Lust auf Literatur
Shirley Jacksons "Spuk in Hill House"

Shirley Jacksons "Spuk in Hill House" (1959) gilt als amerikanischer Literaturklassiker.  | Foto:  bluebeat76/stock.adobe.com
  • Shirley Jacksons "Spuk in Hill House" (1959) gilt als amerikanischer Literaturklassiker.
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Kein lebendes Wesen kann auf Dauer unbeschadet in absoluter Realität existieren; selbst Lerchen und Grillen, so heißt es, müssten deshalb träumen können. Hill House, ein sonderbares Gemäuer, stand für sich allein, mit seinen Hügeln im Rücken, eine Dunkelheit in sich geborgen haltend; es hatte dort seit 80 Jahren so gestanden und wird vermutlich auch die nächsten 80 Jahre dort stehen. Zwischen hohen geraden Wänden, soliden Backsteinen und fachmännisch verlegten Böden waren die Türen im Inneren alle fest geschlossen; eine bleierne Stille lag über Hill House, und was auch immer dort wandelte, es wandelte allein."

So fesselnd und unheilvoll beginnt einer der besten und doch unbekanntesten Klassiker der amerikanischen Romangeschichte: Spuk in Hill House von Autorin Shirley Jackson.

Noch nie gehört, werden sich jetzt einige von Ihnen denken und tatsächlich erfuhren Shirley Jacksons Romane während ihrer Lebzeit (1916-1965) keine besonders große Aufmerksamkeit. Dies lag vermutlich auch an Jacksons Abneigung, ihre Werke mit Literaturkritikern zu diskutieren oder mit Journalisten zu besprechen. Eher hoffte sie, ihre Romane und Geschichten sollten so deutlich sein, dass sie für sich selbst stehen könnten – auch und besonders, was ihre Rezeption, Leitmotive und Themen anginge.

Jackson, die sich vermutlich am ehesten als Hausfrau und Mutter bezeichnet hätte, verfasste neben ihren sechs Romanen und über 200 Kurzgeschichten, welche meist dem psychologischen Horror-Genre zugeschrieben werden, ebenfalls über lange Jahre teilautobiographische Kurzgeschichten über das Leben mit ihren vier Kindern, abgedruckt als Kolumnen in Frauenmagazinen.

Spuk in Hill House, erstmals veröffentlicht im Jahr 1959, ist Shirley Jacksons fünfter Roman. Angelehnt an das literarische Genre des Southern Gothik ist Spuk in Hill House aber keinesfalls eine reine Gruselgeschichte. Vielmehr webt die Autorin vor dem Hintergrund einer (zugegebenermaßen wenig unkonventionellen) Kulisse eines scheinbar von Geistern heimgesuchten Hauses ein vielschichtiges psychologisches Portrait ihres Hauptcharakters Eleanor.

Darum geht es
Eleanor, eine junge Frau Mitte 20, findet sich nach einer Einladung eines Wissenschaftlers zu einem Aufenthalt in Hill House ein. Dort erfährt sie den wahren Grund dieser Einladung: In Hill House gehen wohl unerklärliche Dinge vor sich und der engagierte Dr. Montague möchte mithilfe von Eleanor und zwei weiteren Probanden einige dieser Phänomene zu Untersuchungszwecken dokumentieren.

Diese unerklärlichen Geschehnisse lassen im Folgenden nicht lange auf sich warten. Jackson tut ihren Lesern und Charakteren allerdings nicht den Gefallen, diese a la Christies Poirot scharfsinnig als menschengemachte Schandtaten zu entlarven noch erfährt man die Genugtuung, „das Böse“ kennen und verstehen zu lernen. Stattdessen ist Jackson eine Meisterin der Stimmung. In wenigen, wohlgewählten Sätzen verwandelt sich eine bisher scheinbar alltägliche Szene in eine Situation, die ihren Charakteren die Haare zu Berge stehen und ihren Lesern vor Spannung den Atem stocken lässt.

Und so endet diese Erzählung wie sie begonnen hat, ihre Leser zurücklassend in dem unheilvollen Wissen, dass nur Eines sicher ist:

Hill House, ein sonderbares Gemäuer, stand für sich allein, mit seinen Hügeln im Rücken, eine Dunkelheit in sich geborgen haltend; es hatte dort seit 80 Jahren so gestanden und wird vermutlich auch die nächsten 80 Jahre dort stehen. Zwischen hohen geraden Wänden, soliden Backsteinen und fachmännisch verlegten Böden waren die Türen im Inneren alle fest geschlossen; eine bleierne Stille lag über Hill House, und was auch immer dort wandelte, es wandelte allein.

  • Mit 246 in der englischsprachigen Originalausgabe und vermutlich einigen wenigen Seiten mehr in der deutschen Fassung ist Hill House perfekt für einen langen Leseabend geeignet.
  • Wer lieber kuckt statt liest, dem seien die bisher drei Adaptionen des Romanklassikers empfohlen: „Bis das Blut gefriert“ (1963), „Das Geisterschloss“ (1999), eher lose an das Romanwerk angelehnt, und das neueste Remake, eine Serie aus Netflix-Produktion, „Spuk in Hill House“ (2018).
myheimat-Team:

Katharina Soffer aus Augsburg

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