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Integre – seit zehn Jahren eine ambulante Anlaufstelle für Menschen mit einer psychischen Erkrankung

  • Die Gesellschafter von Integre: (von links) die Bezirkskliniken Schwaben mit ihrem Vorstandsvorsitzender Thomas Düll und dem Ärztlichen Direktor des BKH Augsburg, Prof. Dr. Max Schmauß, sowie die Arbeiterwohlfahrt mit Claudia Frost und Werner Weishaupt (beide Geschäftsführung).
  • hochgeladen von Georg Schalk

Es ist dieser gefährliche Drehtür-Effekt: kaum aus einem psychiatrischen Krankenhaus entlassen, schon die nächste Krise und ein weiterer stationärer Aufenthalt. Nicht wenige Patienten, die an einer psychischen Krankheit leiden, kennen dies. Integre will für solche Menschen eine Anlaufstelle sein: In ihren Einrichtungen mit dem Namen „Vincentro“ bietet die Gesellschaft Rückzugsräume, persönliche Ansprechpartner und eine 24-Stunden-Erreichbarkeit. Ziel dieses niederschwelligen Angebots ist es in erster Linie, weitere stationäre Aufenthalte zu verhindern. Vor zehn Jahren wurde die „Integre – Gesellschaft für Kooperation und Vernetzung im Sozial- und Gesundheitswesen mbH“ in Augsburg gegründet. Grund genug für die beiden Gesellschafter Arbeiterwohlfahrt (AWO) und Bezirkskliniken Schwaben, dieses Jubiläum mit etwa 130 Gästen in der Mehrzweckhalle des Bezirkskrankenhauses (BKH) Augsburg zu feiern.
Was heute „Besondere Versorgung“ heißt, nannte sich vor einem Jahrzehnt noch „Integrierte Versorgung“. Damals schloss Integre mit der Techniker Krankenkasse (TK) einen Vertrag gemäß Paragraf 140 Sozialgesetzbuch (SGB) zur Verbesserung der ambulanten Versorgung von Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Weitere gesetzliche und private Krankenkassen folgten. Heute sind es insgesamt 14 Partner. „Das war damals etwas völlig Neues“, blickte Geschäftsführer Werner Weishaupt (AWO) zurück. Die Integre sei ein „soziales Start-Up“ gewesen. „Es galt auch, Widerstände und Vorbehalte zu überwinden.“
Zur Gestaltung der Einladungskarten und Flyer, die zum zehnjährigen Bestehen herausgegeben wurden, haben die Organisatoren bewusst Gemälde von Vincent van Gogh verwendet. Der niederländische Maler litt bekanntlich an einer psychischen Erkrankung. „Trotzdem schuf er weltberühmte Werke“, unterstrich Weishaupt, der die Kooperation mit den Bezirkskliniken als „hervorragend“ bezeichnete. „Ja, wir wollen Brückenbauer mit und für unsere Klienten sein“, sagte der Geschäftsführer. „Wir wünschen uns noch ganz viele weitere, möglichst bunte, breite und tragende Brücken.“
Bezirkstagspräsident Martin Sailer verwies darauf, dass der Bezirk Schwaben in der Versorgung psychisch erkrankter Menschen eine der größten Angebotsspektren bundesweit biete. An der Schnittstelle stationär/teilstationär/ambulant bringe er entweder selber seine Leistung ein oder setze auf Partner. So sei eine niederschwellige, passgenaue Hilfe gewährleistet; Menschen würden nicht aus ihrem Alltag gerissen, Klinikaufenthalte vermieden, sagte Sailer. „Die Integrierte Versorgung am Beispiel Integre ist ein Gewinn für alle: für die Betroffenen, Angehörigen und Kassen“, stellte der Verwaltungsratsvorsitzende der Bezirkskliniken lobend fest. Zum engmaschigen Netzwerk an Versorgungsangeboten gehörten auch die „Blaue Blume.2“ in Kaufbeuren/Mindelheim sowie „Pikasso.2“ in Augsburg. Beide haben ihre Schwerpunkte im gerontopsychiatrischen Bereich.
Für Christian Bredl vom Landesverband der TK Bayern war Integre schon damals ein innovatives Versorgungsangebot. „Es gelang, zusätzlich zur Regelversorgung ein niederschwelliges Versorgungsnetz aufzubauen, nach dem Motto: Die Lösungen liegen dort, wo das Problem liegt.“ Der Kontakt zur Familie und zu Freunden bleibe auf diese Weise erhalten, was für die Betroffenen zu einer Verbesserung der Lebensqualität führe.
Dirk Wurm, Gesundheitsreferent der Stadt Augsburg, berichtete, dass zum 1. Januar 2020 das Projekt „Gemeindepsychiatrische Basisversorgung“ startet, das aus dem Innovationsfonds zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Deutschland gefördert wird. Zielgruppe sind schwer psychisch erkrankte Menschen mit Einschränkungen der Teilhabe, die bislang häufig durch die Maschen der Regelversorgung fallen. Für sie wird modellhaft in zwölf Regionen eine ambulant-aufsuchende psychosoziale Gesamtversorgung aufgebaut, die alle individuell erforderlichen Hilfen miteinander vernetzt. „Wenn es gelingt, dieses Modell in die Regelfinanzierung zu bekommen, wäre das der nächste Meilenstein“, sagte Wurm. Er ergänzte: „Wir können auf die Integre stolz sein, denn sie wird zwei Regionen im Modell versorgen, nämlich Augsburg und Ulm“.
In einem Erzähl-Café begrüßte Moderator Thomas Düll, Vorstandsvorsitzender der Bezirkskliniken Schwaben, fünf Teilnehmer, die sich mit dem Thema „Quo vadis – zehn Jahre Integrierte/Besondere Versorgung“ auseinandersetzen sollten: Dr. Thomas Ruprecht von der TK Hamburg, Prof. Dr. Max Schmauß (Ärztlicher Direktor des BKH Augsburg), Dr. Thomas Floeth, Geschäftsführer von „Pinel“ Berlin, Werner Weishaupt, Sprecher der Geschäftsführer der AWO Augsburg sowie Dr. Claudia Halter, Klientin der Integre GmbH. Düll berichtete, dass man auf dem Gebiet der Integrierte Versorgung vor der Gründung von Integre in Schwaben schon viele positive, aber auch manch bittere Erfahrungen gemacht habe. Von Prof. Schmauß wollte der Vorstandsvorsitzende wissen, ob die Kliniken die „natürlichen Feinde der Integrierten Versorgung“ seien. Der Ärztliche Direktor erläuterte, dass das Ziel und der Auftrag seien, psychisch Erkrankte in besonderen Lebensphasen zu behandeln. Dies könne sich jedoch nicht allein auf den stationären Krankenhausaufenthalt beschränken, so Schmauß. Allein in der Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) des BKH Augsburg arbeiteten 40 bis 50 Mitarbeiter. „Wir würden es gern sehen, wenn es gelänge, den Druck auf Kliniken wie die unsere abzumildern. Und wir wären froh, wenn es noch mehr ambulante Versorgungsangebote geben würde, sodass die Klinik nicht so massiv beansprucht wird.“
Düll und Schmauß betonten, dass die Blaue Blume Kaufbeuren das älteste Modell der Integrierten Versorgung in Bayern im Bereich der Psychiatrie ist. In Augsburg sei Pikasso dann später eben speziell für gerontopsychiatrische Patienten aufgebaut worden. „Es floriert“, so Schmauß.
Dr. Claudia Halter litt unter einer Depression und kam nach ihrem Klinikaufenthalt in Kontakt mit Integre. Die Applikationschemikerin und betroffene Klientin sagte: „Integre war ein wichtiger Schritt, dass ich in meinem Leben wieder Fuß fassen konnte.“ Martina Heland-Graef, Vorstandsmitglied bei Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener, wünscht sich viele neue, praktikable und auf Personen zugeschnittene Angebote. „Ich bin froh, dass es Integre hier gibt. Ihr seid so was wie eine Vorbildfunktion.“
Jeder zehnte Euro in der akutstationären Versorgung wandert nach Angaben von Stefan Kronthaler von der AOK Bayern in den Bereich Psychiatrie – Tendenz steigend. „Ich finde es nach wie vor einen guten Weg, Psychiatrie mehr in ambulante Formen zu bringen und diese auszubauen, so der Bereichsleiter. Nils Greve, 1. Vorsitzender des Dachverbandes Gemeindepsychiatrie, ging ebenfalls auf das Modellprojekt „Gemeindepsychiatrische Basisversorgung“ ein. Prof. Reinhold Kilian, Leiter der Sektion Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II der Universität Ulm am Bezirkskrankenhaus Günzburg, ist bundesweit für die wissenschaftliche Evaluation verantwortlich. Er wird gemeinsam mit seinem Team die psychosoziale Versorgung auf ihre Wirksamkeit hin untersuchen. Sechs Leistungserbringer gibt es, so Greve, einer davon ist Integre. Das Modell ist auf vier Jahre angelegt. Greve: „Sollte es erfolgreich sein, ist der Gesetzgeber gefordert, es in die Regelversorgung zu übernehmen.“

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