Vor 85 Jahren
Martha Müller-Grählert ist gestorben, doch ihr Lied lebt.
"Wo die Ostseewellen rauschen an dem Strand,
wo der gelbe Ginster blüht im Dünensand,
wo die Möwen schreien, hell im Sturmgebraus,
da ist meine Heimat, da bin ich zu Haus."
Das sind auf hochdeutsch ihre bleibenden Liedzeilen. Im fremden Berlin schreibt sie ihr Gedicht von den Ostseewellen in vorpommerschem Platt, mit dem Titel „Mine Heimat“. 1907 sind diese die ersten Verse in ihrem Büchlein „Schelmenstücke“. In der "Zeitschrift für Humor und Kunst", so der Untertitel der „Meggendorfer Blätter“, erscheint das Gedicht 1908 (Ausgabe Nr. 914, Seite 3).
Hier liest es ein Flensburger Glaser und trägt dieses Heimweh-Gedicht mit nach Zürich. Dort wird er Mitglied im Arbeiter-Männergesangverein. Den damaligen Thüringer Dirigenten Simon Krannig bittet der Sänger, den Text zu vertonen. Aus dem Gedicht ist ein bewegendes Lied geworden. Am Grab des zwischenzeitlich verstorbenen Glasers wird es in Zürich uraufgeführt.
Der Verleger Friedrich Fischer-Friesenhausen ändert den Text leicht und macht es zu dem Friesenlied mit der Titelzeile "Wo die Nordseewellen". Ab den 20er Jahren setzt es sich im Rundfunk durch und ist 1934 im Film „Heimat im Meer“ in den Kinos zu hören. Später singen Freddy Quinn, Lale Andersen, Lolita, Heidi Kabel, Heino und vielen Andere das Lied. Die Nordseewellen gehören bald zur Liedauswahl jedes Shanty-Chors und vieler Männerchöre.
Mit Geburtsnamen heißt die am 20.12.1876 in Barth geborene Heimatdichterin Johanna Karoline Friedchen Daatz. 1879 heiratet ihre ledige Mutter Karoline Christiane Henriette Daatz den Müllermeister Karl Friedrich Mathias Grählert aus Zingst. Nun lebt sie dort und heißt Martha Grählert. Nach der Schule besucht sie das Franzburger Lehrerseminar und arbeitet anschließend als Hauslehrerin. 1898 zieht sie nach Berlin, wo sie 1904 den Argrarwissenschaftler Max Müller heiratet. Martha Müller-Grählert geht mit ihm nach Japan, wo er 1911 eine Gastprofessur in Sapporo angenommen hat. Im Krieg kehren sie nach Berlin zurück. Hier zerbricht die Ehe und sie zieht 1924 wieder nach Zingst.
Ein langer Kampf um die Urheberrechte des Liedes "Wo die Ostseewellen" endet erst 1936. Zwar werden ihr und dem Komponisten Krannig die Urheberrechte zugesprochen, doch für die Dichterin ist es zu spät, um davon zu profitieren. Bevor das Urteil rechtskräftig wird, stirbt Martha Müller-Grählert am 18.11.1939 arm, fast blind und einsam im Altersheim Franzburg bei Stralsund.
♥ Nr. 5