Augsburger Puppenkiste
Scholz aus Holz – In der Augsburger Puppenwerkstatt
Wir werfen einen Blick hinter die Kulissen des berühmten Augsburger Marionettentheaters.
Ein Gespräch mit dem passionierten Puppenbauer Florian Moch.
Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, wer hinter den Kulissen des berühmtesten deutschen Marionettentheaters – der Augsburger Puppenkiste – die Fäden in der Hand hält? Wer das Urmel erschuf, Jim Knopf sein Lachen lieh oder dafür sorgte, dass der bayerische Ministerpräsident Markus Söder von Angesicht zu Angesicht "seinem Holzkopf" in die Augen blickte?
All diese zauberhaften und unterhaltsamen Momente haben wir einem großen Kreativ-Team, das hinter der Augsburger Puppenkiste steckt, zu verdanken. Eine Gruppe von knapp zwanzig Menschen, die mit Herzblut daran arbeiten, eine Illusion für uns am Leben zu halten. Dabei ist jede und jeder von ihnen ein künstlerisches Multi-Talent: Sie schnitzen, nähen, erfinden, schreiben, spielen.
Einer von ihnen ist der Augsburger Florian Moch. Er baute beispielsweise die berühmte Olaf Scholz-Puppe, die im Kabarett-Programm der Augsburger Puppenkiste regelmäßig Verwendung findet. Außerdem schrieb er 2023 das Märchen „Rapunzel“ neu. In der zeitgemäßen Fassung tritt eine emanzipierte Rapunzel auf, die nicht auf den Prinzen wartet, der sie befreit. Sie nimmt ihr Schicksal selbst in die Hand. Eine klare Botschaft für junge Mädchen.
Eine Faszination, die seit Jahrzehnten besteht
Florian Moch ist Autodidakt. Der 36-Jährige bastelte bereits im Alter von fünf Jahren seine erste Marionette: Ein kleines Gespenst mit einem runden Kopf aus Styropor. „Ich habe als Kind wohl zu oft die Puppenkiste im Fernsehen gesehen“, lacht er. Die Faszination blieb ihm erhalten. Über Jahre pflegte er das Puppenbauen und Puppenspiel als Hobby, schrieb sogar kleine Stücke.
„Mit 19 habe ich angefangen, meine Puppen aus Lindenholz zu schnitzen. Das ist auch das Material, aus dem Marionetten für die Puppenkiste gebaut werden.“
Fünf Jahre später verwirklichte er seinen Traumberuf in den berühmten Wänden des Theaters, das seit seiner Gründung im Augsburger Heilig-Geist-Spital beherbergt ist.
„Ich habe Theaterwissenschaft und Deutsche Philologie studiert, habe also auch einen theoretischen Hintergrund. Neben dem Puppenbau inszeniere ich Stücke, bin also als Regisseur und Autor in der Puppenkiste tätig. Das Puppenbauen habe ich mir mithilfe von Dokumentationen und Büchern, die es über die Puppenkiste gibt, selbst angeeignet. Ich habe mir angeschaut, wie das Hannelore Marschall-Oehmichen gemacht hat.“
Mehr als ein Kinderspiel
Hannelore Marschall-Oehmichen war die Tochter des Gründers der Augsburger Puppenkiste: Walter Oehmichen. Oehmichen und seine Frau Rose gründeten das Theater 1948. Dabei hatten sie ehrbare Absichten: Sie wollten den Deutschen in der schweren Nachkriegszeit eine Ablenkung bieten. Denn das Phänomen erlebte Walter Oehmichen als Soldat im Zweiten Weltkrieg an eigener Haut. Während einer Stationierung in Calais, Frankreich, sieht er ein kleines Puppentheater und stellt fest, dass Puppen den Menschen Freude bereiten und ihnen ein Lachen schenken. Sogar unter den düstersten Umständen.
Also bauten er, seine Frau und die beiden Töchter Ulla und Hannelore ein mobiles Puppentheater, das in eine Kiste passt und verreisen kann. Daher stammt der Name "Augsburger Puppenkiste".
Eine "Tradition": Die Werkstatt befindet sich im eigenen Keller
Bis 2003 schuf Hannelore Marschall-Oehmichen die Mehrheit der Marionetten der Augsburger Puppenkiste. Über 6.000 waren es im Laufe ihres Lebens.
Sie gab das Handwerk an ihre Söhne Jürgen und Klaus weiter. Klaus Marschall leitet die Puppenkiste seit 1993. Sein Bruder Jürgen folgte dem Puppenbauer-Erbe. Nach dem Tod von Jürgen Marschall im Jahr 2020 ist Florian Moch hauptsächlich für die Fertigung der Marionetten verantwortlich. Er ist der Schwiegersohn von Klaus Marschall, heiratete seine Tochter Melanie, die mit ihrem Vater heute gemeinsam die Puppenkiste leitet.
Das Besondere: Die Puppenwerkstatt der Familie Marschall-Oehmichen befand sich stets im Keller ihres Familienhauses. So tut es ihr auch Florian Moch gleich und werkelt im Souterrain der eigenen vier Wände.
Eine Puppenbau-Ausbildung finde bei der Augsburger Puppenkiste nicht statt, so Moch. Dennoch seien nachfolgende Generationen gesichert. „Es ist so, dass Kollegen auch mal Puppen bauen und sich daran versuchen, und klar, da gibt man Tipps. Außerdem gibt es Praktikanten, die mal eine Figur bei uns bauen.“
So lange dauert der Puppenbau-Prozess
Ungefähr 50 Stunden dauere es, bis eine Figur fertig ist und an den Fäden hängt, erzählt Moch. „Da ist dann das Kostüm aber auch schon mit eingerechnet.“
„Der reine Puppenbau ist das Schnitzen. Alles, was zum Körper gehört, wird aus Holz und verschiedenen anderen Materialien gemacht. Das nimmt den Großteil der Zeit in Anspruch. Es hängt auch immer davon ab, was für Figuren man baut. Porträt-Figuren sind aufwendiger, zeitintensiver.“
Scholz war ein einfaches Gesicht
Schwierig zu schnitzen seien Gesichter von Porträt-Figuren, die wenig markant sind. Die Gesichtszüge von so manchem Spitzenpolitiker kamen Moch dabei zugute.
„Olaf Scholz hat eine markante Kopfform und markante Augen. Das war eine Figur, die sich ganz gut hat machen lassen.“
Einen Kopf, der ihm bisher nicht gelungen ist, gebe es nicht. „Man muss sich die markanten Merkmale eines Gesichts raussuchen. Ich schaue mir verschiedene Karikaturen zur Vorbereitung an. Dann muss man versuchen, das auf den Puppenkisten-Kopf zu reduzieren, weil die Gesichter ja etwas einfacher, naturalistischer gehalten sind.“
Söder nahm es mit Humor
Florian Moch bekam bereits Feedback von den "Originalen" seiner Meisterwerke.
„Markus Söder hat sein Double letztes Jahr getroffen. Er hat eine Ehrenpatenschaft für seine Figur übernommen. Er hat die Ähnlichkeit bestätigt und gefragt, ob seine Nase auch so groß wäre“, schmunzelt Moch und blickt zurück.
„Ein Bela B-Double, mit dem ich ein Musikvideo gedreht habe, habe ich vor einigen Jahren geschnitzt. Auch er hat sich über sein Double gefreut.“ Bela B ist ein Mitglied der Punkrock-Band „Die Ärzte“. Die Zusammenarbeit war für Moch ein ganz persönliches Highlight. „Der Musikvideodreh hat viel Spaß gemacht. Ich arbeite gerne an Projekten, die etwas ‚abseits‘ vom normalen Betrieb sind. Das Musikvideo war ein Projekt, das man nicht jeden Tag macht."
Ende der TV-Karriere – Ende des Theaters?
Große Berühmtheit erlangte die Augsburger Puppenkiste durch ihre Ausstrahlung im Fernsehen. 1953 feierten die Puppenstars mit "Peter und der Wolf" TV-Premiere. 2011 war Schluss – KiKa stellte die Augsburger ein. Die Inszenierungen seien aus Sicht der Fernsehmacher den Kindern heutzutage schlicht zu langweilig.
Auf die Frage, ob sich das Ende der TV-Karriere vor Ort bemerkbar mache, hat Florian Moch eine klare Antwort: "Wir merken es tatsächlich nicht so stark, weil die Theaterarbeit die gleiche geblieben ist."
Die Puppenkiste blieb also stets bodenständig und ihrem Ursprungsgedanken treu: Mit traditionellen Materialien eine Traumwelt zu erschaffen und unsere Fantasie anzuregen.
Sich aus Profit der Schnelllebigkeit zu beugen, passt nicht in das Konzept der Schwaben. Nicht umsonst erschaffen sie aus Holz etwas, das beständig ist. Was nicht bedeutet, dass sie ihre Stücke nicht an die Themen unserer Zeit anpassen. Eines steht fest: Die Augsburger Puppenkiste bleibt auch 2024 Kult.
Die Puupenkiste mit Jim Knopf und Co hat meine eigene Kindheit bereichert. Ich glaube nicht, dass ein Marionettentehater für die heutigen Kinder zu langweilig wäre. Würde auch gern einmal Olaf Scholz in Aktion in der Puppenkiste sehen. Wäre doch mal was: eine satirische Fernsehsendung mit Marionetten.