Sonderausstellung zur einstigen Bad Lauterberger Stuhlindustrie im Heimatmuseum
Bad Lauterberg(bj). Noch bis in den September dieses Jahres ist im Heimatmuseum Bad Lauterberg eine Sonderausstellung zu den ehemaligen Stuhlfabriken in Lauterberg und Barbis zusehen. Initiiert wurde die Ausstellung von Studiendirektor i.R. Hans-Heinrich Hillegeist, der Mitbegründer Archivgemeinschaft ist und zudem von seinem Groß-und Urgroßvater das Archiv der einstigen Stuhlfabrik Hillegeist erhielt und dieses bis heute aufbewahrte.
Wie Hans-Heinrich Hillegeist bei der Eröffnung der Sonderausstellung am 9. Juni ausführte, hat der Zündholzfabrikant F.C. Deig aus Barbis 1851 zusätzlich mit der Stuhlfabrikation begonnen. Im Jahr 1853 bis 1855 erbaute er im Oderfeld, wo bereits die Wasserkraft zur Verfügung stand, eine neue Stuhlfabrik(später Sägewerk Blödhorn). Der Sohn von F.C. Deig gründete auf der späteren Ölmühle im Luttertal eine weitere Stuhlfabrik, die er aber 1874 an Haltenhoff und Zeidler verkaufte. Haltenhoff und Zeidler expandierten dann im Bereich der späteren Möbelfabrik Max Böhme und bauten dort ein großes Werk. Weiterhin produzierte der Tischlermeister Gustav Mennecke ab 1863 Stühle in der Scharzfelder Straße, gegenüber der heutigen Blechwarenfabrik. Urgroßvater Heinrich Hillegeist, der wie sein Vater zunächst im kleinen Rahmen Holzknöpfe drechselte, fertigte später mit einer Sägemaschine Holzteile für die verschiedenen Stuhlfabriken im Ort. Im Jahr 1878 begann er dann eine Holzstuhlfabrikation, zunächst im kleinen Rahmen. 1887 baute er dann eine Fabrik am Mühlengraben auf und pachtete zusätzlich die Gebäude der ehemaligen Blankschmiede(später Fa. Kuhlmann). Als 1903 die Firma an Sohn Karl Hillegeist übergeben wurde, war sie bereits die größte Stuhlfabrik in der Stadt. Genutzt wurde neben der Wasserkraft eine Lokomobile, die insgesamt über 62 Treibriemen die Holzbearbeitungsmaschinen antrieb. Wie der Referent Hans-Heinrich Hillegeist weiter ausführte, produzierte 1908 in Barbis, gegenüber des Schützenplatzes vorm Bahnübergang, die „Offene Handelsgesellschaft“ Rojahn-Schirmer-Meyer ebenfalls Stühle. Ein weiterer Betrieb, die 1870 gegründete Firma Angerstein, baute auf dem heutigen Schickert-Gelände ebenfalls Sitzmöbel. Vervollständigt wird die Stuhlfabrikation mit der Firma Weiß und Hildebrandt im Luttertal auf dem heutigen Gelände der Pinselfabriken Adler und Richter sowie der Firma Karl Jahns auf dem Gelände der späteren Blechwarenfabrik. Das Gebäude des damaligen Inhabers Jahns befindet sich auch heute auf dem Gelände direkt unterhalb des dreistöckiges Fabrikations-und Bürogebäudes. Die in Bad Lauterberg produzierten Sitzmöbel wurden in das gesamte Reichsgebiet verkauft, einer der größten ausländischen Abnehmer war Holland. Ab 1884 erfolgte der Versand über die neu erbaute Eisenbahn. Im Jahr 1896 kam es zu einem 23 wöchigen Stuhlarbeiterstreik. In Folge dessen schlossen sich im August 1908 alle in Konkurrenz stehenden Stuhlfabriken mit 567 Beschäftigten zur „Germania Aktiengesellschaft“ zusammen. 1911 wurde für den Betrieb das neue Fabrikgebäude, die heutige Blechwarenfabrik erbaut. Einige der Aktionäre stiegen in den folgenden Jahren wieder aus und bauten neue Firmen auf. Nach Ausbruch des 1. Weltkrieges, Ende 1915 war mit der Stuhlproduktion Schluss, die Germania ging in Konkurs und das Geld(eine Million) der Aktionäre ging verloren.
Im Rahmen der Ausstellungseröffnung informierte der ehemalige Göttinger EU-Abgeordnete und Autor Klaus Wettig ausführlich über den 1896 in Bad Lauterberg begonnenen Stuhlarbeiterstreik und seinen Auswirkungen.
Text und Fotos: Bernd Jackisch