur als kleines Beispiel: Ich bin von 1963 bis 1975 tagtäglich mit dem Zug im Südharz zur Schule und zur Arbeit gefahren, oft mit dem allerersten Zug des Tages. Bei extremen Schneefällen gab es mal eine Verspätung, man kam als Schüler erst zur 2. Stunde ans Ziel (und freute sich). Die Fälle kann ich an einer Hand abzählen. Da wurde immer gefahren, die Leute in den noch besetzten Bahnhöfen haben geräumt, die Stellwerker kamen herunter und machten die Weichen frei (die nicht beheizt waren, aber funktionierten). Wenn es ganz schlimm kam, tauchte unser VT98, deutlich schwächer motorisiert als heutige Triebwagen, eben mit einer Lok davor auf. An der Strecke wurden im Herbst Schneefangzäune aufgebaut und im Frühjahr wieder abgebaut, Jahr für Jahr. Die Leute von der Bahnmeisterei wussten, wo der Wind heftiger bläst. Heute ist niemand mehr vor Ort, die Verkehrsunternehmen haben zwar Triebwagen, aber keine Dieselloks mehr, und das Management vergisst, für die ölbeheizten Weichen im Bahnhof Walkenried rechtzeitig Öl zu bestellen. Halt, das macht ja wieder der Einkauf, und der hat erst recht keine Ahnung, worum es geht.
Mit Berufsstolz und Ethos muss man auch keinem mehr kommen. Damals war es eine pure Selbstverständlichkeit, dass der Betrieb lief. Noch heute erzählen alte Eisenbahner gern davon, wie das an so manchem Wintermorgen zuging. Alles zugeweht? Dann wurde eben der Trecker genommen, um – als Nebenerwerbslandwirt – rechtzeitig am Arbeitsplatz zu sein. Heute? Wer an der Strecke Dienst tut, kommt von Gott weiß woher. Der hat erst einmal Mühe, selbst durchzukommen. Es ist auch nicht mehr „seine“ Bahn, es ist sein Job, den er ausfüllt, mehr aber auch nicht.
Aber wem erzähle ich das. Hoffen wir, dass „die Politik“ endlich, endlich einsieht, dass sie bezüglich der Bahn auf dem Holzweg ist, jedenfalls was den Infrastrukturbereich betrifft. In keinem anderen europäischen Land läuft es so mies wie bei uns. Man schaue sich in der Schweiz um, klar, aber meinethalben auch in Polen bei PKP PLK. Da stehen für das Netz im Riesengebirge eben mehrere Fräsen bereit, die umgehend aktiv werden. Auf der anderen Seite, bei den CD in Tschechien, ist es nicht anders. Die Züge müssen rollen. Das muss bei uns auch wieder Alltag werden.

Michael Reinboth

Viele Grüße

Burkhard Breme
Initiative "Höchste Eisenbahn für den Südharz"
37431 Bad Lauterberg

E-Mail: burkhard.breme@suedharzstrecke.de
Internet: http://www.suedharzstrecke.de

Bürgerreporter:in:

Bernd Jackisch aus Bad Lauterberg im Harz

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