Es kloppte er an der Tür.

Vorweihnachtszeit.

Ich war wohl gerade sechs Jahre alt und hatte beileibe nicht das Zeug zu einem Draufgänger. Als Sechstgeborener in einer großen Familie, die erst wenige Jahre zuvor die Flucht und Vertreibung aus Schlesien überlebt hatte, war ich aber schon sehr selbstsicher, meinte ich jedenfalls damals. Da musste man frühzeitig versuchen sich durchzusetzen. Die älteren Geschwister waren in der Schule oder halfen schon am Nachmittag bei den Bauern. Damals war Kühe hüten oder andere Aufgaben angesagt, wobei die Mädels auch kräftig der Mutter zur Hand gehen mussten, auch die Oma wollte versorgt werden. Die Mutter war wie so oft schon beim Bauern auf dem Feld. Da war für die Kleineren nicht viel Zeit für Schmusestunden. In dem kleinen Dorf im Neustädter Landkreis, gab es immer was zu entdecken. Was habe ich als Kind nicht alles angestellt. Von Kartoffelkäfer absuchen auf den Feldern, bis hin zum gelegentlichen Trecker fahren. Als ich ein wenig älter wurde, habe ich schon so einiges gemacht. Rüben verzogen, Kartoffeln gesammelt und ähnliche leichte Arbeiten verrichtet und spielen natürlich. Auch bin ich auf den Bäumen rumgeturnt, habe mir die Hosen zerrissen und auf den unter dem Baum stehenden Konsumwagen gepinkelt. Natürlich hatte ich nicht daran gedacht, dass ich die eben bewässerten Äste auch wieder zum runterklettern benutzen musste. Damals wurden die Leute noch von fahrenden Händlern versorgt, Geschäfte gab es nur in größeren Orten. Im Sommer spielte sich das meiste Geschehen draußen ab. In der dunklen Jahreszeit hockten wir meistens in der Küche, ein eigenes Zimmer oder so, gab es damals nicht. Um die Weihnachtszeit war bei uns im Hause immer viel los. Mutter backte dann mehrere Tage lang in dem alten Küchenofen Kekse, braune und weiße. Die braunen wurden mit Rübensaft gemacht und mit gerührtem Puderzucker überstrichen. Das war wieder eine Aufgabe für die Kinder, wobei wir gern auch mal absichtlich ein wenig Zucker auf den Finger strichen. Die Kekse wurden in leere Marmeladeneimer gelegt und reichten meistens bis nach Weihnachten. Das war für uns Kinder Luxus pur. Wir durften auch mal mithelfen und dabei die Schüsseln mit den Zutaten auslecken. Mit Schrecken erinnere ich mich an einen Nikolaustag. Tagelang hatten wir Kinder über den Nikolaus gesprochen und abgelästert. Was wir so alles machen würden, falls er in diesem Jahr zu uns kommen sollte. Mein Schlagwort war damals: „Ich habe ja ein Messer und schneide damit den Sack auf, sollte er mich in den Sack stecken“. In der Hand hielt ich ein kleines sorgsam behütetes Taschenmesser, als ich dieses lautstark erzählte. Mutter sagte nur: „Du wirst schon sehen was passiert, Du mit Deiner großen Klappe“.

Dann kam dieser Abend, schlagartig ist es in der Küche ruhig geworden, als der Nikolaus im roten Gewand und langen Bart polternd zur Tür herein kam. Die Kleineren versteckten sich hinter der Mutter und hatten Angst. Die Großen wussten ja wer sich unter dem roten Mantel befand und kicherten. Als ich dann an die Reihe kam, hätte ich mir bald vor Angst in die Hosen gemacht. Natürlich hatte mich der Nikolaus auch in den Sack gesteckt und diesen oben zugehalten, als er mich zappelnd und strampelnd aus dem Haus trug. Erst auf der Straße ließ er mich aus dem Sack. Schreiend und überhaupt nicht mehr an das Taschenmesser denkend, rannte ich noch an den gemauerten Torpfeiler. Wie ich die 50 Meter über den stockdunklen Hof schaffte, keine Ahnung. Meine älteren Geschwister standen dort im trüben Licht einer Hoflampe und lachten sich über mich kaputt. Erst als sie meine zerschundenen Ellbogen und Hände sahen, die ich mir in dem Sack zerschunden hatte, hatten sie auch ein wenig Mitleid mit mir.

Vergessen habe ich diesen Nikolausabend nie!

Einen gesegneten 3. Adventssonntag wünsche ich noch allen Lesern!

Bürgerreporter:in:

Helmut Metzner aus Neustadt am Rübenberge

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