Automobil in America - Kinetik aus Bad Lauterberg von Detlef Hänsel auf SAT 1
Bad Lauterberg. Mitte dieses Monats (August 2021) hatte der weit über die Grenzen des Harzes bekannte Bad Lauterberger Kinetik-Künstler Detlef Hänsel Besuch in seinem Atelier von einem Fernsehteam des Senders SAT 1 Regional Fernsehen für Niedersachsen. Detlef Hänsel hat in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten mehrere Dutzend kinetische Kunstwerke geschaffen, die bei verschiedenen Ausstellungen der Öffentlichkeit präsentiert wurden.
Der Beitrag über den Besuch in seinem Atelier wurde am 23.08.2021 gesendet und kann weiterhin über das Internet unter https://www.sat1regional.de/kinetik-kuenstler-aus-... angeschaut werden. In dem Bericht wird auch über das neueste Kunstwerk "Automobil im America" berichtet, welches im Herbst dieses Jahres in Goslar vorgestellt werden soll.
Wie die Idee zu diesem Werk entstand, berichtet Detlef Hänsel in dem nachfolgenden Beitrag:
"Heureka" von der Expo in Lausanne inspirierte
In den frühen 1990er Jahren habe ich zum ersten Mal von der Großskulptur „Heureka“ von Jean Tinguely erfahren. Es war Faszination pur und auf den ersten Blick.
Diese monumentale Maschine, 8 x 10 x 6 Meter groß, hatte außer ihrem lärmenden und bewegungsreichen Eigenleben keinen produktiven Zweck. Somit wurde sie 1964 auf der Expo in Lausanne als reine Provokation aufgefasst, und sorgte landesweit für heftig kontroversen Gesprächsstoff. Immerhin hatten die Veranstalter dieser Schweizerischen Landesausstellung sich dieses Exponat 70.000 Franken kosten lassen. Heute steht die „Heureka“, noch immer funktionstüchtig, und regelmäßig gewartet, an der Uferpromenade des Zürichsees.
Schon damals, bei unserer ersten Begegnung, spürte ich in mir den Wunsch, irgendwann auch mal eine vergleichbare, derart große Kunstmaschine zu bauen. Doch der rechte Zeitpunkt dafür wollte anscheinend nicht kommen. So geriet dieses Vorhaben dann allmählich in Vergessenheit.
Inzwischen verwende ich auch keinen Technikschrott mehr für meine Kunstwerke, und baue auch keine großen Kunstmaschinen mehr. Meine jetzigen Arbeiten sind eher „tischformatig“, und für die antreibende und bewegende Mechanik verwende ich aktuell Teile aus Metallbaukästen.
Mit dem Auftreten der Corona-Epidemie im Jahr 2020 war das öffentliche, kulturelle Leben nahezu vollständig zum Erliegen gekommen, und auch Ausstellungen mit bildender Kunst waren nicht mehr möglich. Somit hatten die Künstler wesentlich mehr Zeit für eigene kreative Arbeiten im Atelier.
Auch vor mir stand nun die Frage, welches Projekt könnte ich mir jetzt mal vornehmen?
Ich brauchte nicht lange überlegen, denn schon bald meldete sich die gute alte „Heureka“ wieder in meiner Erinnerung. Natürlich wollte ich keine Heureka nachbauen, was ich in dieser einmaligen Tinguelyschen Weise sowieso nicht gekonnt hätte. Aber ich wollte ein komplexeres, umfangreicheres kinetisches Objekt, oder Kunstmaschine mit Teilen aus meinem aktuellen Materialfundus bauen.
Beim Gang durch mein Lager stieß ich auf einen längst vergessenen, grauen Kunststoffsack mit diversen gebrauchten Spielzeugen, meistenteils Autos, Traktoren und Busse.
Im Zusammenhang mit einer Ausstellung 2016 in Bleicherode war ein Workshop mit Kindern geplant gewesen. Dafür hatten zwei sehr nette, junge Damen diese Spielsachen gespendet. Leider ist es aber damals nicht zu diesem Workshop gekommen, und ich saß noch immer auf dieser Material-Spende. So befiel mich dann schon ein wenig das schlechte Gewissen. Da ich aber weder Namen noch Adresse der Spenderinnen kenne, konnte ich die Sachen auch nicht zurückgeben.
Also habe ich mich kurz entschlossen, diese Spielzeugautos mit in meine neue Arbeit einzubauen.
Aus diesem Fundus schöpfend, rückte der Themenkomplex Auto, Mobilität und Straßenverkehr in meinen Fokus.
Bei meinem ersten Aufenthalt in Amerika erlebte ich Autobahnen auf mehreren Etagen übereinander.
Zu aller Verwirrung kam noch hinzu, dass die Autos sowohl von rechts als auch von links auffahren konnten. Dieses verwirrende Durcheinander von hin und her und von auf und ab erinnerte mich schon damals an die verwirrenden Bewegungen von Tinguelys Heureka. Auch hier bewegen sich auf mehreren Etagen kleine Gefährte hin und her, oder hoch und runter. Somit war der Ideen-Kreis geschlossen: Ich wählte für meine Heureka als Kern Idee die Übermobilität im Straßenverkehr der überindustrialisierten Länder!
Hommage an den Künstler Trini Lopez
Da meine neue Kunstmaschine auch wieder eine recording skulpture werden sollte, also ein kinetisches Objekt, welches einen Musiktitel als integralen Bestandteil der Arbeit abspielt, brauchte ich noch den passenden Musiktitel dafür. Ich entschied mich nach langem hin und her für den Titel „America“ von Trini Lopez aus 1963.
Das war genau der passende Rhythmus für die von mir angedachten Bewegungsabläufe.
Und der Text der ersten Strophe:
„I like to be in America
OK by me in America
Everithing`s free in America
For a small fee in America“
nahm mich als Ohrwurm sofort gefangen.
Und die zweite Strophe, beginnend mit:
„Automobile in America
Chromium Steel in America“
ließ mir gar keine andere Wahl mehr, als meiner neuen Arbeit den Titel „Automobil in America“ zu geben.
Trini Lopez ist vielen Menschen durch seine Welterfolge wie:
„If I had a Hammer“ von Juli 1963; „La Bamba“ von Juni 1964; oder „Lemmon Tree“ von Dezember 1964 noch gut in Erinnerung. Leider ist Trini Lopez im August 2020 im Alter von 83 Jahren an den Folgen von COVID-19 verstorben. So möchte ich meine Kunstmaschine in ehrendem Gedenken auch als eine Hommage an den großen Künstler Trini Lopez verstehen.
Jetzt ist es an der Zeit, dass mein „Automobil in America“ nun auch das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Wenn sich die aktuellen Inzidenzwerte weiter stabilisieren, könnte das eventuell noch im Herbst dieses Jahres erfolgen.
Aus Anlass ihres 75jährigen Jubiläums plant die Regionalgruppe Harz des Bundes Bildender Künstler und Künstlerinnen für Niedersachsen e.V. eine Jubiläumsausstellung im Kreishaus in Goslar. Als Mitglied dieser Gruppe werde ich mein „Automobil in America“ voraussichtlich dort ausstellen.
Detlef Hänsel
Bad Lauterberg, August 2021