Landrat Sailer über Aufnahme Geflüchteter: „Die Landespolitik muss dringend handeln“
Unterbringungssituation wird sich zusehends verschärfen
In den vergangenen Tagen sind die ersten ukrainischen Staatsbürgerinnen und -bürger, die vor dem Krieg in ihrer Heimat geflohen sind, im Landkreis Augsburg angekommen. Noch bewegt sich die Zahl der Personen, die den Landkreis Augsburg erreichen, auf niedrigem Niveau. „Wir haben den schuldlos in Not geratenen Mitmenschen unsere Hilfe zugesagt und stehen fest zu unserem Versprechen“, so der Augsburger Landrat Martin Sailer. Doch schon jetzt zeichne sich ein erhebliches Problem ab: „Wir stehen nach meiner Einschätzung ganz am Anfang einer erheblichen Flüchtlingsbewegung und schon jetzt lässt sich in ganz Schwaben beobachten, dass unsere bestehenden Strukturen nicht ausreichen werden, um die Geflüchteten adäquat beherbergen zu können“, mahnt Sailer. Sowohl hinsichtlich der Unterbringungskapazitäten, als auch in Bezug auf Organisation und Koordination müsse jetzt frühzeitig gehandelt werden, da sich die Situation zusehends verschärfen werde.
Private Hilfsinitiativen stellen Ankerzentren vor Probleme
Die Erstaufnahme aller Geflüchteten im Landkreis erfolgt über die Ankerzentren der Regierung von Schwaben, von wo aus die Zuweisung in die Anschlussunterkünfte organisiert wird. Als Notunterkunft hat das Landratsamt im Schullandheim Dinkelscherben eine Unterbringungsmöglichkeit für bis zu 50 Personen geschaffen, die als Zwischenlösung im Falle überlasteter Ankerzentren zur Verfügung steht. „Dieser Puffer wird höchstwahrscheinlich sehr früh erschöpft sein“, so der Landrat. Denn: „Nach unserem Kenntnisstand wird die Zuwanderung fliehender Ukrainerinnen und Ukrainer derzeit weniger durch den Staat, sondern vielmehr durch Privatinitiativen organisiert. Mehrere Busunternehmen initiieren Fahrten ins europäische Umland und holen von dort auf eigene Faust Geflüchtete nach Bayern, ohne dass die Unterbringung dieser Menschen im Vorfeld auf die Beine gestellt werden konnte. Die Ankerzentren werden diesem Zustrom bald nicht mehr Stand halten und wir als Landkreis mit provisorischen Unterbringungen nicht mehr nachkommen“, befürchtet Sailer. Eine zusätzliche Verschärfung der Lage vor allem in Schwaben sei dadurch zu erwarten, wenn eine ungarische Fluggesellschaft– wie gerade kommuniziert wird – tatsächlich insgesamt 100.000 kostenfreie Flüge für ukrainische Staatsbürgerinnen und -bürger aus dem EU-Ausland auch mit Ziel Memmingen in Aussicht stellt. Auch dort sei in Kürze mit einer schwer abschätzbar hohen Anzahl an Zuwanderern zu rechnen, deren Unterbringung geregelt werden müsse.
Quotengerechte Verteilung bald nicht mehr möglich
Die quotengerechte Verteilung auf die Regierungsbezirke und damit die Kernvoraussetzung für eine wirklich bedarfsgerechte Unterbringung könne nur dann dauerhaft funktionieren, wenn eine sinnvolle Koordination der Zuwanderung gegeben ist. Hier sieht Sailer die Landespolitik in der Pflicht: „Die Landespolitik muss dringend handeln, das Ruder übernehmen und die unkoordinierte Zuwanderung reglementieren. Niemandem ist geholfen, wenn er aus Polen oder Tschechien abgeholt und in Deutschland vor einem überlasteten Ankerzentrum abgestellt wird. Daher bitte ich alle hilfsbereiten Bürgerinnen und Bürger eindringlich, für deren Engagement ich mich ausdrücklich bedanken mag, jede Abholung geflüchteter Menschen aus unseren Nachbarländern im Vorfeld mit den Ankerzentren zu koordinieren und sich zu vergewissern, dass für die Abgeholten auch eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit bereitsteht“, fährt der Landrat fort. „Mein deutlicher Appell lautet: Bitte beachten Sie, dass die Aufnahme, Registrierung, Unterbringung und Versorgung weiterer, privat zu uns gebrachter Flüchtlinge so nicht leistbar ist. Initiativen, die jetzt trotzdem Geflüchtete zu uns in den Landkreis bringen, müssten aktuell bis zum Freiwerden von Kapazitäten unter Umständen eigenverantwortlich für deren Unterbringung, Versorgung und Registrierung sorgen.“ Bei allem Respekt für die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung bittet Sailer um Verständnis und Unterstützung dafür, dass eine – im Interesse der Menschen – geordnete Aufnahme nur möglich ist, wenn diese koordiniert und unter Abstimmung mit den Behörden erfolgt. Sonst verursache man ein Chaos, das den Menschen nicht zumutbar ist. „Der Einsatz und die Solidarität in unserer Gesellschaft sind einfach großartig und niemand, der tatkräftig hilft, soll sich durch diesen Appell verletzt fühlen. Aber wir brauchen tragfähige Strukturen und Zusammenarbeit auf allen Ebenen, um den in Not geratenen Ukrainerinnen und Ukrainern wirklich sinnvoll helfen zu können“, betont Sailer.
Unterstützungsangebote aus der Bevölkerung weiterhin willkommen
Alle Bürgerinnen und Bürger, die Wohnmöglichkeiten im Landkreisgebiet zur dauerhaften Anmietung für die Unterbringung von geflüchteten Menschen aus der Ukraine oder anderen Krisengebieten anbieten möchten, können sich diesbezüglich per E-Mail an gm@LRA-a.bayern.de an das Gebäudemanagement des Landkreises Augsburg wenden. Wer private Räumlichkeiten zur Unterbringung von geflüchteten Menschen aus der Ukraine kostenfrei zur Verfügung stellen will, wird gebeten, diese über diverse Plattformen Verfügung zu stellen. Einige sind unter www.landkreis-augsburg.de/ukraine-unterbringung gelistet. Zudem können sich Landkreisbürgerinnen und -bürger auch an die Gemeindeverwaltung in ihrer Wohnsitzkommune wenden. Hier werden ebenfalls Wohnangebote und Kontaktdaten für den Bedarfsfall gesammelt und an das Landratsamt weitergegeben.
Weitere Informationen auf der Internetseite des Landratsamts
Wie man sich für die Hilfesuchenden in der Ukraine privat einsetzen kann und welche Aufenthaltsmöglichkeiten in Deutschland für ukrainische Staatsangehörige bestehen, hat der Landkreis Augsburg unter anderem auf seiner Internetseite www.landkreis-augsburg.de/ukraine zusammengefasst. Außerdem wurde für aufkommende Fragen aus der Bevölkerung das E-Mail-Postfach ukrainehilfe@LRA-a.bayern.de eingerichtet.
Bürgerreporter:in:Landratsamt Augsburg aus Augsburg |
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