Geschichts- und Kulturreihe: 6

Rituale: Hokuspokus oder Alltag?

Wenn wir an Rituale denken, stellen wir uns Hexen vor oder brennende Kräuter, mit welchen Geister und Dämonen heraufbeschworen werden. Dabei sind Rituale so viel einfacher und im täglichen Leben eines Jeden wiederzufinden. Aber fangen wir doch von vorn an.

Laut Definition ist ein Ritual eine menschliche Handlungsabfolge, die durch Wiederholung, Aufführungscharakter, Performativität und Symbolizität gekennzeichnet ist und eine wichtige soziale strukturbildende Wirkung besitzt. Runtergebrochen heißt das, dass ein Ritual sich wiederholt und zwar immer in der gleichen Ausführung und zusätzlich für den Menschen eine wichtige Bedeutung hat. Wenn sie also immer gleich sind, können Rituale immer wieder erkannt und erwartet werden, man kennt sie ja schon. Zudem gibt es für bestimmte Rituale sogar sogenannte ‚Ritualskripte‘, in diesen steht die Anleitung zur Ausführung. Nicht nur der Ablauf ist wichtig, auch die zeitliche und räumliche Abtrennung, also zu bestimmten Anlässen wird ein Ritual praktiziert, mit bestimmter Kleidung, mit bestimmten Symbolen, das impliziert, dass das Ritual eine bewusste Entscheidung des Menschen ist, es geschieht nicht einfach so.

Doch nun zu den Ritualen, die wir nicht mehr als solche wahrnehmen. Bundeskanzler müssen vor dem Amtsantritt die Wahl annehmen, dafür sollten sie eigentlich aufstehen. Merkel stand auf und nahm die Wahl an, Olaf Scholz änderte das Ritual und blieb sitzen. Das nahmen nicht alle so positiv auf und es entstanden einige Debatten. Bleiben wir bei Präsidenten, Barack Obama, ehemaliger US-Präsident, legte seine Hand auf die Bibel und legte seinen Eid ab, doch er setzte „faithfully“ (=treu) an der falschen Stelle ein und es folgte eine Debatte, ob er danach nun der Präsident ist oder nicht und da die äußere Symbolik in Ordnung war, wurde dem stattgegeben. Also: Präsidents- und Kanzlerantritte sind Rituale und haben stets dieselbe Symbolik. Rituale kennzeichnen ein vorher und ein nachher, in diesem Beispiel war es der Amtswechsel. Andere Beispiele wären: Die Heirat, hier wird aus zwei Menschen ein Ehepaar, das geschieht durch den Ringwechsel. Der Gelehrte wird endlich zum Doktor ernannt, hier wird der Titel verliehen und ändert dadurch den Status. Bei einer Beerdigung verabschieden wir uns von einem Lebenden, der nun zum Toten wurde.

Natürlich haben gibt es auch Rituale, welche nicht unter Menschen passieren. So gehören hierzu Fruchtbarkeitsrituale, in welchen höhere Kräfte angerufen werden, Frauen die Fruchtbarkeit zu geben. Anders als bei der christlichen Religion, wird hier nicht um die Hilfe gebeten, sondern es wird konkret danach verlangt. Zum Verständnis: Das Ritual sagt ‚Gib‘ ihr die Fruchtbarkeit ‘ das Gebet sagt ‚Wir erbitten Ihre Fruchtbarkeit‘.

Aber wo bleiben die Rituale des Alltags? Vor einer Reise setzt man sich aufs Bett und wartet kurz, bevor man losgeht, hier wird der Mensch vom ‚Bleibenden ‘ zum Reisenden. Dies wird vor allem in der osteuropäischen Kultur praktiziert. Verwechseln Sie Rituale aber nicht mit Routinen, den Kaffee in der Früh müssen Sie mit etwas verbinden, also: Bedeutet Kaffee in der Früh für Sie in den Tag zu starten oder sich auf diesen vorzubereiten, so ist es ein Ritual. Ganz zugespitzt kann der Kaffee auch als Symbol verwendet werden, er lässt den schlafenden Menschen nämlich zum wachen Menschen werden.

Welches Ritual haben Sie? Schreiben Sie es in die Kommentare! :)