Stolperstein für Johannes Grundler, Mordopfer der rigiden Ordnungsvorstellungen der Nazis
Johann Grundler, geb. am 6. August 1905, ermordet im KZ Dachau am 17.6.1942 aus „sozialrassistischen“ Gründen, in Augsburg wohnhaft Weiherweg 17
Familienverhältnisse und Ausbildung
Johann Grundler ist am 6. August 1905 in Augsburg geboren und wohnt Zeit seines Lebens bei seinem Vater Johann und seiner Mutter Creszentia Grundler, geb. Hiermayer in der Weiherstraße 17 in Augsburg-Oberhausen. Seine Schwester Maria ist 15 Monate jünger.
Johann absolviert die Volksschule und arbeitet in Augsburg als Hilfsarbeiter in der Textilindustrie. Sein Lebenswandel ist tadellos, es gibt keinerlei strafrechtliche Vergehen, derer er sich schuldig gemacht hätte.
Opfer der rigorosen Ordnungsvorstellungen der Nazis
Aber das NS-System hat konkrete Vorstellungen von den Verhaltensweisen seiner Bürger.
Johann wird Ende Januar 1937 von der Polizeidirektion Augsburg verhaftet und 3 Wochen später „an das Arbeitslager Dachau abgeliefert“. Aus der Liste im „Verzeichnis von Schutzhaftgefangenen“, welche in das „Konzentrationslager Lager Dachau eingewiesen“ wurden geht hervor, dass er eine 12 Monate dauernde Haft im KZ Dachau zu verbüßen hat. Er wird unter der Häftlingsnummer 29711 geführt.
Johann gilt als Häftling der Kategorie AZR, „Arbeitszwang Reich“, unter welcher hauptsächlich Wanderarbeiter, Obdachlose, Bettler, Landstreicher, Alkoholiker, Kleinkriminelle, ja sogar Personen fallen, die mit Unterhaltszahlungen im Rückstand sind. Auch bei ungenügender Arbeitsleistung und häufigen Fehlzeiten am Arbeitsplatz kann man nach Dachau eingeliefert werden. Diese Personengruppe soll im KZ „umerzogen“ werden.
"Fürsorgliche" Einweisung ins KZ
Auch Wohlfahrtshilfeempfänger, die als „asozial“ und „arbeitsscheu“ gelten, können ab Oktober 1934 nach § 20 der Reichsfürsorgepflichtverordnung (RFV) „fürsorglich“ ins KZ eingewiesen werden. Gegen Personen, die aus dem einen oder anderen Grund keiner dauerhaften Beschäftigung nachgehen und auf Fürsorgeunterstützung angewiesen sind, konzipierte das Bayerische Innenministerium den Vollzug des Arbeitszwangs im KZ Dachau bewusst als „neues, wirksames Zuchtmittel gegen asoziale Personen“.
Wir müssen demzufolge annehmen, dass Johann Grundler „präventiv“ ins KZ Dachau eingewiesen worden ist, und zwar wegen einer Banalität, für die er nicht einmal gerichtlich belangt worden ist.
Rigoroses Vorgehen gegen "Gemeinschaftsfremde"
Unter der Kategorie AZR werden alle Personen registriert, die als „gemeinschaftsfremd“ die Erwartungshaltung der Volksgemeinschaft nicht erfüllen können und „abweichendes Verhalten“ zeigen.
Die genauen Hintergründe für Johanns Verhaftung kennen wir nicht. Was hat er sich in den Augen des Terrorregimes zuschulden kommen lassen? Genau ein Jahr später, am 22.Februar 1938 kommt er wieder frei und zieht wieder zu seiner Mutter in der Weiherstraße 17.
Anfang August 1941 wird er zum militärischen Landesschutz in Berchtesgaden einberufen, kehrt aber von dort bereits nach einer knappen Woche am 12. August 1941 wieder nach Augsburg zurück. Wir müssen annehmen, dass er wegen seines KZ-Aufenthalts als „nicht wehrwürdig“ eingestuft wird.
Erneute Einweisung ins KZ und Ermordung
Am 12. April 1942 wird Johann Grundler erneut ins KZ Dachau eingewiesen. Es ist denkbar, dass Johann nunmehr im „Vorbeugungshaftverfahren“ in Dachau eingewiesen wird. Knapp zwei Monate später stirbt er dort.
Johann ist bei seinem Tod 36 Jahre und 10 Monate alt. Der Leichenschauschein konstatiert als Krankheit „Darmkatarrh und Ödeme“, als Todesursache hält Dr. Jäger, der SS-Hauptscharführer der Reserve und Stabsarzt „Versagen von Herz und Kreislauf“ fest. Als Todesdatum wird der 17. Juni 1942 angegeben. Die Ödeme weisen darauf hin, dass er von den SS-Schergen misshandelt worden ist.
Fingierte Todesursache, fingiertes Todesdatum zur Verschleierung des Mordes
In einem Schreiben an die Lagerkommandantur vom gleichen Tag spricht der Lagerarzt davon, dass Grundler „am 16.6.42 wegen Darmkatarrh und Ödemen in den Häftlingskrankenbau aufgenommen“ worden sei. Beide Beine seien „ödematös geschwollen“. Bei heftigem Durchfall habe sich der Zustand des Patienten rasch verschlechtert. In den Vormittagsstunden des 17. Juni sei er bewusstlos geworden und um 11.15 Uhr verstorben.
Seine Leiche wird umgehend eingeäschert und auf Wunsch der Angehörigen in der Familiengrabstätte im Nordfriedhof Feld 30, Reihe 7, Grab Nr. 67 beigesetzt. Die wahren Gründe seines KZ-Aufenthalts und seines Todes bleiben ungeklärt.
Wir wollen an Johann Grundler mit einem Stolperstein erinnern. Er wurde von brutalen Schergen des NS-Terrorregimes ermordet.
Biografie verfasst von Dr. Bernhard Lehmann, 86368 Gersthofen, Gegen Vergessen-Für Demokratie, RAG Augsburg-Schwaben, Haydnstraße 53, Tel. 0821/497856 bernhard.lehmann@gmx.de
Ausführliche Biografie im Online Gedenkbuch der Erinnerungswerkstatt: www.gedenkbuch-augsburg.de
Quellen und Literatur:
ITS Bad Arolsen, Johann Grundler 29711 AZR;
Stadtarchiv Augsburg, MK 2, Grundler, Johann
Julia Hörath, „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ in den Konzentrationslagern 1933 bis 1938; Göttingen 2017
Ayaß, Wolfgang, "Asoziale" – die verachteten Verfolgten, in: DH 14 (1998), S. 50-66
Wolfgang Ayaß, „Ein Gebot der nationalen Arbeitsdisziplin“. Die Aktion „Arbeitsscheu Reich“ 1938; aus: Beiträge zur Nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik, Bd6, Berlin 1988, S. 43-74: https://kobra.uni-kassel.de/bitstream/handle/12345...;jsessionid=BD55F6A681CE836F4613F17B92BF01F6?sequence=3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/089/190895...
Wohnsitz in Augsburg:
Weiherstraße 17
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Wir freuen uns, wenn Sie die Patenschaft für einen Stolperstein übernehmen.
In diesem Fall wenden Sie sich bitte an folgende e-mail-Adresse: info@stolpersteine-augsburg.de oder aber an bernhard.lehmann@gmx.de
Ein handgefertigter Stolperstein kostet 120 Euro.
Sie können den Betrag überweisen auf das folgende Konto:
Initiative Stolpersteine
IBAN: DE19720900000001290509
BIC: GENODEF1AUB
bei der VR Bank Augsburg-Ostallgäu eG
Bürgerreporter:in:Dr. Bernhard Lehmann aus Gersthofen |
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