King Arthur: Pinguine und Herzkissen versprühen Flair bei Premiere im Theater Augsburg

Philidel arbeitet jetzt für Merlin ©A.T.Schaefer | Foto: ©A.T.Schaefer
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Bei der Premiere der Dramatik-Oper „King Arthur“ von Komponist Henry Purcell und Dichter John Dryden haben sich am Samstagabend, 7. Mai 2011, im Großen Haus nicht nur die Schauspieler, Musiker und Balletttänzer ins Zeug gelegt. Die Inszenierung von Sigrid Herzog mit dem Bühnenbild von Bernhard Kleber und der Choreographie von Eric Gauthier überzeugte.

Die Musik unter der Leitung von Carolin Nordmeyer mutete höfisch an und bis aufs Finale mit einer Rock-Einlage mit Sachsenkönig Oswald (Toomas Täht) am Schlagzeug an sich wenig vielfältig, passte aber trotzdem gut ins unterhaltsame Stück. Interessant: Der Orchestergraben in Schiffsform, der sich mustergültig in die Kulisse des Burgrondells einfügte, befand sich in der Bühnenmitte und konnte je nach Bedarf und Szene nach oben manövriert werden. Lediglich die Dramaturgie von Oliver Binder hatte für ungeübte Theatergänger zu viele Sprünge.

Es war teils schwierig, nachzuvollziehen, was gerade passierte. Denn die Geschichte wurde in englischsprachigen Liedern erzählt, während das Schauspiel ganz andere Sequenzen herüberbrachte. Die Übersetzung stand auf einer Texttafel ganz oben an der Bühne, wodurch der Theaterbesucher in Szenen, in denen viel passierte, schon einmal den Überblick verlieren konnte – wenngleich die Zeilen sehr lange eingeblendet wurden. Der Schluss wurde allerdings auf Deutsch erzählt und via Texttafel ins Gälische übersetzt.

Eine Leinwand im Breitformat rechts hinten auf der Bühne stellte eine technische Unterstützung dar. Ihr Sinn war jedoch nicht immer verständlich. So flog beim ersten Einsatz ein Flugzeug durchs Bild. Später, als Emmeline von Cornwall (Judith Bohle) ihr Augenlicht wiederfand, filmte ihre Dienerin Matilda (Olga Nasfeter) ihre ersten Schritte mit einer Videokamera. Blindenheilung live – und das innovativ und stimmig. Doch die Permanenteinblendung des Buchstaben A (für Arthur) links oben und O (für Oswald) auf der Gegenseite, wirkten fehl am Platz, zumal wie auf einer Anzeigetafel im Fußballstadion letztendlich ein 0:0 aufleuchtete.

Handlung und Besetzung
Die Story der Dramatik-Oper „King Arthur“ handelt vom König der Briten (Nicholas Reinke), der einerseits den Sachsenkönig Oswald im Krieg schlagen, andererseits mit der Hilfe von Merlin (Klaus Müller) und Luftgeist Philidel (Grit Paulussen, Sophia Christine Brommer) die Magie von Erdgeist Grimbald (Thomas Kornack) bezwingen muss. Noch dazu geht es um die Liebe zu einer blinden Adligen. Emmeline liebt Arthur, doch auch Oswald und schließlich sogar Grimbald begehren die Schöne im roten Kleid.

Magie, Machtwechsel auf Seite der Sachsen und Liebe wider jeder Vernunft bestimmen das Geschehen. Oswald ist geschlagen, jedoch gelingt ihm der Raub von Emmeline. Arthur will sie zurück, bietet dem Sachsenkönig dafür sogar das halbe Reich. Doch die männliche Ehre in Oswald lehnt ab. Stattdessen kommt es am nächsten Morgen zum Duell der Könige. Doch bis dahin wird gezaubert, was das Zeug hält. Die Geister messen sich mit Naturzaubern, Grimbald versetzt Oswald in Tiefschlaf um an Emmeline heranzukommen, Merlins grüner Trank gibt dem Mädchen in Gefangenschaft gesunde Augen und Arthur besteht mit Ach und Krach die Prüfungen im Zauberwald.

„Steig nackt mit uns ins Bad“ frohlocken zwei knackige Töchter des Waldes. Es folgt eine Hippie-Hochzeit mit großem Ensemble und das entscheidende Trugbild – der Baum der Täuschung -, den Arthur nur mit Hilfe von Philidel übersteht. Schon zuvor hatte der Luftgeist die Briten sicher durch den stimmig präsentierten Sumpf mit stäbeschwingend auf dem Rücken liegenden und einheitlich dunkel gekleideten Schauspielern mit dämonischen Masken geführt.

Höhepunkte der Inszenierung von „King Arthur“ in Augsburg
Ein heulender Philidel mit schlohweisem Haar flieht vor Grimbald, tritt in die Dienste von Merlin und sorgt für mächtig Laune und Rabatz. Ein drolliges Völkchen sind die Luftgeister – und Philidel avanciert mit keckem Schauspiel schnell zum Publikumsliebling. Sogar einen Hauch von Slam Poetry bringt Grit Paulussen mit bühnentauglicher Versbetonung in einer Szene ins Stadttheater Augsburg.

Anmutige Balletteinlagen sorgen nicht nur für ein bisschen Akrobatik und Action auf der Bühne, sondern fügen sich durch ausgeklügelte Choreographien auch hervorragend ins Stück ein. Schon in der ersten Ballettszene – der sächsischen Opferzeremonie – sieht der Zuschauer den drei Gogos des Mittelalters die Angst vor den vier in Schwarz getauchten Priestern mit venezianisch wirkenden Masken an. Aber auch als quietschbunte Initialzünder der Kommune im Zauberwald und beim Eisschnelllauf in Slow Motion mit anschließender Gipfel“bekriechung“ mit Anbringen des Gipfelkreuzes und Gruppenfoto wissen sich die Tänzerinnen und Tänzer ins Rampenlicht zu spielen.

Alles Gute kommt von oben. Personentransportkörbe kommen in zahlreichen Szenen von der Decke hängend zum Einsatz und legen beträchtliche Strecken in der Luft zurück. Ob Merlin, Philidel oder die Göttin der Liebe beim angedeuteten Schäferstündchen mit Cupido, dem Geist der Kälte – nur die Guten schwebten. Oder hingen wie Philidel nach einem Zauber in der Luft.

Bewirkt hat diesen Zauber Grimbald. Den Erdgeist mit betont mopsgerolltem Körper und Schutzbrille nimmt der Zuschauer zunächst gar nicht als magisches Wesen wahr. So wenig Grazie hat er im Vergleich mit den Luftgeistern. Doch im Verlauf des Stücks stellt sich heraus: Das Kostüm ist trefflich gewählt und die Rolle mit Thomas Kornack sehr gut besetzt. Man kauft ihm nicht nur den Bösewicht ab, sondern er glänzt insbesondere in der Szene, in der Emmeline plötzlich sehen kann. Als der hässliche Grimbald dies bemerkt, macht er einen auf Bodybuilder und zeigt seine Muckis.

Als die Zurschaustellung seines Körpers nicht fruchtet, will Grimbald Emmeline beeindrucken, indem er ihr zeigt, wie die Göttin der Liebe Cupido aus der Kälte erwärmt. Sie befreit ihn aus dem „ewigen Schnee“ - einer Tiefkühltruhe – und wirft mit Herzkissen um sich. Auch Merlin und Philidel tauchen plötzlich in Mäntel gehüllt in der Kälte auf und entledigen sich ihrer Zwiebelschichten aus Stoff beinahe in Strippermanier. Kurz bevor der Ausflug zur Liebesgöttin und Cupido in Langatmigkeit zu münden droht, sorgen Pinguine für lockere Unterhaltung. Einfälle hatten die Verantwortlichen aller Bereiche wirklich reichlich. Auch wenn die Verwendung von nicht mittelalterlichen Requisiten und Accessoires wie modifizierten Turnschuhen, Dosenbier und Bierflaschen, einem Klapprad, Ghettoblaster und dem Motto „blinde Frauen an die Hundeleine“ Geschmackssache ist.

Alles in allem ist „King Arthur“ am Stadttheater Augsburg eine gelungene, innovative und sehenswerte Aufführung, die Fans von Theater, Oper und Ballett gleichermaßen begeistern dürfte. Das Vergnügen dürfte noch gesteigert werden, wenn man sich vorher schon mit der Geschichte befasst.

Weitere Termine 2011: Do, 12.05. / Do, 19.05. / So, 22.05 / Fr, 03.06. / Mi, 08.06.

Bürgerreporter:in:

Michael S. aus Neusäß

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