Alltägliche Liebesbeweise
oder It's hard to say "I love you"...........................................
Manchmal stellt uns die Realität des Lebens vor unfassbar schwierig verständliche Tatsachen: z.B. dass trotz intensiver Bemühungen der schmutzige Tellerberg in der Küche sich wie durch Zauberhand jedes Mal aufs Neue stapelt, obwohl man doch erst letzte Woche den Abwasch erledigt hatte; oder dass das Klopapier immer nur dann ausgeht, wenn man es am "dringendsten" brauchen könnte; oder die Milchtüte sich grundsätzlich am Sonntag als gänzlich leer erweist, wo man doch eigentlich gerade heute ein romantisches Frühstück im Bett genießen wollte. Doch noch verständnisloser stehen wir den vielen alltäglichen Liebesbeweisen gegenüber, von denen wir allerdings meist gar nicht wissen, dass es welche sind…
Wissen Sie beispielsweise, warum wir Frauen eigentlich so viel reden? Weil wir ganz genau wissen, dass der Mann an unserer Seite auf jeden Fall vor uns diese Welt verlassen wird – die Lebensdauer des Mannes wird in der Regel durch permanenten Stress, zu viel Arbeit, harte Konkurrenz und andere biologisch aufreibende Tätigkeiten extrem verkürzt! Und weil wir jeden Tag damit rechnen müssen, dass man uns ohne Vorankündigung "verlässt", sind wir bemüht, alle Informationen, Gefühle und Bekenntnisse möglichst rechtzeitig vor diesem traurigen, aber unvermeidlichen Ende loszuwerden. Unsere verbale Inkontinenz ist im Grunde genommen also keine beabsichtigte Nörgelei oder genussvoller Terror – es ist unsere Art den Männern zu zeigen, dass wir sie brauchen, sie vermissen werden, wenn sie eines Tages nicht mehr sind und sie eigentlich von ganzem Herzen lieben!
Dieser Art versteckte Liebesbeweise gibt es in unserem Alltag zuhauf – sie zu finden und richtig zu verstehen ist eine schwierige Aufgabe, selbst für eine Frau wie mich. Und doch ist die Entdeckungsreise in die Untiefen der Möglichkeiten, einem Menschen zu sagen, dass man ihn liebt, meiner Meinung nach, eine spannende Angelegenheit, bei der man viele Überraschungen erleben kann. Wenn man weiß, wonach man suchen muss, allerdings. Denn die meisten Liebesbeweise verbergen sich hinter den banalsten Dingen des Alltags, und anstatt uns zu erfreuen, ärgern sie uns wohl eher. Und so möchte ich diesmal den Versuch unternehmen, wenigstens ein paar der Phänomene richtig zu übersetzen.
Nehmen wir z.B. das unbändige Verlangen unserer Männer, sich am Wochenende unter dem Auto zu verkriechen, anstatt bei Schwiegereltern zu Mittag zu essen. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob er so dem unvermeidlichen Kritisieren, Nörgeln und Verbessern aus dem Weg gehen will. In Wahrheit aber sorgt er nur für unsere Zufriedenheit und Bequemlichkeit! Denn die frisch gebürsteten Sitze sollen verhindern, dass unser neues sündhaft teueres Kleid, Gott bewahre, gemeine Flecken abbekommt, die mit viel Selbsteinsatz eingebauten Riesenboxen im Kofferraum sollen mit ihrem satten Sound unsere Ohren auf dem nächsten Ausflug ins Grüne erfreuen und das technisch einwandfreie Funktionieren der Klimaeinlage ist in erster Linie uns gewidmet, auf das wir auf dem Weg zu einer wichtigen Party bei tropischen Temperaturen des nächsten Jahrhundertsommers uns nicht für hässliche Schweißflecken unter den Achseln schämen müssen und für unser frisches, gepflegtes Aussehen von allen Anwesenden, vor allem von anderen Frauen, beneidet werden können.
Das Gleiche gilt auch für die unmöglichsten "Schnäppchen", die Männer mit stolz gewölbter Brust nach Hause schleppen, wie das dritte Paar Gartenhandschuhe, die neueste Sorte Motoröl, die nächste unentbehrliche Kreissäge, der noch größere Hammer und die fünfte Dose Parkettpolitur. Auch wenn manch eine Garage oder Heimwerkstatt mittlerweile besser sortiert ist als OBI oder sonst ein Bauhaus – für einen Mann gilt die Regel: für alle Widrigkeiten des Daseins das passende Werkzeug zu besitzen. Und wenn auch manch eine Ehefrau beim aussichtslosen Versuch, in diesem Reservoir der männlichen Daseinsberechtigung eine einfache Rosenschere zu finden, regelmäßig einen ausgewachsenen Schreikrampf bekommt – die Fülle an "lebensnotwendiger" Ausrüstung ist für jeden Mann lediglich der Beweis seiner Liebe zu ihr im Besonderen und der ihm ständig anlastenden Verpflichtung im Allgemeinen, für uns zu sorgen und uns von den Unannehmlichkeiten des alltäglichen Lebens mit all seiner Kraft, Mut und Geschicklichkeit zu beschützen.
Deshalb dürfen wir unsere Männer nicht dafür schelten, dass sie wie damals, als sie noch süße kleine Jungs waren – Gott, ist das lange her! –, diese ihre Spielzeugsammlung jeden Tag vergrößern und vervollständigen wollen. Sie gehen mit Freude auf diese Art moderne Jagd, schleppen die erlegte "Beute" selbstzufrieden in die Höhle und breiten ihre Trophäen stolz zu unseren Füßen aus. Und das ist nicht eine ihrer neuen raffinierten Methoden, uns wahnsinnig zu machen – das ist ihr rudimentärer Instinkt, dem Weibchen zu imponieren! In der freien Wildbahn machen das alle Männchen so: wollen sie bei der Angebeteten landen, tragen sie Federn, Beeren, Holzstückchen, Fleischbrocken und etwaigen Krimskrams ins "Nest", auf das sie als treu sorgender Partner akzeptiert werden. Und für diesen rührenden Liebesbeweis sollten sie von uns öfters gelobt werden. Sonst tragen sie zukünftig ihre Zuneigung samt dem Werkzeugkasten zu der pseudohilfsbedürftigen Nachbarin, um ihren Abfluss zu reparieren.
Der Drang zu sammeln ist aber auch uns Frauen nicht unbekannt. Wenn ich mir am Wochenende mal wieder vornehme, meinen Kleiderschrank aufzuräumen, wundere ich mich regelmäßig über das Vorhandensein von zehn weißen Blusen, fünf Nadelstreifenhosen und unzählbaren schwarzen Rollkragenpullis, und stehe der Tatsache, eine unübersehbare Anzahl ausgewaschener Jeans zu besitzen, jedes Mal vollkommen verblüfft gegenüber. Das Gleiche gilt auch für die Sammlung meiner Unterwäsche – die sich zwar im Wesentlichen auf drei Farben beschränkt, davon aber pflichtgemäß jede jeweils in mehreren Design-Ausführungen vorhanden ist – und natürlich auch für die Artenvielfalt an Pumps, Stiefelchen und Ballerinas, auf die jedes gefährdete Naturschutzgebiet zweifellos "grün" vor Neid werden würde. Doch auch das ist ein solcher nicht laut ausgesprochener Liebesbeweis:
je schöner die Frau, umso stolzer der Pfau.
So ist unser Alltag auf den ersten Blick voller nerviger Unzulänglichkeiten, geradezu dämlicher Fehler und mitunter sinnloser Streitgründe, aber auch voller kleiner, versteckter Liebesbeweise und alltäglicher Zuneigungsbekundungen. Wir müssen nur versuchen, hinter jedem rätselhaften Gebaren nicht gleich das Schlimmste zu vermuten, sondern uns Zeit nehmen, hinter die Fassade der Jäger und der Sammlerinnen in uns einen Blick zu riskieren. Ich bin sicher, es gibt eine Menge geheimer Liebesbotschaften zu entdecken. Und auch wenn wir nicht alles davon sinnvoll interpretieren oder richtig verstehen können, es gilt: in dubio pro reo!
In diesem Sinne,
Ihre Sophia Sommer
Bürgerreporter:in:Sophia Sommer aus Augsburg |
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