Petition an das Land verabschiedet – SPD, CDU und BI zogen ihre Anträge auf Abschaffung der Strabs zurück!
Bad Lauterberg (bj). Um das Land Niedersachsen zu bewegen die Straßenausbaubeiträge im ganzen Land abzuschaffen hat der Stadtrat Bad Lauterberg auf seiner letzten öffentlichen Ratssitzung (25.3.) einstimmig eine Petition beschlossen.
Die "Interessengemeinschaft Strabs-freies Bad Lauterberg", Mitglied mit weiteren inzwischen rund 90 Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaften im "Niedersächsischen Bündnis gegen Straßenausbaubeiträge NbgS", bewertet den Beschluss als sehr erfreulich. Enthält doch die Petition sämtliche Forderungen der landesweiten Initiativen, wie ua. die Abschaffung des §111, § 6 b, c zur Erhebung von Beiträgen zu Verkehrsanlagen sowie die Kompensation der ausfallenden Straßenausbaubeiträge für die Kommunen. Der Ausgleich der ausfallenden Beiträge ist besonders für verschuldete Kommunen wichtig, zu denen auch die Kneippstadt gehört. Mindestens 410 Städte und Gemeinden, der insgesamt 943 Kommunen im Land, die meist zu den reicheren gehören, haben schon vor geraumer Zeit ihre Satzungen zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen abgeschafft. Nur mit der landesweiten Abschaffung der Strabs und der Finanzierung zur Unterhaltung und Sanierung des kommunalen Straßenausbaus ist eine Gleichstellung der ärmeren und reicheren Kommunen im Land zu erreichen.
Gleich zum Anfang dieses Jahres haben zahlreiche Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaften im ganzen Land die Bürgermeister/Stadt-und Gemeinderäte angeschrieben, mit der Bitte, jeweils eine Resolution/Petition an das Land Niedersachsen zu beschließen und diese einzureichen. So hat dies auch die "IG Strabs-freies Bad Lauterberg" am 4.1.2021 getan und den Bad Lauterberger Bürgermeister angeschrieben. Zeitgleich haben auch alle Ratsmitglieder das von Gaby Wille, Josef Riedel und Bernd Jackisch unterzeichnete Schreiben als Kopie bekommen.
Bürgermeister und Verwaltung haben es nicht nötig zu antworten!
Inzwischen sind nun über drei Monate vergangen, aber weder der Bürgermeister noch die Verwaltung hat den Antragstellern der "IG Strabs-freies Bad Lauterberg" bisher den Eingang des Schreibens bestätigt. Auch Ergebnisse von etwaigen Beratungen oder Informationen über einen Sachstand dazu wurden nicht mitgeteilt. Dies, so der Sprecher der IG Bernd Jackisch, "ist typisch für die von Bürgermeister Dr. Gans geführte Verwaltung. So aber geht man nicht mit den Anliegen der Bürger um".
Sehr verwundert war die IG darüber, als Ratsmitglieder ihnen auf Nachfrage mitteilten, dass Mitglieder oder Sprecher einer IG nicht antragsberechtigt seien. Das erscheint deshalb komisch, weil in der Vergangenheit immer wieder mal Vorschläge und Anträge von Bürgern beraten und behandelt wurden. Natürlich werden sich diese "Sonderbehandlung" die Haus-und Grundstücksbesitzer der Stadt gut merken, falls der Verwaltungschef nochmals für das Amt als Bürgermeister zur Wahl antreten sollte.
Auf jeden Fall bekommen die zahlreichen Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaften im Land fast täglich positive Rückmeldungen. Denn nicht nur in Bad Lauterberg wurden auf diese gleiche Art und Weise Anregungen zur Verabschiedung entsprechender Resolutionen/Petitionen bei ihren Städte-und Gemeindeverwaltungen eingebracht. Weitere Unterstützung erhalten Strabs-Gegner im Land derzeit auch vom SPD-Stadtverband Bad Salzdetfurth, der landesweit alle ca. 1700 Ortsvereine, Stadtverbände, Unterbezirke angeschrieben und um Unterstützung bei der Abschaffung der Strabs gebeten hat. Dazu hat der Stadtverband Bad Salzdetfurth einen Antrag an den SPD-Landesparteitag im Mai 2021 erstellt, der im Wesentlichen auch alle Forderungen der inzwischen 90 „Niedersächsischen BI/IG gegen Straßenausbaubeiträge“ enthält.
Straßenausbaubeiträge kann man abwählen!
Die Behandlung der Petitionen durch die Landesregierung, wie auch des Antrages der SPD Bad Salzdetfurth an den Landesparteitag, werden die Strabs-Gegner genau Auge behalten. Bei negativen Ergebnissen werden sie ihre Mitglieder sowie Haus-und Grundstücksbesitzer unter dem Motto aufrufen: „Straßenausbaubeiträge kann man sowohl bei den anstehenden Kommunalwahlen, wie auch bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr abwählen!“.
Während die Verabschiedung der fraktionsübergreifenden Petition, wie schon erläutert, sehr positiv von der „IG Strabs-freies Bad Lauterberg“ eingeschätzt wird, umso verärgerter ist die IG, dass sowohl die SPD, BI und CDU ihre im vergangenen Jahr eingereichten Anträge zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zurückgezogen haben. Sie taten dies, obwohl zu Beginn der Debatte noch jeder von ihnen beteuerte, sich als Erster mit der Thematik beschäftigt zu haben. Dann dieser plötzliche Rückzug, ohne die Beratungen abzuschließen. Als Hemmnis für eine Abschaffung der Strabs wurde von der Kämmerin unter anderem das Urteil des Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg im Rechtsstreit zwischen Laatzen und der Region Hannover angeführt. Demnach dürfte eine Stadt mit Zukunftsvertrag nicht auf die Straßenausbaubeiträge verzichten, wenn sie dann dafür Kredite aufnehmen müsste. Dieses Urteil, so haben mehrere Verwaltungsrechtsexperten inzwischen ausgeführt, betrifft speziell die Stadt Laatzen und ist nicht auf alle Kommunen im Land übertragbar.
Dass es auch anders geht, belegt ein Beispiel aus unserer direkten Nachbarschaft. Die Stadt Braunlage ist weit höher verschuldet als die Kneippstadt und konnte seit über 20 Jahren keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Braunlage hat nie eine gültige ihre Straßenausbaubeitragssatzung besessen. Ein erstellter Satzungsentwurf wurde 1989 vom damaligen ehrenamtlichen Bürgermeister nicht unterzeichnet und trat somit nie in Kraft. Derzeit lässt die Stadt Braunlage die Herzog-Johann-Albrecht-Straße mit Millionenaufwand ausbauen, ohne dass die Anlieger zur Kasse gebeten werden. Mit der Fusion Braunlage - St. Andreasberg im Jahr 2011 entfiel auch in St. Andreasberg die bisherige Straßenausbaubeitragssatzung.
Einzig die „Wählergruppe im Rat (WgiR)“ hat ihren Antrag zur Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung, der sogar alle Fakten der Petition beinhaltete, nicht zurückgezogen und auf eine Weiterbehandlung im Rat bestanden. Sie wollte deshalb ihren Antrag vertagen und weiter über diese Angelegenheit beraten. Doch der Vertagungsantrag, sowie ihr Antrag auf Abschaffung der Straßenausbausatzung wurden von der Ratsmehrheit aus SPD, CDU und BI „abgelehnt“.
"Gemeinsame" Petition - ja, sinnvoller Antrag mit gleichem Inhalt - nein! Auch dieses Verhalten sollte bei allen Haus-und Grundstücksbesitzern der Stadt Bad Lauterberg bis zu den anstehenden Wahlen im September im Hinterkopf bleiben.
Pressemitteilung der IG Strabs-freies Bad Lauterberg vom 9.4.2021
Nachfolgend der Wortlaut der in Bad Lauterberg verabschiedeten Petition:
Petition:
Der Rat der Stadt Bad Lauterberg beschließt folgende Petition an die Niedersächsische Landesregierung zu senden:
Der Rat der Stadt Bad Lauterberg bittet, für die Erhebung von Beiträgen für kommunale Verkehrsanlagen (ehemals Straßenausbaubeiträge) wird gemäß § 111 Abs. 5 Satz 3 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes ein Verbot durch das Land Niedersachsen auszusprechen. Gleichzeitig sollte das Land Niedersachsen den finanziellen Ausgleich an die Kommunen in der Höhe der wegfallenden Beiträge für Verkehrsanlagen übernehmen. Außerdem wird darum ersucht, dass die korrelierenden §§ 6b und 6c des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes gestrichen werden.
Begründung:
Die Zahlungen von existenzbedrohenden Beiträgen für kommunale Verkehrsanlagen (ehemals Straßenausbaubeiträge) stehen seit mehreren Jahren immer stärker im Fokus der öffentlichen Diskussion, so auch in Bad Lauterberg im Harz. Deshalb haben sich im ganzen Land flächendeckend Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaften gegründet, die immer aktiver auf die ungerechte Verteilung der Sanierungskosten hinweisen. Da alle Straßen von der Allgemeinheit genutzt werden, sollte die öffentliche Infrastruktur aus dem allgemeinen Steueraufkommen im Rahmen der Daseinsfürsorge finanziert werden.
Dieses ist die einzig sinnvolle und für alle Beteiligten gerechte Lösung. Eine derartige Finanzierung wurde mittlerweile in neun Bundesländern umgesetzt.
In Niedersachsen haben sich über 400 Städte und Gemeinden von den Straßenausbaubeitragssatzungen verabschiedet. Die meisten der übrigen Kommunen, die ohnehin schon vor finanziellen Problemen stehen, können dieses aus eigener Kraft nicht finanzieren. Sie sind kaum in der Lage, den kommunalen Anteil aufzubringen. Deshalb verschlechtert sich der Zustand der Infrastruktur Straße immer mehr. Es ist zu bedenken, dass in den nächsten Jahren die Kommunen gewaltige Beträge in die Pflichtausgaben Schulen, Kindertagesstätten und –krippen sowie Feuerwehrhäuser investieren müssen. Mit der Corona-Pandemie sind die kommunalen Einnahmen drastisch gesunken, gleichzeitig die Ausgaben aber gestiegen. Museen, Schwimmbäder usw. hatten kaum Einnahmen, Kita-Beiträge wurden den Eltern erlassen, Steuereinnahmen sind weggebrochen.
Die Landesregierung wird ersucht, den Kommunen eine langfristige und verlässliche Finanzierungsalternative für den kommunalen Straßenausbau zu bieten, um die Erhaltung und Unterhaltung der Infrastruktur Straße dauerhaft zu gewährleisten. Mit ihren Pflichtaufgaben dürfen die Kommunen nicht allein gelassen werden.
Die Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaften zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge im ganzen Land stehen mit ihren Forderungen nicht allein. Sie werden durch eine mitgliederstarke Allianz von Vereinen und Verbänden, u.a. von Haus & Grund, Bund der Steuerzahler, Verband der Wohneigentümer, tatkräftig unterstützt. Parteien und Wählergruppen befassen sich immer mehr mit dieser Thematik und fordern eine neue gesetzliche Regelung.
Durch die unterschiedliche Handhabung der Straßenausbaubeiträge in den Bundesländern, aber auch in den Kommunen Niedersachsens, wird deshalb mit Blick auf die erhebliche Kosten für betroffene Bürger*innen darum gebeten, die im Grundgesetz geforderte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland und in Niedersachsen herzustellen.