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GEW-Kreisverband Diskussionsveranstaltung - „Sinnvolle Reformen und steigende Arbeitsbelastung...“

Der Kreisverband Osterode der Bildungsgewerkschaft GEW hatte in öffentlicher Veranstaltung im „Harzer Hof“ in Scharzfeld kürzlich das GEW-Landesvorstandsmitglied Henner Sauerland zu Gast, der für einen intensiven Nachmittag sorgte. Mit seiner praxisnah - lebendigen Darstellung des Themas „Sinnvolle Reformen und steigende Arbeitsbelastung unter der rot-grünen Landesregierung“ löste er lebhafte Diskussionen aus.

Der Blick ins Publikum schien die aktuellen Belastungen zu bestätigen; während viele interessierte GEW-Senioren zugegen waren, hatten sich Lehrkräfte reihenweise entschuldigen lassen müssen wegen Fach- oder Klassenkonferenzen, Dienstbesprechungen, Förderkommissionen und Elternberatungsterminen.

Sauerland gab zu Beginn zu, dass mit dem Regierungswechsel große Hoffnungen der in Unterricht und Erziehung Beschäftigten und auch in der Landes-GEW verbunden gewesen seien. Mit ihrer „ersten Erfolgsmeldung“ habe Rot-Grün aber „gleich für lange Gesichter gesorgt“, als eine Arbeitszeitverlängerung für einen Teil der Lehrkräfte sowie die Streichung der Altersermäßigungsstunde verkündet wurde. Es handele sich um Maßnahmen, die landesweit etwa 1800 Stellen für den Lehrernachwuchs verhindern. In der Landes-GEW sei dieser Auftakt empfunden worden als äußerst ungeschickter „Tritt ins Knie der Lehrkräfte, die anstehende Reformen in den Schulen motiviert umsetzen sollen“ und die bislang schon alle Veränderungen engagiert geschultert hätten.
Positiv wertete Sauerland, dass 260 Millionen € für zusätzliche Investitionen in die Bildung vorgesehen sind und dass für Ganztagsschulen eine qualitative Stärkung und bessere Personalausstattung mit Lehrkräften geplant sei. Auch mit der nicht überstürzten Rückkehr zur neunjährigen Regelgymnasialzeit könne man leben, „G9“ habe erstmals wieder für die heutigen Sechstklässler Gültigkeit.
Zudem wolle die Ministerin die Inklusion verbessert fortführen, so sei ein Gesetz zur Anpassung der Lehrerausbildung an die neuen Anforderungen des Lehreralltags in Arbeit.

Viel Kritik an Zuständen in Schulen und Kindergärten wurde aus den Reihen der Zuhörer vorgebracht und traf beim Referenten auf ein offenes Ohr und Unterstützung. So sei im Kindergarten zahlenmäßig die Relation zwischen heute aufwachsenden Kindern und Erzieherinnen (25:2) einfach nicht mehr haltbar.
Die Praxis der Einzelfallhilfe als Begleitung von Kindern im Schulunterricht wurde überaus kritisch hinterfragt; sie verhindere Erziehung und Unterricht oft mehr als zu unterstützen. Die Qualitätsunterschiede bei den Anbietern seien zu groß. Mit Personal, das die Lebenshilfe-Kreisvereinigung zur Einzelfallhilfe einsetze, könne man sehr gut zusammenarbeiten. In anderen Fällen sei oft völlig Gegenteiliges zu beklagen, wenn das Elternrecht genutzt werde, um eine willfährige, aber nicht qualifizierte Person für die Einzelfallhilfe auszuwählen, die schulischen Erziehungszielen entgegenarbeite und einen zusätzlichen Betreuungsfall im Klassenraum darstelle.
Als katastrophal wurde die Verjüngung des Einschulungsalters eingeschätzt. Nachdem die Schulkindergärten, segensreiche Einrichtungen für sich etwas langsamer entwickelnde Kinder, verschwunden seien, würden nun sogar Fünfjährige eingeschult ohne Rückstellungsmöglichkeit. Damit sei ohne Not und ohne nachvollziehbaren Grund in immer mehr Fällen ein mühseliger, freudloser Einstieg in die wichtige Lebensphase als Schulkind vorprogrammiert und ein ständiges Hinterherhecheln hinter den Anforderungen mit frühzeitiger Sonderförderung und Nachhilfe absehbar. Es gebe wieder vermehrt Fälle von Kindern, die bald nach der Einschulung verstummten. Kleine Persönlichkeiten würden durch die Einschulungspraxis von Anfang an nicht gestärkt, sondern gedeckelt, was viele als gesamtgesellschaftliches Unglück einschätzten.
Auch die Realität der Lehrerausbildung, bei der jetzt das Bemühen um einen höheren Praxisanteil zum Tragen komme, wurde sehr kritisch betrachtet. Henner Sauerland berichtete, zur Zeit heiße höherer Praxisanteil nur, dass in universitätsnahen Schulen ein Vielzahl von Praktikanten anwesend sei, unbetreut und ohne sinnvolle Regelungen für die Anwesenheit dieser Studenten in der Schule. Auch wurde es als unfassbar bemängelt, dass jetzt, in Zeiten der Umsetzung des Inklusionsgedankens in die Schulpraxis, für das Studium der Förder- bzw. Sonderpädagogik ein harter Numerus Clausus wie für die Zahnmedizin gelte. Damit stünden, zumindest in ländlichen, uni-fernen Regionen, viel zu wenige Fachleute für sonderpädagogische Förderung und Beratung zur Verfügung. Noch wolle man keine Absicht unterstellen, dass Grund- und Oberschulen ohne Förderschullehrkräfte allein zurechtkommen sollen und aus der Inklusion ein Einsparmodell gemacht werden soll, großes Befremden löse dieser N.C. aber aus, der zumindest auf Planlosigkeit hinweise.
Schließlich kam die Überlastung der Klassen in den heutigen Sekundarschulen zur Sprache. Seit dem Zusammenlegen von Haupt- und Realschule zu sogenannten Oberschulen müsse man sich dort ohnehin in eine differenziertere Unterrichtsweise hineinfinden. In dieser Situation würden auf das junge System Oberschule nun zusätzlich die Inklusionsklassen aufgesattelt. Zusätzliche Unruhe, Konfliktstoff und Unfrieden würden so systematisch generiert.
Henner Sauerland griff schließlich einen Beitrag von Margit Eberl als treffendes Schlusswort auf: „Es muss wieder mehr Ruhe in die Schulen gegeben werden, damit vernünftig gelernt und gelehrt werden kann.“

GEW - Pressewart Walter Ziegler

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