Zeit für einen Rückblick – 50 Jahre olympische Sommerspiele in München bzw. Augsburg am Eiskanal 1972 – mit Horst Woppowa
Zeit für einen Rückblick – 50 Jahre olympische Sommerspiele in München bzw. Augsburg am Eiskanal 1972 – mit Horst Woppowa
Eins, zwei, drei! Im Sauseschritt, es läuft die Zeit; wir laufen mit (von Wilhelm Busch). Genauso ergeht es den Schwaben Kanutinnen und Kanuten, denn 50 Jahre jährt es sich in diesem Sommer, dass die olympischen Sommerspiele in München, bzw. Augsburg am Eiskanal stattfanden.
Wir wollen deshalb Zeitzeugen befragen, welche damals aktiv mit involviert waren. Wer bietet sich da an, natürlich unser Ex-Vorsitzender Horst Woppowa. Der Meister aller Zahlen, denn keiner kennt sich mehr aus im Kanuslalom und Wildwasser Rennsport als er, nach 39 Jahren ununterbrochener Leitung als Vorsitzender der Kanu Schwaben. Den Stab übergab er 2017 an seinen Nachfolger Hans Koppold und ist seitdem als Vorstand des Fördervereins im Einsatz.
Horst war als internationaler Kampfrichter bei den Olympischen Sommerspielen am neugebauten Olympiakanal im Einsatz und wir konnten ihm dazu einige Fragen stellen:
MS: Als 1972 der Kanuslalom olympisch wurde, entstand im Augsburger Eiskanal am Hochablass die weltweit erste künstliche Strecke, direkt in einem herrlichen Naherholungsgebiet. Damit nahm die Erfolgsgeschichte des Augsburger Eiskanals "die Mutter aller künstlichen Wildwasserstrecken", ihren Anfang. Austragungsort für die Sportart Kanuslalom war vom 28. – 30. August 1972 der Eiskanal in Augsburg. An was erinnerst Du Dich besonders als Kampfrichter, wie viele Tore musstest Du seinerzeit bewerten und wie war das mit den Fehlerpunkten im Gegensatz zu heute?
HW: Insgesamt waren 60 internationale Kampfrichterinnen und Kampfrichter im Einsatz (davon 30 Deutsche). Die 600 m lange Strecke war mit 30 Toren ausgehängt, bei jedem Tor waren zwei Kampfrichter eingeteilt.
Zwei Tage dauerten die Slalomwettkämpfe und an beiden Tagen war ich an Tor fünf eingeteilt. Im Gegensatz zu heute gab es sehr hohe Strafpunkte. Pro Torstab 10 Strafsekunden bei einer Berührung, dann gab es noch Rückwärtstore (Falschbefahrung brachte 50 Strafsekunden ein), die höchsten Strafzeiten gab es beim Auslassen eines Tores (100 Strafsekunden).
MS: Damals waren 16 Nationen mit 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Start, wie viele internationale Kampfrichter waren im Einsatz und wo waren sie untergebracht?
HW: Alle 60 Kampfrichterinnen und Kampfrichter waren im Hotel Hilton in München untergebracht (auch die Augsburger), die Anreise nach Augsburg erfolgte mit dem Zug.
MS: Gibt es einige Freundschaften, die damals entstanden sind und heute noch andauern (unter den Funktionären, Kampfrichtern oder Sportlerinnen und Sportlern) ? Du weißt sicher die eine oder andere Geschichte davon herrührend, zu erzählen.
HW: Eine besondere Begebenheit ist mir noch stark in Erinnerung. Der jetzige Kanu Präsident von Asien und Japan Shoken Narita startete im Kajak Einer der Herren und seitdem treffen wir uns immer wieder bei internationalen Großveranstaltungen und schwelgen in Erinnerungen. Von ihm bekam ich den Spitznamen „Gate five“. Soviel ich weiß, plant er zur WM nach Augsburg zu kommen.
MS: Bei den olympischen Sommerspielen 1972 fanden drei Kanuslalom - Wettkämpfe für Männer und einer für Frauen statt. Wie viele Sportler durften damals pro Disziplin starten (heute sind es pro Disziplin ja nur mehr „ein/e“ Teilnehmer/in). Es dominierten die Sportlerinnen und Sportler aus der damaligen DDR und BRD. Das war evtl. frustrierend für die teilnehmenden Länder, dass so viele Medaillen in Deutschland verblieben sind (Ost und West zusammen). Welche Disziplinen waren es und wie viele Teilnehmerinnen bzw. Teilnehmer starteten von den Kanu Schwaben mit welcher Platzierung?
HW: Es durften drei Boote pro Kategorie und Nation starten.
Disziplinen K 1 Herren, K 1 Damen, C 1 Herren, C II Herren
Ost- und Westdeutschland hatten zusammen 4 x Gold, 3 x Silber, 2 x Bronze. Also lediglich drei Medaillen blieben für die restlichen 14 Nationen.
Die Kanu Schwaben Mitglieder holten diese Platzierungen
Gisela Grothaus (Silber, Kajak Einer Damen)*sie startete nicht für KSA
Wolfgang Peters (4. Platz, Canadier Einer Herren)
Uli Peters (4. Platz, Kajak Einer Herren)
Alfred Baum (5. Platz, Kajak Einer Herren)
Bernhard Heinemann (16. Platz, Canadier Einer Herren)
MS: Was ist Dir von den olympischen Sommerspielen besonders in Erinnerung geblieben?
HW: Die eindrucksvolle Eröffnungsfeier in München und die Entzündung des olympischen Feuers am Augsburger Eiskanal durch Karl Heinz Englet. Dazu das große Interesse von 30 000 Zuschauerinnen und Zuschauern aus nah und fern pro Wettkampftag am Eiskanal. Zudem bot sich die Gelegenheit als akkreditierter Kampfrichter andere Sportarten in München besuchen zu können (Rudern, Boxen, Schwimmen, Leichtathletik). Ganz besonders in Erinnerung blieb mir der Speerwurf von Klaus Wolfermann, mit dem er die Goldmedaille holte. Ich dachte, der Speer fliegt über das Olympiastadion hinaus.
MS: Nun steht wieder ein Großereignis in Augsburg an, die dritte Kanuslalom Weltmeisterschaft, in welchen die Kanu Schwaben – zusammen mit der Stadt Augsburg und dem Nachbarverein AKV – mit eingebunden sind. Du hast – zusammen mit den Schwaben Mitgliedern – ja eine jahrelange Erfahrung mit Großveranstaltungen wie über 20 Slalom World-Cup-Veranstaltungen, Europa- und Weltmeisterschaften im Kanuslalom, die erste Wildwasser Sprint WM (2011), viele internationale Sprints, Rafting Meisterschaften, Boatercross- und Freestyle, Qualifikationswettkämpfe und deutsche Meisterschaften. Was für eine Herausforderung gibt es diesmal zu bewältigen? Hinweis: 1957, 1985 und 2003 war Augsburg Austragungsort einer Kanuslalom-WM. Vom 26.-31.07.2022 wird es nun endlich wieder einmal so weit sein!
HW: Kanu Schwaben hat bei allen bisherigen Veranstaltungen neue Akzente gesetzt. Wir freuen uns, unsere langjährigen Erfahrungen gemeinsam im Team mit der Stadt Augsburg und dem Nachbarverein einzubringen. Sicherlich wird uns auf der schönen, neu sanierten Anlage eine großartige Veranstaltung gelingen. Unser Herzblut hängt daran, dem Ruf von Augsburg als Kanuslalom Hochburg weiterhin weltweit gerecht zu werden.
MS: Wichtig sind und waren die ehrenamtlich tätigen Mitglieder und sind es auch heute. Mit Herzblut sind sie und auch deren Freunde und Bekannte seit Jahren im Einsatz, genauso wie Horst mit seiner Ehefrau Christa. Unbedingt erwähnenswert ist aber bei all seinen Aktivitäten die gewachsene Freundschaft zwischen dem spanischen Cadi Club in La Seu d´Urgell und Kanu Schwaben Augsburg. Die beiden Olympia Ausrichter (La Seu 1992 und Augsburg 1972) verbindet seit 1992 eine starke Freundschaft und anschließend daran ein reger Jugendaustausch mit jährlichen Begegnungen, welche in all den Jahren tief verwurzelt ist. Horst Woppowa ist seit 2013 beim Cadi Club auch Ehrenmitglied. Ein eingespieltes Team aus La Seu d’Urgell unterstützt uns auch als Volunteers bei der WM.
Zahlreiche Ehrungen erhielt Horst Woppowa durch den BKV/DKV/Bund/ICF/IOC/Stadt Augsburg/ Bezirk Schwaben und dem Hauptverein TSV 1847 Schwaben Augsburg e.V. sowie von Kanu Schwaben. Die Liste ist sehr lange und das Engagement von ihm ist ungebrochen, aber ganz besonders erfreut war Horst mit allen Schwaben Mitgliedern über die Verleihung des Bundes - Verdienstkreuzes am Bande am 15.04.2015.
Horst, wir danken Dir für den Rückblick auf die Olympischen Sommerspiele 1972 und denken, dass bestimmt etliche Aktivitäten auch – im Rahmen der Kanuslalom WM 2022 – noch eingebaut werden.
Wir freuen uns schon sehr darauf und letzte Frage, wie bist Du bei der Slalom WM 2022 mit eingebunden?
HW: Gerne gebe ich meine jahrzehntelange Erfahrung weiter, soweit es erwünscht ist. Ich organisiere – zusammen mit meiner Frau Christa und Bernhard Heinemann (Olympiateilnehmer 1972) – im Rahmen der WM ein Treffen der ehemaligen Sportler sowie deutschen Kampfrichter zum 50-jährigen Olympia Jubiläum. Die Resonanz ist jetzt schon groß, sogar Teilnehmer aus Australien und Hawai haben sich angemeldet. Ein tolles Programm erwartet sie auf alle Fälle.
MS: Mit den European Championships Munich 2022 richtet München die größte Sportveranstaltung seit den Olympischen Sommerspielen 1972 aus. Vom 11. bis 21. August 2022 kämpfen Europas beste Athletinnen und Athleten in den Sportarten Beachvolleyball, Kanu-Rennsport, Klettern, Leichtathletik, Radsport, Rudern, Tischtennis, Triathlon und Turnen um die begehrten Goldmedaillen. Kanuslalom ist leider nicht dabei, weil Ende Juli bereits die Weltmeisterschaften in der Kanu Hochburg Augsburg statt finden. Marianne Stenglein im Interview mit Horst Woppowa