Vielfalt statt Einfalt - Ein Gespräch mit der Sabine Fischer (H<sub>2</sub>O)

Sabine Fischer
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oberhauser : Das Jugendhaus trägt als Namen die chemische Bezeichnung für Wasser. Was hat es mit diesem Namen genau auf sich?

Sabine Fischer: Dahinter verbirgt sich eine ganz pfiffige Idee. Die Abkürzung steht für Hirblinger Straße 2, Oberhausen.

oberhauser : Häufig werden die Begriffe „verbandliche“ und „offene“
Jugendarbeit gegenübergestellt. Die „verbandliche“ Jugendarbeit passiert vor allem in Vereinen und Verbänden und wendet sich dementsprechend primär an Vereins- bzw. Verbandsmitglieder, während die „offene“ Jugendarbeit keine so feste, inhaltlich homogene Zielgruppe hat. Ist das Jugendhaus H2O offen für alle Jugendlichen?

Sabine Fischer: Das Jugendhaus H2O ist eine komplett „offene“ Einrichtung. Wir haben Jugendliche aus 15 Nationen hier. Wir können den Anspruch auf „Integration ausländischer Jugendlicher“ nicht nur erheben, sondern auch konkret umsetzen. Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen Jugendlichen ist in etwa ausgewogen, unsere Zielgruppe bewegt sich altersmäßig zwischen 10 und 20 Jahren.

oberhauser : Inwieweit werden die Jugendlichen selbst in die Jugendarbeit miteinbezogen?

Sabine Fischer: Diesen Gedanken verfolgen wir mit Nachdruck. Im pädagogischen Sprachgebrauch nennt sich dieser Ansatz „empowerment“. Damit ist der Versuch gemeint, die Jugendlichen sowohl in die Angebotsgestaltung als auch in die Alltagsgestaltung einzubinden. Bei uns betreuen die Jugendlichen die Theke. Eine „Disco-Gruppe“ ist für die Organisation von Partys zuständig.
Von der Flyer-Gestaltung bis zur Ausführung sind die Jugendlichen selbst für diese „Events“ verantwortlich.

oberhauser : Und die Jüngeren können von den Älteren eine Menge
lernen?

Sabine Fischer: Genau. Das funktioniert bei unseren Hip-Hop-Tanzaktionen besonders gut.

oberhauser : Die Jugendarbeitslosigkeit hat erschreckende Ausmaße angenommen. Welchen Beitrag können Sie hier vor Ort leisten, um den Jugendlichen eine Perspektive aufzuzeigen?

Sabine Fischer: Unsere Jugendlichen sind natürlich in hohem Maße von dieser Problematik betroffen. Das kann man nicht abstreiten. Wir haben hier sehr viele Förderschüler bzw. Hauptschüler mit Schulproblemen. Deshalb versuchen wir, eine präventive Förderung wie Hausaufgabenbetreuung oder Unterstützung beim Bewerbungsschreiben anzubieten. Ein weiterer Ansatzpunkt besteht darin, den Jugendlichen im Freizeitbereich Erfolgserlebnisse zu vermitteln.

oberhauser : Welche Angebote können die Jugendlichen im Jugendhaus
H2Onutzen?

Sabine Fischer: Wir haben nebenan einen Medienraum, wo die Jugendlichen im Internet surfen können. Dort kann man aber auch Bilder oder Tonaufnahmen bearbeiten. So stellen unsere Jugendlichen selbst die Tapes für ihre Tanzauftritte zusammen. Des Weiteren haben wir hier ein großes Spielangebot. Das reicht von Billard über Playstation bis hin zu Gesellschaftsspielen. Außerdem spielt der Hallensport, der in der Kapellenschule stattfindet, eine wichtige Rolle.

oberhauser: Wie viel Jugendliche besuchen pro Tag in etwa das Jugendhaus H2O?

Sabine Fischer: Ich möchte zunächst darauf hinweisen, dass wir von Dienstag bis Samstag geöffnet haben. Im Winter sind es ca. 70 bis 80 Jugendliche pro Tag, die unser Angebot nutzen, im Sommer geht die Zahl natürlich zurück, aber es sind auch in dieser Jahreszeit immerhin noch 30 bis 40 Besucher. Bei größeren Aktionen wie Tanzveranstaltungen ist entsprechend mehr los.

oberhauser: Kommen wir nun zu den Problemfeldern der Jugendarbeit.
Wie sieht es im Stadtteil Oberhausen mit Jugendkriminalität aus?

Sabine Fischer: Da braucht man gar nicht lange darum herumreden: Natürlich haben wir in Oberhausen - im Vergleich zu den anderen Augsburger Stadtteilen - eine erhöhte Jugendkriminalität. Im Stadtteil Bärenkeller sieht die Situation wieder ganz anders aus: Dort haben wir eine breitere Mittelschicht, die Jugendlichen sind ganz stark in das Vereinsleben eingebunden. Oberhausen ist dagegen ein „heißes Pflaster“. Das muss man nüchtern sehen. Wir bieten deshalb auch viele gewaltpräventive erlebnispädagogische Aktionen an, um die Jugendlichen auf die „richtige Bahn“ zu bringen.

oberhauser: Jugendliche sind häufig anfällig für rechtsradikale Parolen.
Sieht man sich den Strukturatlas der Augsburger Stadtteile genauer an, dann fällt auf, dass der Stadtteil Oberhausen eine relativ hohe Ausländerquote aufweist. Existiert in Oberhausen eine rechtsradikale Szene?

Sabine Fischer: Diese Vermutung liegt nahe, aber eine aktive rechtsradikal Szene gibt es in Oberhausen nicht!

oberhauser: Sie kümmern sich sicherlich auch verstärkt um die Integration ausländischer Jugendlicher. Inwieweit ist es Ihnen gelungen, diesen Integrationsprozess voranzutreiben?

Sabine Fischer: Das Zusammenleben der ausländischen und deutschen
Jugendlichen klappt im Jugendhaus H2O erstaunlich gut. Abgesehen von
kleineren Reibereien und Konflikten ist es im Großen und Ganzen ein friedliches Miteinander.

oberhauser: Wie verstehen sich die Jugendlichen unterschiedlicher
Schularten? Sind Berührungsängste zwischen Gymnasiasten, Realschülern und Hauptschülern festzustellen?

Sabine Fischer: Haupt- und Förderschüler stellen mit ca. 65 Prozent den
größten Anteil. Wenn man unsere Jugendlichen nach Schularten aufschlüsselt, dann fällt auf, dass relativ viele Realschülerinnen ins Jugendhaus H2O kommen.
Vereinzelt kommen aber auch Gymnasiasten. Ich schätze ihren Anteil auf etwa 10 Prozent. Wenn alle eine gemeinsame Aktionen machen, dann funktioniert das Zusammenleben gut. Das ist zum Beispiel beim Tanzen der Fall. Eine strikte Trennung nach Schularten gibt es bei uns aber nicht.

oberhauser: Wenn Sie auf Ihre bisherige Tätigkeit als Leiterin des Jugendhauses H2O zurückblicken: Welche Ziele haben Sie bereits erreicht? Worauf sind Sie besonders stolz?

Sabine Fischer: Dass im Jugendhaus H2O ein friedliches Miteinander der
Kulturen stattfindet und gelebt wird, freut mich besonders. Wir veranstalten so genannte „Kulturenabende“, wo jede Kultur ihre Besonderheiten darstellen kann. Das kommt richtig gut an - mit Livemusik und Beteiligung von Vereinen.

oberhauser: Frau Fischer, vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Joachim Meyer
Bilder: Joachim Meyer und Jugendhaus H2O

myheimat-Team:

Joachim Meyer aus Friedberg

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