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November 1989: Mit dem Trabbi nach Korbach und Freundschaft für's Leben

  • Wende-Freundschaft Arnstadt-Landau: (von links) Günter Ladegast, Erwin Boos, Petra Ladegast, Claudia Boos, Herbert, Karin und Lothar Menkel sowie Angela Boos (vorne)
  • hochgeladen von Christiane Deuse

Seit 20 Jahren kennen sie sich, und das ist kein Zufall: Kaum war die Grenze offen, strömten DDR-Bürger zu Tausenden in den Westen. Bis nach Waldeck-Frankenberg kamen dabei nicht allzu viele. Und die wenigsten dürften Freundschaften für's Leben geschlossen haben wie Petra und Günter Ladegast. Ein Beispiel deutsch-deutscher Geschichte. Wer kennt weitere?

Wenn die beiden Thüringer aus Arnstadt heute vom 17. November 1989 erzählen, glaubt man manches kaum. Gestrandet sind sie an dem Wochenende jedenfalls in Landau, wo enge Freundschaften entstanden sind. Zu verdanken haben die Berg- wie die Arnstädter das eigentlich Korbachs Bürgermeister Wolfgang Bonhage.
Der hatte nämlich im Hessischen Rundfunk DDR-Bürger eingeladen, doch mal weiter nach Hessen 'reinzufahren, und hatte die weite Fahrt mit kostenlosen Übernachtungen an diesem Wochenende und mit 120 Mark Begrüßungsgeld (statt 100 Mark pro Kopf) schmackhaft gemacht.
Petra Ladegast, damals 35 Jahre alt, hatte Radio gehört, und bereitete mit ihrem Mann Günter (36 Jahre) das Abenteuer vor. Schließlich mussten sie Schlange stehen, um genug Sprit für den Trabbi mitzunehmen; in zwei Kanistern beim Gepäck. „Eine Höllenfahrt,“; sagt sie. „Benzinkanister hinten drin, und das mit zwei kleinen Kindern – das würde heute niemand mehr machen.“
Freitag Abend wurden die Kinder in Skianzüge gesteckt, denn im Trabbi war's kalt. Mit einer DDR-Deutschlandkarte ging's los durch die Nacht.
Der erste deutsch-deutsche Kontakt war unheimlich: Mitten in der Nacht bremste sie ein Autofahrer aus, nötigte sie zum Halten – um Günter das zu schenken, was er gerade entbehren konnte: ein Jackett. Und als sie am frühen Morgen im Dunkeln erschöpft am Straßenrand anhielten, um Pause zu machen, dauerte es nicht lange, bis wieder ein Auto hielt.
Eine Taxi-Fahrerin aus Korbach nahm Petra und die Kinder mit ins warme Auto und zeigte ihnen den Weg zur Ausgabestelle des Begrüßungsgeldes.
Dann ging's zum Einkaufen zu einem Supermarkt in der Kreisstadt. Inzwischen war es hell geworden, und spätestens, als Günter Sprit auf dem Parkplatz nachfüllte, erregte die Familie Aufsehen.
„Immer mehr Leute haben uns angesprochen, haben gefragt, ob sie den Trabbi mal anfassen dürfen und ob der wirklich aus Pappe ist," sagt Petra. Haben sie eingeladen in die kleine Kneipe neben dem Parkplatz, schenkten den Kindern Geld, kauften ihnen eine Ausgabe von „Das Volk“ aus Thüringen für fünf Mark ab.
Einer war dabei, der hat sie gleich für das Wochenende zu sich nach Hause eingeladen: Albert Boos aus Landau.
Dass die Bergstadt auf der DDR-Deutschlandkarte nicht zu finden war, war kein Problem. Zwei Männer eskortierten die Familie Richtung Arolsen, auch weil der eine so gerne mal Trabbi fahren wollte.
Der Zwischenstopp in Twiste am Imbiss war unumgänglich, obwohl die Familie Ladegast bis dahin schon mehr als genug gegessen hatte.
In Landau angekommen, ging's zunächst in den Landgasthof Kranz. Und weil der Trabbi vor der Tür stand und sich Nachrichten in der Bergstadt in Windeseile verbreiten, füllte sich die Kneipe mehr und mehr. Günter fuhr an diesem Samstag drei verschiedenen West-Modelle auf Spritztouren Probe. Und Petra beantwortete unzählige Frage wie diese: „Musstet Ihr in der DDR hungern?“
Dann lernten die Ost-Gäste die beiden Großfamilien Boos und Menkel kennen, saß im Gewölbekeller von Heinrich Dicke, war beim nächtlichen Eierbacken dabei.
Die Basis für eine gute Freundschaft war gelegt und wurde mit jedem Besuch breiter. Denn bis Weihnachten kam die Familie jedes zweite Wochenende nach Landau.
Der erste Gegenbesuch fand im Januar 1990 statt und zeigte den neugierigen Bergstädtern die DDR. Und bei der ersten Landtagswahl in Thüringen am 18. März 1990 waren Landauer als Wahlbeobachter dabei…
Schöne Geschichte. Das schönste daran ist, dass sie noch lange nicht zu Ende ist. Dass die Freundschaft hoffentlich noch weitere 20 Jahre währt und – wenn möglich – noch länger.

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